Trotz Zinssenkungen

Warum Banken weiter mit hohem Zinsüberschuss rechnen dürfen

EZB-Zinswende wird Zinsüberschüsse deutscher Banken nur leicht beeinträchtigen. Banken verteidigen erhöhtes Zinsergebnisniveau, jedoch sind langfristig sinkende Zinsüberschüsse möglich.

Warum Banken weiter mit hohem Zinsüberschuss rechnen dürfen

„Dieses Jahr wird es beim Zinsüberschuss gut aussehen“

Banken müssen zwar Einbußen hinnehmen, aber von hohem Niveau aus, sagt ZEB-Partner Heinz-Gerd Stickling – Zinswende-Effekt noch schwer abschätzbar

fir Frankfurt
Von Tobias Fischer, Frankfurt

Die im Juni von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Zinswende wird nach Ansicht von ZEB-Partner Heinz-Gerd Stickling die Zinsüberschüsse zwar noch etwas schmälern, aber keine drastischen Veränderungen in der Ertragsstruktur deutscher Banken zur Folge haben. Die Institute sähen sich in die Lage versetzt, das alles in allem erhöhte Niveau beim Zinsergebnis einigermaßen zu verteidigen, wenngleich Einbußen zu erwarten seien.

Nullzins nicht wieder in Sicht

Die EZB hat nun mit der Zinssenkung um 0,25% die Serie an Zinserhöhungen beendet, die wiederum vor zwei Jahren der jahrelangen Negativzinsphase ein Ende bereitet hatte und insgesamt zehn Anhebungen umfasste. Das hatte dazu geführt, dass sich die Zinsergebnisse der Banken „dramatisch nach oben bewegt haben“, wie der Partner der Beratungsgesellschaft im Gespräch mit der Börsen-Zeitung ausführt.

Jetzt haben wir die Zinswende in die andere Richtung, aber eine erneute Null- oder Negativzinsphase werden wir nicht erleben.

Je stärker das Einlagengeschäft, desto stärker hätten die Finanzinstitute davon profitiert. „Jetzt haben wir die Zinswende in die andere Richtung, aber eine erneute Null- oder Negativzinsphase werden wir nicht erleben.“ Ob weitere Zinssenkungen folgen – und falls ja, wann und wie kräftig – darüber spekulieren Finanzauguren noch eifrig. Eine weitere Zinssenkung im September scheint jedenfalls nach jetzigem Stand gesetzt, eine zusätzliche im Dezember ist hingegen eher fraglich.

Eine Kostenfrage

„In diesem Jahr wird es bei den Zinsüberschüssen gut aussehen“, befindet jedenfalls Stickling. „Die Frage ist eher, ob die Banken es schaffen, die Kosten im Griff zu behalten.“ Im nächsten Jahr werden seiner Einschätzung nach sinkende Zinsüberschüsse eher ein Thema sein, weil sich die Marge aus dem Einlagengeschäft stärker verengen werde. Dann dürften die Nettozinserträge etwas sinken, um schließlich danach wieder anzusteigen, da sich langfristige strukturelle Effekte positiv auswirken würden.

Die Frage ist eher, ob die Banken es schaffen, die Kosten im Griff zu behalten.

Wohin die Reise geht, zeige in der Tendenz eine Prognose für die nach Bilanzsumme 50 größten europäischen Banken. Sie haben laut ZEB 2023 dank hoher Zinsüberschüsse und überschaubarer Risikokosten mit einem kumulierten Betriebsergebnis von 260 Mrd. Euro das beste Jahr seit der Finanzkrise erlebt. Das für dieses Jahr prognostizierte Zinsergebnis liegt mit 432 Mrd. Euro sogar noch leicht über dem Wert von 2023 und fällt dann 2025 leicht auf 428 Mrd. Euro ab.

