Wo Standard Chartered in Deutschland angreifen will
Im Gespräch: Nicolo Salsano
Wo Standard Chartered in Deutschland wachsen will
Deutschland-Chef Nicolo Salsano will Wachstum, aber nicht um jeden Preis – BaFin hat der Europazentrale der Bank schon auf die Finger geklopft
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Seit rund acht Monaten ist Nicolo Salsano nun Deutschland-Chef der Standard Chartered. Er folgte bei der britischen Bank auf Heinz Hilger, den es ins Firmenkundengeschäft der LBBW zog, wo er das Geschäft mit den internationalen Großkunden verantwortet. Salsano hat ein großes Faible für die asiatische Kultur und kam von der HSBC – wie Standard Chartered eine Bank mit Hauptsitz in London, aber starker Präsenz in Asien.
Beide Banken haben einiges gemeinsam, adressieren auf Gruppenebene einen ähnlichen, stark international ausgerichteten Kundenkreis. Doch während die Standard Chartered für ihre Kontinentaleuropa-Zentrale Frankfurt wählte, verlegte die HSBC das Hauptquartier nach dem Brexit nach Paris. Frankfurt ist seitdem nur noch eine Niederlassung der Pariser Europazentrale. Zuletzt kursierten im Markt sogar Zerschlagungsgerüchte, welche die Bank nicht kommentieren wollte.
Ambitionen im Mittelstand
Bei Standard Chartered scheint die Situation eine andere zu sein: „Wir haben hier in Deutschland ganz klar das Mandat, Geschäft aufzubauen“, sagt Nicolo Salsano im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Nachdem in letzter Zeit bereits einige Erfolge verbucht worden seien, will Salsano perspektivisch in Deutschland das Geschäft mit Akquisitionsfinanzierungen und das Leveraged-Finance-Geschäft ausbauen – also die Fremdfinanzierung von Private-Equity-Deals.
Nicolo Salsano, Standard Chartered AGWir haben hier in Deutschland ganz klar das Mandat, Geschäft aufzubauen.
Salsano verfolgt aber auch das Ziel, Kunden aus dem Mittelstand zu gewinnen. Aktuell konzentriere sich die Bank in Deutschland auf die großen multinationalen Konzerne, also vor allem Dax-Unternehmen. Um die Ambitionen im Mittelstand als Initiative zu bezeichnen, sei es vielleicht noch etwas früh. „Aber es ist auf jeden Fall eine Stoßrichtung, in die wir gehen“, so Salsano über die Fokuspunkte bei der strategischen Weiterentwicklung der Bank. Ein konkretes Neukundenziel nennt er indes nicht: „Es werden nicht 5, aber auch nicht 50 Kunden sein, die wir im gehobenen Mittelstand ansprechen möchten.“
Standard Chartered setzt nicht nur auf Kredit
Auch die HSBC hatte schon vor Jahren eine Mittelstandsoffensive in Deutschland gefahren und versuchte vor allem über den Kredit als Ankerprodukt mittelständische Firmenkunden zu gewinnen. Eine Strategie, die das Institut später zumindest in Teilen wieder angepasst hat. So wurden einige der eröffneten Niederlassungen wieder geschlossen. Auch von einigen unprofitablen Kundenbeziehungen hatte sich die Bank getrennt, wie im Markt zu hören war.
Über seinen alten Arbeitgeber möchte Salsano nicht sprechen, doch sein Ansatz bei Standard Chartered scheint im Mittelstand ein anderer zu sein. „Wir werden den Kredit als Produkt in Deutschland im Markt verwenden, aber wir werden auch schauen, dass wir keine Ein-Produkt-Kundenbeziehung aufbauen“, so Salsano. Für jeden Euro Ertrag, den man mit einem deutschen Firmenkunden in Deutschland verdiene, komme ein weiterer im Ausland hinzu – eine Quote, die auch die HSBC Deutschland stets für sich reklamierte.
Standard Chartered investierte dreistelligen Millionenbetrag in Resilienz
Standard Chartered will nicht nur in Deutschland wachsen, sondern generell das Geschäft in Europa ausbauen. Deutschland, Frankreich und die nordischen Staaten (insbesondere Schweden) seien strategischer Fokus. In Polen habe die Bank unterstützende Einheiten. Das Wachstum des Geschäfts müsse aber von entsprechendem Wachstum in den Operations und den Functions begleitet werden, so Salsano. „Wir wollen profitables Wachstum und gleichzeitig Resilienz aufbauen. Das ist wichtig, damit das dann auch aus regulatorischer Perspektive funktioniert.“
Nicolo Salsano, Standard Chartered AGWir wollen profitables Wachstum und gleichzeitig Resilienz aufbauen.
