„Wir werden in einzelnen Bereichen mehr Personal brauchen“
IM INTERVIEW: MATTHIAS SCHELLENBERG
„Wir brauchen in einzelnen Bereichen mehr Personal“
Apobank-Chef stöhnt über Regulierung – Mit Transformation auf Kurs – Kreditgeschäft wächst wieder – Bank soll Clubcharakter entfalten
Die Apobank hat im ersten Halbjahr einen satten Ertragssprung hingeelgt. Dahinter standen in erster Linie der Anstieg im Zinsergebnis sowie ein geringerer Verwaltungsaufwand. Die Transformation schreitet voran. Worauf der Fokus in den nächsten Monaten liegt, erläutert Vorstandschef Matthias Schellenberg im Interview.
Herr Schellenberg, wie ist der Stand der Agenda 2025? Was haben Sie bislang erreicht und wo besteht der größte Handlungsbedarf?
Die Agenda 2025 ist das Fitnessprogramm der Bank, damit wir unseren Spitzenplatz als Bank der Gesundheit weiter ausbauen. Wir liegen bei der Umsetzung sehr gut im Rennen. Das Ziel der Agenda ist: Wir wollen schlanker, schneller und stärker werden.
Das sind zunächst aber nur Buzz-Words.
Schlanker heißt, wir müssen die Kosten optimieren. Dafür setzen wir unser Kostenprogramm weiter um. Im ersten Schritt haben wir die Sachkosten angeschaut. Da gab es durchaus Potenzial. Zum Beispiel haben wir bereits einige Mietflächen reduziert und werden unsere gesamte Flächennutzung bis 2027 optimiert haben. Darüber hinaus haben wir diverse Prozesse verschlankt und damit Betriebskosten begrenzt. Das reicht natürlich nicht. Deshalb setzen wir auch an den Personalkosten an. Damit beginnen wir jetzt, nachdem die Prozessoptimierung weit vorangeschritten ist.
Warum diese Reihenfolge?
Weil wir uns erst nach Prozessverbesserungen und Effizienzsteigerungen anschauen, wo wir mit weniger Kolleginnen und Kollegen auskommen können. Das ist uns besonders wichtig. Wir beginnen mit der Zentrale, weil hier weniger Abhängigkeit zu den Prozessen besteht. Dann kommt die Marktfolge und zum Ende des Jahres der Vertrieb. Bei der Umsetzung liegen wir im Plan.
Es geht weniger um den reinen Abbau, sondern vielmehr darum, die Bank zu transformieren.
Matthias Schellenberg, Apobank
Zwischen Ende 2023 und Mitte 2024 ist die Beschäftigtenzahl leicht gestiegen. Wird man den geplanten Abbau schon Ende 2024 in den Zahlen sehen?
Es geht weniger um einen reinen Abbau, sondern vielmehr darum, die Bank zu transformieren. Wo möglich, reduzieren wir Stellen. Dazu gehören unbesetzte Stellen, die natürliche Fluktuation, die sich bei der Apobank um die 150 Stellen jährlich bewegt, und Ruhestand. Wir haben rund 300 Stellen identifiziert, die bis Ende 2025 wegfallen. Gleichzeitig wird es im Rahmen der Transformation darum gehen, in anderen Feldern neue Kompetenzen an Bord zu holen.
In der Realität entstehen unbesetzte Stellen nicht notwendigerweise dort, wo die Bank ohnehin Streichungen vornehmen will.
Das ist richtig, wir werden in einzelnen Bereichen mehr Personal brauchen. Das sind Felder wie KI, IT, Risiko oder Regulierung. Beim Thema Regulierung ist die Bankenbranche an einem Punkt angelangt, an dem es wirklich kritisch wird. Das betrifft nicht nur die Dokumentationspflichten. Der Nachhaltigkeitsbericht zum Beispiel, den wir ab Ende dieses Jahres erstellen müssen, steht dem finanziellen Bericht in Umfang, Länge und Komplexität in nichts mehr nach. Allein um allen Regulierungsanforderungen Genüge zu tun, brauchen wir deutlich mehr Fachpersonal. Letztlich streben wir stabile Personalkosten bei einem leicht reduzierten Personalstand an.
Das war der Punkt schlanker. Was heißt schneller?
In der Wahrnehmung der Kunden war die Bank oft nicht schnell genug in ihrer Reaktion. Unsere Erreichbarkeit lag unter dem Standard. Jetzt haben wir den Premiumstandard erreicht. Das heißt, 80% aller Anrufe werden innerhalb von 20 Sekunden entgegengenommen. Das zweite wesentliche Qualitätsmerkmal ist die sogenannte „fallabschließende“ Behandlung, d.h. inwieweit kann das Anliegen des Kunden im Rahmen des Erstkontakts gelöst werden. Hier erreichen wir jetzt eine Quote von 77%. Das ist schon gut, aber wir wollen noch mehr.