Fortführung der Niedrigzinsphase als Worst Case

Damit bewegt sich das Zinsergebnis aber weiterhin deutlich oberhalb des Niveaus vor 2023. Werden nur deutsche Banken betrachtet, so gilt Stickling zufolge die gleiche Tendenz. Hiesige Regionalbanken seien sogar noch größere Profiteure der Zinswende.

„Am schlimmsten wäre für die Entwicklung des Zinsüberschusses die Fortführung der Niedrigzinsphase gewesen“, sagt Stickling. „Es gibt deshalb niemanden, der glücklicher über die Mitte 2022 eingeleitete Zinswende ist als die Banken.“ Davon profitiere der Sektor nachhaltig.

Die Einlagenvolumina halten sich ihm zufolge bislang stabil. Möglicherweise spiele hier angesichts der konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheiten auch „Angstsparen“ eine Rolle, um finanzielle Puffer zu schaffen.

Handelsergebnis befeuert

Auch die weiteren Ertragskomponenten der deutschen Banken halten sich den Angaben zufolge wacker. Der Provisionsüberschuss sei stabil und werde es bleiben, ist Stickling überzeugt. Stabilität würden unter anderem die Kontoführungsgebühren zeigen – mit der größte Provisionsposten der Retailbanken. Aber auch Wertpapierprovisionen und Versicherungsprovisionen hätten sich normalisiert.

Das Handelsergebnis wiederum werde gerade in Krisenzeiten mit hoher Volatilität von zunehmenden Transaktionen befeuert. „Jetzt ist die Unsicherheit groß und die Volatilität riesig, das heißt, dass Banken mit Absicherungsgeschäften wieder mehr verdienen.“

Große Unbekannte Risikovorsorge

Die große Unbekannte ist Stickling zufolge die Risikovorsorge. „Aus meiner Sicht könnte das ins Kontor schlagen, sofern wir in eine Rezession kommen.“ Doch geht er davon aus, dass das Risiko ordentlich bepreist und entsprechende Vorsorge getroffen worden sei.

Allerdings sei je nach Segment zu unterscheiden. „Viele Probleme am Immobilienmarkt sind zinsgetrieben. Wenn die Zinsen runtergehen, dürften sich diese Probleme zumindest nicht weiter zuspitzen.“ In der Wohnimmobilienfinanzierung bestünden ohnehin keine größeren Schwierigkeiten. Anders sehe es jedoch in Teilen des Gewerbeimmobilienmarktes aus. Büroimmobilien betreffend zeigt er sich zuversichtlich, dass das Gröbste überstanden sei.

Überschätzte Kostenkomponente

Was das Firmenkundengeschäft angeht, so seien Zinssenkungen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve zwar im Fall von Betriebsmittelkrediten relevant, doch werde die Zinskostenkomponente bei Unternehmen in der Regel überschätzt. Im Corporate Banking stelle sich eher eine klassische Rezession als Problem dar, aktuell sei das jedoch eher nicht in Sicht.

Nach tiefen Einbrüchen wächst das Baufinanzierungsgeschäft nun wieder, wenngleich es noch weit entfernt ist von früheren Volumina. Von einem Zuwachs von 16% bei den Kreditneuzusagen auf 25 Mrd. Euro im ersten Halbjahr sprach etwa der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) dieser Tage. Alles in allem sind demnach von Sparkassen in der ersten Jahreshälfte 66 Mrd. Euro an neuen Darlehen zugesagt worden, 2% mehr als ein Jahr zuvor. 

