„Wir wollen näher ran an die Verpflichteten“
Tobias Fischer und Bernd Neubacher.
Frau Rodolphe, Sie sind seit 1. November Exekutivdirektorin Abwicklung und Geldwäscheprävention in der BaFin. Wie haben Sie die ersten Monate erlebt?
Sehr intensiv und sehr spannend. Ich bin jetzt vier Monate dabei, bin angekommen und fühle mich wohl. Die BaFin hat eine sehr junge, engagierte und hoch kompetente Belegschaft. Natürlich ist alles neu. Es ist eine Behörde, und ich komme aus einem ganz anderen Berufsumfeld. Die Lernkurve ist entsprechend hoch, und das macht mir Spaß.
Gleich zu Beginn haben Sie ein elfköpfiges Team des internationalen Anti-Geldwäsche-Regulators FATF bei seiner ersten Deutschlandprüfung seit 2010 erlebt. Die FATF begutachtet, wie es um die Geldwäschebekämpfung hierzulande bestellt ist und wurde im November zu Vor-Ort-Prüfungen vorstellig, so auch bei der BaFin. Wie war Ihr Eindruck?
Ja, das war gleich in meiner zweiten Woche bei der BaFin. Ein sehr professionelles Prüferteam war in Bonn und in Berlin. Es war eine sehr internationale Gruppe – interessant zu sehen, aus wie vielen verschiedenen Ländern die Prüfer kommen. Unser Team hat sich intensiv auf diesen Vor-Ort-Termin vorbereitet und stand den Prüfern Rede und Antwort.
Beim letzten Mal war das Ergebnis für Deutschland alles andere als schmeichelhaft. Wie geht die Sache diesmal aus?
Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Wir erwarten den Bericht der FATF im Juni. Der Schwerpunkt in der vierten Prüfungsrunde der FATF liegt auf der Effektivität bei der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung, also der Erzielung konkreter Ergebnisse durch die einzelnen Mitgliedstaaten. Außerdem wird die gesetzliche Umsetzung der FATF-Standards, die sogenannte Technical Compliance, bewertet. Hier muss man im Hinterkopf behalten, dass die verteilten Zuständigkeiten aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland eventuell in ihrer Komplexität zu Punktabzug führen könnten. Aber generell bin ich zuversichtlich, dass die Arbeit der BaFin hier fair und angemessen bewertet wird. Und wenn es Verbesserungsvorschläge gibt, nehmen wir die gerne entgegen. Vielleicht sind manche davon auch deckungsgleich mit den ohnehin geplanten Veränderungen.
Es gibt aber auch Beobachter, die meinen, es wäre eine Überraschung, wenn der Bericht sehr positiv ausfallen sollte. Es gab ja auch schon Untersuchungen der Staatsanwaltschaft bei der FIU, weil dort Meldungen liegengeblieben sein sollen. Muss man damit rechnen, einige Hausaufgaben zu bekommen?
Nach jeder FATF-Prüfung bekommen Sie Hausaufgaben. Das ist ganz normal.
Sie rechnen aber nicht damit, auf einer grauen Liste zu landen? 2010 kam Deutschland zwar nicht auf eine Liste, war aber einer Blamage nahe.
Ich möchte dem Ergebnis der Prüfung nicht vorgreifen. Das endgültige Ergebnis der Prüfung werden wir im Juni erfahren.
Ihr Chef Mark Branson hat gesagt, dass die Geldwäscheprävention intensiviert und personell wie organisatorisch ausgebaut werden soll. Was genau bedeutet das?
Ich beschäftige mich intensiv mit der Umstrukturierung der Geldwäschepräventionseinheit und habe vom Bundesministerium der Finanzen 20 neue Stellen bekommen. Weitere fünf Stellen habe ich aus anderen Bereichen umverteilt. Die Zahl der Stellen in der Geldwäschebekämpfung erhöht sich insgesamt auf 150. Wichtig ist bei den neuen Stellen, möglichst die eine oder andere mit Spezialisten und Spezialistinnen aus dem Markt zu besetzen. Wir suchen Kolleginnen und Kollegen aus der Finanzindustrie, beispielsweise von einem Finanzdienstleister, die ihr Know-how mitbringen und idealerweise noch datenaffin sind. Mir ist das Thema Daten in der Aufsicht sehr wichtig.
Was machen Sie mit 150 Leuten?