Zur Person
Matthias Schellenberg sitzt an der Spitze der Apobank fest im Sattel. Die Querelen in der Führungsetage der Genossenschaftsbank, die sein erstes Amtsjahr in Düsseldorf prägten, sind zur Randnotiz verblasst. Nach vorne schauen und die Zukunft der größten genossenschaftlichen Primärbank der Republik gestalten, das sind die Themen, die den 59-Jährigen beschäftigen, seit er im März 2022 als Vorstandschef angetreten ist. Das breit angelegte Transformationsprogramm „Agenda 2025“ befindet sich in der Umsetzung und Schellenberg bescheinigt sich und seiner Führungsmannschaft dabei sehr gute Fortschritte.
Wo liegt Ihre Zielmarke?
Ich möchte in Richtung 85 bis 90% kommen. Ziel ist, immer mehr Prozesse für den Kunden effizienter und schneller zu gestalten.
Was verbirgt sich hinter „stärker“?
Wir sind mit großem Abstand Marktführer im Bereich der Existenzgründungen von Ärzten und Apothekern. Diese Position wollen wir in einem sich stark verändernden Umfeld ausbauen. Wo wir über die nächsten Jahre stärker werden müssen, ist die Beratung in allen Finanzfragen, im Speziellen in der Vermögensverwaltung und Altersvorsorge. Hier sind wir inzwischen erfolgreich unterwegs. Allein in der ersten Jahreshälfte 2024 haben wir in der Vermögensverwaltung 1 Mrd. Euro dazugewonnen. Von Mitte 2022 bis Mitte 2024 haben wir die Vermögensverwaltungsquote von 45% auf jetzt 55% gesteigert.
Was sagt diese Quote aus?
Die Quote sagt aus, dass von unserem gesamten Depotbestand von knapp 13 Mrd. Euro, 55% in diskretionären Vermögensverwaltungsportfolios liegen. Das wollen wir weiter entwickeln und zum wesentlichen Faktor machen.
Bei uns bekommt quasi jeder Kunde ohne Eintrittshürde eine professionelle Vermögensverwaltung angeboten.
Matthias Schellenberg, Apobank
Worin liegt der Sinn?
Es gibt dafür mehrere Gründe: Für den Kunden ist das die beste Form, um langfristig Vermögen zu erhalten und aufzubauen. Ein Profi übernimmt die Allokation unter Berücksichtigung von Kundenbedürfnissen und eines individuellen Chance-Risiko-Profils. Es gibt keine kurzfristigen Handelsideen, die immer mit Kosten verbunden sind.
Was hat die Bank davon?
Das ist auch für die Bank von Vorteil, denn wir haben mittlerweile einen erheblichen bürokratischen Aufwand bei der Beratung. Jede Empfehlung heißt Beratungsprotokoll, Geeignetheitsprüfung und heutzutage gegebenenfalls zusätzlich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Das ist, mit Verlaub, betriebswirtschaftlicher Unsinn. Daher haben wir 2022 strategisch entschieden, den Bereich nur noch auf Kundenwunsch und ab 250.000 Euro abzudecken. Unser präferierter Weg ist die Vermögensverwaltung. Bei uns bekommt quasi jeder Kunde ohne Eintrittshürde eine professionelle Vermögensverwaltung angeboten. Zum Vergleich: Andere Banken haben hier deutlich höhere Eintrittshürden und anteilsmäßig weniger Kunden in der Vermögensverwaltung.
Sie argumentieren aus Kostensicht. Es gibt aber doch auch den Ertragsaspekt. Sie erheben ja auch eine Vermögensverwaltungsgebühr.
Es ist für mich eine Win-Win-Situation für den Kunden und uns Bank. Der Kunde erhält die bessere Lösung ohne Einstiegshürde. Zudem ist die Verwaltungsgebühr am Ende immer noch günstiger als ein permanentes Wechseln zwischen einzelnen Produkten. Dafür fallen Ausgabeaufschläge und ähnliches an.
Das erste Halbjahr lief für die Apobank ziemlich gut, was vorwiegend an der Zinsentwicklung lag…
… jein, wenn ich hier gleich einmal reingrätschen darf. Wir bewegen uns nicht in einer Hochzinsphase, sondern eher in einem für Banken normalen Zinsumfeld. Da die Apobank eine der letzten Banken war, die ein Verwahrentgelt erhoben hat, haben wir 2020 und 2021 überproportional viele Einlagen eingesammelt. Unter diesen Einlagen waren viele flüchtige Zinsjäger. 2023 haben wir mit einem langsamen Abschmelzen geplant. Im ersten Halbjahr hat sich die Lage stabilisiert. Seit dem Sommer sehen wir ein leichtes Anziehen der Einlagen. Ich würde vorsichtig von einem Normalzustand bei den Einlagen sprechen.
Wir bewegen uns mit den Konditionen im Mittelfeld und können die Einlagen stabil halten.
Matthias Schellenberg, Apobank
Spüren Sie im Einlagengeschäft den wachsenden Wettbewerb um Kundengelder?
Ja, wir beobachten das sehr genau. Aber wir liegen bei den Konditionen gleichauf mit unseren Peers. Am langen Ende, also zwei Jahre plus, sind wir sogar etwas besser.
Wer sind Ihre Peers?