Basiseffekt bei Baufinanzierungen

„Wenn die Kreditvergabe der Banken in der Baufinanzierung zulegt, dann ist das im Wesentlichen ein Basiseffekt“, kommentiert Stickling den Zuwachs. „Das Volumen war sehr stark eingebrochen und beginnt sich allmählich zu erholen. Dadurch ergeben sich ansehnliche Steigerungsraten, doch wenn man es mit den Jahren zuvor vergleicht, ist das Niveau noch immer niedrig.“

Bei sinkenden Zinsen kann davon ausgegangen werden, dass sich mehr Menschen und Unternehmen Kredite leisten können und die Nachfrage steigt. Doch darf der Effekt nicht überbewertet werden. Die ING Deutschland etwa macht auf Anfrage, wie sich die Zinssenkung auf ihr Geschäft auswirkt, darauf aufmerksam, dass es im Kreditgeschäft aktuell nur geringfügige Auswirkungen gibt.

Baufinanzierung stellt auf langfristige Marktzinssätze ab

Diese lägen im Rahmen der Erwartungen. „Vor allem bei den Konditionen für Baufinanzierungen zeigt sich im Markt keine signifikante Änderung, da diese grundsätzlich auf Basis langfristiger Marktzinssätze ermittelt werden. Die vergangene Zinssenkung war in den Erwartungen der Kapitalmärkte bereits im Vorfeld eingepreist“, erklärt ein Sprecher.

Das bekräftigt auch der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT). Die Zinssenkung ist einem Sprecher zufolge schließlich nicht überraschend gekommen. Kurzfristig erwarte der Verband, dem 48 Sparkassen angehören, von künftigen Zinssenkungen eine Stabilisierung des Kreditgeschäfts, heißt es weiter.

Minimale Änderungen

Im Vergleich der Monate Mai und Juni 2024 haben sich demnach kaum Änderungen ergeben. So sei zum Beispiel der Zinsertrag um 0,01 Prozentpunkte auf 2,39% gestiegen. Der Provisionsertrag sei im Juni unverändert geblieben, die Kundeneinlagen seien ganz leicht gesunken, das Kreditvolumen minimal gestiegen, so der Sprecher. Sofern sich der mit Wirkung zum 12. Juni erfolgte Zinsschritt der EZB in den Zahlen des SGVHT überhaupt niederschlug, war der Effekt minimal – schon allein angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen der Zinssenkung und dem Monatsende.

Die BBBank habe die Zinsabsenkung bereits im vergangenen Jahr für 2024 prognostiziert und daher in der Planung berücksichtigt. Der für dieses Jahr erwartete Zinsüberschuss schrumpfe aufgrund höherer Zinsaufwendungen gegenüber 2023 voraussichtlich um 10%, wohingegen das Provisionsergebnis einen „weiterhin stabilen wesentlichen Ergebnisbeitrag“ zu leisten vermöge. Das Baufinanzierungsneugeschäft sei stabil und könne ausgebaut werden, so eine Sprecherin. Beim Kreditbestand rechne die in Karlsruhe ansässige Genossenschaftsbank mit einer Ausweitung um mehr als 2%, bei den Kundeneinlagen um mehr als 5%.

Zahlreiche Faktoren

Die Targobank verspricht sich von weiteren Zinssenkungen eine Stützung des privaten Konsums, der Immobilienfinanzierung und der Investitionstätigkeit der Unternehmen. Doch ließen sich die Auswirkungen nicht klar beziffern, wirkten sich doch zahlreiche Faktoren aus, von denen der Zins nur einer sei neben beispielsweise Kapitalbedarf, Angebotsstrategie im Zusammenhang mit anderen Produkten oder Wettbewerbssituation.

Der Verband der Sparda-Banken beobachtet in der kurzen Zeit seit der Zinssenkung keine wesentlichen Änderungen. Auswirkungen auf die Zinserträge seien zu erwarten, ließen sich jedoch derzeit nicht beziffern.

Deutschlands Bankenlandschaft profitiert nach Ansicht von ZEB-Partner Heinz-Gerd Stickling weiterhin stark von den Zinserhöhungen der vergangenen Jahre. Rekordhohe Zinsüberschüsse sind spätestens nach dem jüngsten Zinsschritt nach unten zwar passé, doch sie liegen dennoch auf hohem Niveau.

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