Zunächst einmal haben wir die Geldwäscheprävention auf zwei Abteilungen ausgebaut. Bis vor Kurzem gab es nur eine. Aufgrund der Vielzahl an Themen bietet sich diese Zweiteilung an. Wir hatten bisher acht Referate und sind nun auf zwölf angewachsen, d.h. in jeder Abteilung gibt es sechs Referate und rund 75 Mitarbeiter. Wir möchten mehr Ressourcen in die operative Aufsicht stecken und unsere Problembanken enger begleiten. Das gilt auch für Nichtbanken, also auch Versicherungen, Zahlungs- und Wertpapierinstitute, etc.
Was heißt denn enger begleiten?
Wir setzen insbesondere in der Fokus- und der Intensivaufsicht mehr Ressourcen ein. Das wird die Qualität unserer Aufsicht weiter steigern.
Wann sollen die neuen Stellen besetzt sein?
Mein Ziel ist, das in diesem Jahr zu finalisieren. Die Bewerber haben natürlich auch Kündigungsfristen. Sechs Monate sind bei Spezialisten völlig normal. Das Thema Stellenbesetzung ist somit ein großer Fokus für das laufende Jahr.
Wo werden sie eingesetzt?
Wir schreiben für zwei Standorte aus, Bonn und Frankfurt. In Bonn ist der Bereich Geldwäscheprävention überwiegend angesiedelt. Ein Team befindet sich in Frankfurt. Möglicherweise werde ich den Standort Frankfurt ausbauen. Durch die Coronakrise arbeiten wir mehr im Homeoffice und sind flexibler geworden, da ist die Standortfrage ohnehin nicht mehr so wichtig wie früher.
Wo sehen Sie neue Schwerpunkte und vielleicht auch andere Vorgehensweisen als bisher?
Ein Schwerpunkt ist die bereits genannte engere Begleitung unserer Probleminstitute. Wir haben hier zwei Vorgehensweisen: In der Geldwäscheprävention haben wir Referate speziell für die Fokus- und Intensivaufsicht. Wo erforderlich, erfolgt eine enge Abstimmung mit anderen Geschäftsbereichen zu bestimmten Fokusthemen. Das hat für uns eine sehr hohe Priorität. Auch die Aufsicht im Nichtbankenfinanzbereich werden wir verstärken. Und wir werden neuen technologischen Trends noch intensiver Rechnung tragen. Hier will ich Spezialistinnen und Spezialisten gewinnen, um die Bekämpfung von Geldwäsche beispielsweise in Verbindung mit Kryptowährungen inhaltlich wie personell zu verstärken.
Was haben Sie noch vor?
Auch in der Zusammenarbeit mit der Aufsicht über den Nichtfinanzbereich setzen wir einen Schwerpunkt. Wir haben nun mal in Deutschland eine föderale Struktur, in der viele Behörden eigene Kompetenzen haben. Wir wollen hier Absprachen und Schnittstellen noch besser managen als bisher. Deshalb haben wir ein Referat gegründet, das sich Nationale Zusammenarbeit nennt. Dort werden wir auch die Zusammenarbeit mit der Anti Financial Crime Alliance, der AFCA, eingliedern.
Was steht noch im Fokus?
Wenn wir uns Auslagerungen von Tätigkeiten in der Geldwäscheprävention ansehen, dann konnten wir das bis vor Kurzem nicht direkt beim Auslagerungsunternehmen prüfen, sondern nur über den Umweg der Prüfung des auslagernden Unternehmens. Aber das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität, FISG, ermöglicht es uns nun, direkt den Dienstleister zu prüfen. Das wollen wir erstmalig tun. Wir werden uns noch intensiver mit der Systemarchitektur der Institute, zum Beispiel der Kundenidentifizierung, also Know your Customer, und dem Transaktionsmonitoring beschäftigen.
Es wirkt ein wenig so, als schauten Sie sich verstärkt das Umfeld der Banken an und verschieben den Fokus auf den Nichtbankensektor. Ist der Eindruck richtig?
Nein, nicht ganz. Denn wir haben einen klaren Fokus auf der Intensivaufsicht in der Geldwäscheprävention. Auch da haben wir statt einem Referat nun zwei. Und die Fokusaufsicht gibt es natürlich auch noch. In der Intensivaufsicht betreuen wir aktuell 34 Kreditinstitute. Die haben entweder eine Vielzahl an Mängeln oder einzelne schwere Defizite im Bereich Geldwäscheprävention. In der Fokusaufsicht verfolgen wir einen geschäftsbereichsübergreifenden Ansatz, dort ist die Geldwäscheprävention sowieso immer als Querschnittsbereich eingebunden, wenn auch manchmal nur beobachtend. Es gibt 21 Banken, Versicherer, Wertpapierfirmen und Zahlungsdienstleister in der Fokusaufsicht. Zusammengenommen sind das 55 Institute, wobei es natürlich auch Schnittmengen zwischen Intensiv- und Fokusaufsicht gibt. Aber nicht alle Institute in der Fokusaufsicht haben ein Geldwäschethema. Für die Geldwäscheprävention sind zusammengerechnet 50 Institute entweder in der Fokus- und/oder der Intensivaufsicht.