Wir vergleichen uns mit den üblichen Großbanken wie Commerzbank und ING. Wir bewegen uns mit den Konditionen im Mittelfeld und können die Einlagen stabil halten. Damit sind wir sehr zufrieden.
Sie zeigen für das erste Halbjahr eine für Ihre Verhältnisse sensationell niedrige Cost-Income-Ratio von unter 60%. Lässt sich das halten?
Das lag natürlich am Zinsüberschuss. Doch man muss sich nichts vormachen: Wir haben ein großes Projektportfolio im Rahmen der Agenda 2025 mit mehr als 30 Initiativen. Im zweiten Halbjahr werden die Projektkosten wieder stärker zu Buche schlagen. Dennoch werden wir unser Kostenziel erreichen.
Die Apobank soll mehr Strahlkraft bekommen.
Matthias Schellenberg, Apobank
Die avisierte Kosten-Ertrag-Relation von unter 70% hätten sie dann zwei Jahre in Folge getroffen. Da drängt sich die Frage auf: Legen Sie die Latte höher?
Die Apobank soll wieder mehr Strahlkraft bekommen. Das erfordert Investitionen, die über den üblichen Run-the-Bank-Kosten liegen. Die ganze Branche ist zudem mit dem Thema KI konfrontiert. Das können und wollen wir nicht ignorieren. Daher werden wir im nächsten Jahr überlegen, ob wir noch mehr machen als geplant. Es geht um Effizienz im Sinne des Kunden und Serviceorientierung, also letztlich das positive Kundenerlebnis.
Die Apobank soll mehr Strahlkraft bekommen. Dazu passt, dass die Mitgliederzahl im Halbjahr gewachsen ist. Aber der Schein trügt, denn Sie haben den Wert zum Bilanzstichtag 2023 um knapp 2.000 Mitglieder nach unten korrigiert. Was steckt dahinter?
In der Vergangenheit haben wir verstorbene Mitglieder erst nach der Nachlassregelung ausgebucht. Das mussten wir jetzt korrigieren. Die Differenz sind besagte knapp 2.000 Mitglieder aus in Summe mehr als fünf Jahren. Erfreulich ist: Wir haben im vergangenen halben Jahr 1.700 neue Mitglieder gewonnen – das ist deutlich mehr als die Zahl der Abgänge. Bis Ende 2024 werden wir die Trendwende geschafft haben.
Zur Mitgliedergewinnung bieten sie diesen Sonderkonditionen bei der Geldanlage an. Reicht das?
Wir haben eine Mitgliederstrategie. Wir wollen der Mitgliedschaft bei der Apobank einen Clubcharakter verleihen. Bislang hat die Apobank ihren Mitgliedern eine attraktive Dividende gezahlt. Das werden wir auch weiterhin, aber wir wollen mehr. Es geht darum, Mitgliedern spürbare Vorteile zu bieten, wie z.B. bessere Konditionen beim Tagesgeld oder bei der Praxis- oder Apothekenberatung. Aber auch exklusive Informationsveranstaltungen beispielsweise zu Analysen zum Gesundheitsmarkt.
Als Genossenschaftsbank sind wir bestrebt, Dividendenankündigungen nicht erratisch jedes Jahr neu zu adjustieren.
Matthias Schellenberg, Apobank
Sie rechnen im Gesamtjahr mit einem Rückgang im operativen Ergebnis, obwohl Sie im ersten Halbjahr um fast ein Viertel gewachsen sind. Warum?
Wir rechnen mit einem Rückgang im Vergleich zu 2023. Das war ein Ausnahmejahr und Rekorde sind schwer zu toppen. Die Zinssituation hat sich stabilisiert, der Wettbewerb hat zugenommen. Wir sind bei den Existenzfinanzierungen stabil. Auf der Immobilienseite sind wir im Neugeschäft wieder gestiegen. Insgesamt sind wir positiv gestimmt, im Gesamtjahr nahe an die Planzahlen heranzukommen.
Im sonstigen Ergebnis haben sie 20 Mill. Euro mehr eingenommen. Laut Zwischenbericht war das das Ergebnis einer Vergleichsvereinbarung. Hat das etwas mit dem Themenkomplex Cum-Ex zu tun?
Wir haben eine ganze Reihe von Regressschuldnern in diesem Komplex, der sich rund um Cum-Ex für die Apobank gerankt hat. Jetzt haben wir uns mit einer Partei geeinigt. Der Betrag ist ausgewiesen, ansonsten ist Stillschweigen vereinbart.
Sie hatten die Dividende im vorigen Jahr auf 6% erhöht. Setzen Sie auf Dividendenstabilität?
Bei aller Unwägbarkeit, die es gibt, sind wir als Genossenschaftsbank bestrebt, Dividendenankündigungen nicht erratisch jedes Jahr neu zu adjustieren. Bei der Planung einer mittel- bis langfristigen Dividendenpolitik spielt die erwartete Stabilität eine wesentliche Rolle. Aus heutiger Sicht ergeben sich keine Anhaltspunkte, von unserer mittelfristigen Planung abzuweichen.
Das Interview führte Annette Becker.