Die Gruppe habe bereits einen dreistelligen Millionenbetrag in die Resilienz der deutschen Plattform investiert: in Mitarbeiter, Prozesse und Systeme. Mitte April gab die Bank bekannt, mit Jörg Hessenmüller einen Chief Operations Officer an Bord geholt zu haben. Bis dahin wurden die COO-Aufgaben interimistisch von Karin Flinspach übernommen. „Mit Jörg Hessenmüller heben wir diese Rolle jetzt auf die Vorstandsebene. Damit verfügt die Bank nun im Vorstand über einen CEO, CFO, CRO und COO“, so Salsano.
Kritik der BaFin an deutscher Plattform
Aufseher und Regulatoren dürften das mit Interesse verfolgen. Im Oktober 2022 hatte die deutsche Finanzaufsicht BaFin im Rahmen einer Sonderprüfung festgestellt, dass die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation nicht in allen geprüften Bereichen gegeben war, und darum angeordnet, die Mängel zu beseitigen. Zwei Monate später ordnete die BaFin dann zusätzliche Eigenmittelanforderungen für die Standard Chartered AG an.
So ein Prozess dauert für gewöhnlich zwischen 18 und 24 Monaten. Zum genauen Fortschritt und zu Details der Prüfungsfeststellungen wollten sich Salsano und Standard Chartered nicht äußern. Die Bank befinde sich aber zu jeder Zeit im konstruktiven Austausch mit der Aufsicht. Auf das Kundengeschäft dürften sich die Feststellungen vermutlich ohnehin nicht ausgewirkt haben.
Standard Chartered profitiert von geopolitischer Unruhe
Firmenkunden beschäftigen seit Corona ganz andere Themen. „Die geopolitischen Spannungen in der Welt sind ganz klar ein Thema, mit dem wir alle umgehen, Banken wie Politik“, so Salsano. Der Beratungsbedarf habe überproportional zugenommen. Allerdings weniger zu geopolitischen Themen, sondern zu anderen Fragen: „Wie stelle ich als Unternehmen meine Finanzierung in unsicheren Zeiten sicher? Wie schaue ich auf die Märkte, wenn die Inflation in den USA doch höher ausgefallen ist als erwartet, und was heißt das für die Wahrscheinlichkeit von weiteren Zinsänderungen?“, zählt Salsano mit Kunden diskutierte Fragen auf.
Salsano sieht dadurch mehr Beratungs-, Finanzierungs- und Absicherungsbedarf bei Firmenkunden: „Commodity-Finanzierung, Trade Finance, Cash Management, alle Themen rund um Hedging – das besprechen wir sehr akut mit Kunden und das ist geschäftsstützend“, sagt Salsano, der dadurch eine sehr gesunde Entwicklung des Geschäfts sieht.
Wohin fließen Handelsströme?
Wichtig sei außerdem die Frage, in welche Richtung sich Handelsströme entwickeln und wo deutsche Unternehmen ihre Absatzmärkte in einigen Jahren sehen würden. Das Bild sei aktuell noch uneinheitlich. „Die Entwicklungen sind dynamisch und es fällt schwer, Trends abzulesen, die eine Gültigkeit von sechs Monaten oder mehr haben“, so Salsano. China sei aktuell nach wie vor einer der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Unternehmen. Doch dahinter macht er insbesondere mit Indien und Afrika eine Reihe anderer Märkte und Regionen aus, die an Bedeutung gewinnen würden.
Nicolo Salsano, Standard Chartered AGEs fällt schwer, Trends abzulesen, die eine Gültigkeit von sechs Monaten oder mehr haben.
Standard Chartered ist auch im konfliktbehafteten Nahen Osten aktiv. „Der Nahe Osten ist mit Sicherheit ein wichtiger Wirtschaftsstandort für deutsche Unternehmen, aber im Vergleich zu Fernost oder Indien noch nicht da, wo er sein könnte“, sagt Salsano. In der Region Afrika und Naher Osten (AME) habe die Bank die Präsenz vor Ort neu ausgerichtet. „Wir schauen uns an, wo wir für Kunden Wert schaffen können. Wir investieren auch in der Region, zum Beispiel in eine neue Niederlassung in Ägypten“, sagt Salsano.
Strategischer Rückzug
Die Bank hat sich aber auch aus Märkten zurückgezogen. Vollständig aufgegeben hat Standard Chartered nach eigenen Angaben das Geschäft in Angola, Kamerun, Gambia, Jordanien, Libanon, Sierra Leone und Simbabwe. In Tansania und der Elfenbeinküste stellte die Bank ihr Consumer, Private und Business Banking ein und fokussiert sich dort nur noch auf das Corporate, Commercial und Institutional Banking.
Standard Chartered hegt Ambitionen im gehobenen deutschen Mittelstand. Deutschland-Chef Nicolo Salsano spricht im Gespräch mit der Börsen-Zeitung über sein hiesiges Wachstumsmandat und die strategische Stoßrichtung der britischen Bank – die aus den Fehlern ihrer Konkurrentin HSBC gelernt zu haben scheint.