Wie groß ist die Überschneidung zwischen Intensiv- und Fokusaufsicht?
Bei sechs Instituten schauen wir ganz genau hin, und das säulenübergreifend.
Sind auffällige Muster der in der Intensivbetreuung umsorgten Institute erkennbar?
Es geht querbeet durch die Finanzindustrie. Klassische Defizite finden sich im Kundenannahmeprozess, im Transaktionsmonitoring, bei Verdachtsmeldungen.
Wie viele Beschäftigte arbeiten in Ihrem Verantwortungsbereich?
Wie gesagt, es sind insgesamt etwa 150 Mitarbeiter in der Geldwäscheprävention, 100 in der Abwicklung und rund 70 in der Abteilung „Integrität des Finanzsystems“– alles Vollzeitäquivalente.
Sie sagten, dass die Stellenzahl in der Geldwäschebekämpfung aufgestockt wird. Geht das zulasten der Stellen in der Abwicklung?
Nein. Das hat mit dem Abwicklungsbereich nichts zu tun. Wir hatten den Komfort, fünf freie Stellen anders allokieren zu können. Ein Stellenabbau im Geschäftsbereich Abwicklung ist nicht vorgesehen.
Gilt das auch für die Abteilung Integrität des Finanzsystems, die sich der Verfolgung unerlaubter Geschäfte annimmt?
Ja. Das ist eine sehr aktive Einheit. 2021 haben wir in 315 Fällen unerlaubte Geschäfte untersagt. Die Zahl der Anordnungen hat damit einen Höchststand erreicht – im Vorjahr waren es noch 176 Untersagungen. Wir rechnen stark damit, dass wir das in diesem Jahr noch übertreffen.
Wo wollen Sie in der Geldwäscheprävention Schwerpunkte setzen?
Wir wollen noch mehr operative Aufsicht machen. Wir haben in der Geldwäscheprävention einen großen Grundsatzbereich, und das muss auch so bleiben angesichts dessen, was um uns herum passiert. So ist etwa die europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA im Aufbau. Die Arbeit wird hier eher zunehmen und gleichzeitig wollen wir schneller werden. Deshalb stecken wir mehr Ressourcen in Fokus- und in Intensivaufsicht. Wir beaufsichtigen auch verstärkt Zahlungsdienstleister, Versicherungen und Wertpapierfirmen. Darauf möchte ich einen deutlichen Fokus legen. Die Geldwäscheprävention ist ganz klar ein Kernanliegen der BaFin. Wir sehen Deutschland angesichts seiner wirtschaftlichen Stärke in der Verpflichtung, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Aber von Vorreiterrolle ist Deutschland noch ein ganzes Stück entfernt, wie etwa der Fall der Bezirksregierung von Niederbayern gezeigt hat, die sich in der Geldwäscheaufsicht für Wirecard für nicht zuständig erklärt hatte. Was müsste denn geschehen, um das zu verbessern?
Ich kann hier nur für meinen Bereich sprechen, den ich definitiv weiter optimieren will. Ich denke, es ist auch insgesamt sichtbar, dass der Geldwäscheprävention in Deutschland eine viel stärkere Bedeutung beigemessen wird, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war.
Was hat es mit dem neuen Referat nationale Zusammenarbeit auf sich, das wegen Wirecard entstehen soll? Wie soll es Behörden, die sich Verantwortung gegenseitig zuschieben, zu Leibe rücken?
Uns geht es darum, Klarheit zu schaffen, eine Mittlerrolle wahrzunehmen und Zuständigkeiten zu klären. Das neue Koordinationsreferat für die nationale Zusammenarbeit spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Aber echte Weisungsbefugnis haben Sie nicht, oder?
Zuständigkeiten kann man nicht ausdiskutieren, dafür gibt es Gesetze. In der Regel hilft es aber, miteinander zu sprechen, um Sachverhalte klar herauszuarbeiten – dann hat man die Thematik erkannt und kann sie lösen. Die AFCA ist hierfür ein gutes Beispiel. Denn die AFCA vereint als Public Private Partnership BaFin, BKA, Financial Intelligence Unit und Mitglieder der Finanzindustrie. Die regelmäßigen Treffen fördern das Verständnis, weshalb ein Partner etwas in einer bestimmten Art und Weise angeht. Diese Kommunikationskanäle sind extrem wichtig, gerade angesichts der föderalen Struktur in Deutschland. Deshalb sind wir auch bereit, hier Ressourcen zu investieren.
