FOKUSRingen um EU-Kommissare

Die Zeit läuft gegen das EU-Parlament

Ein Streit zwischen Christ- und Sozialdemokraten blockiert die zügige Bestätigung der EU-Kommissare. Falls in dieser Woche keine Einigung gelingt, wird ein Starttermin der EU-Kommission noch in diesem Jahr fraglich.

Die Zeit läuft gegen das EU-Parlament

Die Zeit läuft gegen das EU-Parlament

Ein Streit zwischen Christ- und Sozialdemokraten blockiert die zügige Bestätigung der EU-Kommissarinnen und EU-Kommissare. Falls in dieser Woche keine Einigung gelingt, wird ein Starttermin der EU-Kommission noch in diesem Jahr fraglich.

fed Brüssel

Die Geduld schwindet bei immer mehr Europaabgeordneten. „Jetzt müssen alle Verantwortung übernehmen und aus den Schützengräben rauskommen“, fordert der CDU-Europa-Parlamentarier Peter Liese. Vor dem Hintergrund von Trump-Wahl, Ampel-Aus sowie der „politisch unklaren Verhältnisse“ in Frankreich; Belgien und anderen EU-Ländern „brauchen wir so schnell wie möglich eine mit neuer Legitimation gestärkte EU-Kommission“, fordert der Christdemokrat aus dem Sauerland.

Dass immer mehr EU-Abgeordnete ungeduldig werden, liegt unter anderem daran, dass mittlerweile eine Verschiebung des Starttermins der neuen EU-Kommission ins neue Jahr droht. Die Kalkulation: Bis Mittwoch, 20. November, sind noch genug EU-Abgeordnete in Brüssel, um die erforderlichen Mehrheiten in den Abstimmungen erzielen zu können. Denn beispielswiese an der Bestätigung des französischen EU-Vizepräsidenten Stéphane Séjourné sind vier größere Ausschüsse des EU-Parlaments beteiligt, dazu braucht es die Präsenz vieler Parlamentarier.

1. Dezember rückt immer näher

Im Falle einer Abstimmung erst in der darauf folgenden Woche wäre der 1. Dezember als Antrittstermin der EU-Kommission indes kaum mehr zu halten. Und sollte ein EU-Kommissar, etwa der Ungar Oliver Varhelyi, letztlich komplett abgelehnt werden, würde die Suche nach einem Ersatzmann oder einer Ersatzfrau voraussichtlich Monate dauern, so dass dann die US-Regierung eher im Amt wäre als die EU-Kommission.

Grund für die aktuelle Blockade ist ein Streit zwischen Christ- und Sozialdemokraten. Die Sozialdemokraten wollen verhindern, dass der italienische Kandidat Raffaele Fitto nicht bloß EU-Kommissar wird, sondern eine der etwas herausgestellten Positionen als Exekutiv-Vizepräsident einnimmt. Denn die Sozialdemokraten brandmarken Fittos Partei, die „Fratelli d´Italia“ von Regierungschefin Giorgia Meloni, als postfaschistisch und damit als politische Kraft, mit der sich jedwede Kooperation verbietet. Viele Christdemokraten hingegen beurteilen die „Brüder Italiens“ als rechtskonservativ.

Zankapfel „Fratelli d´Italia“

Sie werfen den Sozialdemokraten Doppelzüngigkeit vor, da auch die Parteien links der Mitte akzeptiert haben, dass liberale oder sozialdemokratische Bewerber für Kommissarsposten erst mit den Stimmen der „Fratelli“ und ihrer europäischen Verbündeten, also der „ECR“ nach den Anhörungen die notwendige Mehrheit erreicht haben. „Als der Sozialdemokrat Dan Jorgensen von den Koordinatoren nach dem Hearing auch mit der Stimme des ECR-Koordinatoren durchgewunken wurde, habe ich keine Proteste gehört“, erzählt ein EU-Abgeordneter der Europäischen Volkspartei.

Aktuell verhandeln Vertreter der Parteifamilien, insbesondere die Parteispitzen, miteinander und mit der EU-Kommission. Schließlich muss jeder Kompromiss auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gutgeheißen werden. Denkbar sind Korrekturen an den bislang vorgesehenen Ressorts. So ist den Christdemokraten der Zuschnitt der Aufgabenbereiche der Spanierin Teresa Ribera ohnehin ein Dorn im Auge. Die Sozialdemokratin soll sowohl für Wettbewerb als auch für Transformation (Sauberer, gerechter und wettbewerbsfähiger Übergang) zuständig sein. Die Konservativen sehen allein in dieser Aufgabenbeschreibung Interessenskonflikte angelegt.

Hinzu kommt, dass Spaniens Christdemokraten gegen Ribera Sturm laufen, indem sie sie für das politische Missmanagements der Flutkatastrophe von Valencia verantwortlich machen. Die Sozialdemokraten wiederum keilen zurück, dass Spaniens Christdemokraten lediglich von der Schuld der Regionalverwaltung ablenken wollten.