Geldwäscheprävention ist eines der zehn Mittelfristziele der BaFin bis 2025. Die Aufsicht über Kontrollen und Systeme zur Geldwäscheverhinderung werde intensiviert, heißt es. Worauf müssen Banken sich einstellen? Zieht die BaFin die Daumenschrauben an?
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wir wollen näher ran an die Verpflichteten. Wir schärfen die praktizierte Trennung von Routineaufsicht und anlassbezogener Aufsicht. Unter den 6 500 Verpflichteten, für die wir in der Geldwäscheprävention zuständig sind, befinden sich die bereits erwähnten 50 Problemkandidaten: Hier trennen wir die Kapazitäten und auch die Art der Aufsicht.
Werden Sie häufiger Vor-Ort-Prüfungen, auch virtuell, vornehmen?
Wir führen zahlreiche Vor-Ort-Prüfungen durch – auch virtuelle. Das werden wir beibehalten.
Setzen Sie denn nur auf Externe, oder haben Sie den Anspruch, selbst vertreten zu sein?
Das ist unterschiedlich. Wir haben eine Vielzahl an eigenen qualifizierten Mitarbeitern, die Sonderprüfungen durchführen. Wir mandatieren auch Wirtschaftsprüfer mit Sonderprüfungen. Diese werden dann von BaFin-Mitarbeitern begleitet.
Wie sieht es aus mit dem Einsatz von Sonderbeauftragten? Bei der Deutschen Bank hat KPMG das Mandat erhalten.
Wir haben aktuell drei: je einen bei Deutscher Bank, N26 und VTB Bank. Ein Sonderbeauftragter begleitet üblicherweise einen Mängelbeseitigungsprozess in einem Institut und prüft die ordnungsgemäße Behebung der Mängel und die Effektivität der neu implementierten Prozesse. Er kann eingesetzt werden, wenn wir den Eindruck haben, dass ein Institut alleine nicht die erwarteten Fortschritte bei der Mängelbehebung macht. Der Sonderbeauftragte ist ein Begleiter auf Zeit und für das betreffende Institut durchaus eine unangenehme Maßnahme. Dadurch, dass Sonderbeauftragte mit großen Teams bundesweit arbeiten können, ermöglichen sie eine besonders enge Begleitung des beaufsichtigten Instituts bei der Mängelbeseitigung.
Wie lange dürfen sich die betroffenen Institute über die Gegenwart eines Sonderbeauftragten freuen? Das ist wohl eher eine Frage von Jahren als von Monaten?
Sonderbeauftragte bleiben, bis die Mängel abgestellt sind. Es kommt auf die Schwere der Mängel an.
Werden Sie öfter Geschäfte deckeln, so wie zuletzt bei N26 geschehen?
Wir werden immer schauen, dass wir verhältnismäßig agieren. Eine Deckelung ist eine sehr harte Maßnahme. Wir haben eine Vielzahl an Instrumenten und nutzen diejenigen, die im jeweiligen Fall geeignet sind.
Geldstrafen der BaFin fielen in der Vergangenheit moderat aus. 2020 summierten sie sich in Banken- und Versicherungsaufsicht sowie Geldwäscheprävention alles in allem auf 399 000 Euro. 2021 stach dann ein Bußgeldbescheid an N26 über 4,25 Mill. Euro hervor. Werden Sie mehr bzw. höhere Strafen verhängen?
Auch mit diesem Thema werden wir uns künftig verstärkt befassen und einzelfallbezogen entscheiden, ob der Mangel ein Bußgeld rechtfertigt und wenn ja, in welcher Höhe.
Entspricht es Ihrer neuen Linie, dahingehend etwas robuster vorzugehen?
Ich stehe für konsequentes Handeln, alles Weitere wird man sehen.
Die Europäische Kommission hat im Juli ein Anti-Geldwäsche-Paket vorgelegt samt Errichtung einer europäischen Behörde, der AMLA: Ist absehbar, wann das Paket durch ist und Gültigkeit erlangt?
Wir erwarten, dass die AMLA Anfang nächsten Jahres eingerichtet werden wird. Es wird dann noch etwas dauern, bis die Ressourcen vorhanden sind und die AMLA operativ tätig sein kann.
Das Interview führten