Fünf Fragen anMIT-Bundesvorsitzende Gitta Connemann

„Turbo-Abschreibungen hat es noch nie in diesem Umfang gegeben“

Der Koalitionsvertrag bietet ein "solides Fundament" für die so dringend erforderliche Wirtschaftswende. Davon ist Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion MIT überzeugt.

„Turbo-Abschreibungen hat es noch nie in diesem Umfang gegeben“

Print: Sechs (es gibt für Print noch eine Bonusfrage, die ich noch ergänzen muss - wf) an MIT-Bundesvorsitzende Gitta Connemann

Frau Connemann, als Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion haben Sie engen Kontakt zu den Unternehmen. Welche Resonanz bekommen Sie zum Koalitionsvertrag?

Die große Mehrheit ist erleichtert. Denn der Koalitionsvertrag bietet ein solides Fundament für die so dringend erforderliche Wirtschaftswende. Die aktuell größten Probleme für unsere Betriebe sind zu hohe Energiekosten, ein Bürokratiedschungel, nicht mehr wettbewerbsfähige Steuern und Abgaben sowie Mitarbeitermangel. Dies führt zu einem Würgegriff, den wir jetzt lösen – mit der Reduzierung der Stromsteuer und der Netzentgelte bis hin zur Abschaffung des sogenannten Bürgergeldes. Zukünftig wird es eine ‚Neue Grundsicherung‘ geben, in der wieder das Prinzip Fördern und Fordern greift. Leistung muss und wird sich wieder lohnen.

In der Steuerpolitik geschieht für die Unternehmen viel weniger als im Wahlprogramm der Union angestrebt. Der Soli bleibt und der Einstieg in die Körperschaftsteuersenkung kommt erst ein Jahr vor der Bundestagswahl 2029. Reichen die Abschreibungserleichterungen als Booster für die Wirtschaft?

Turbo-Abschreibungen hat es noch nie in diesem Umfang gegeben, auf Investitionsgüter degressiv 30‍% im Jahr – beginnend 2025 bis 2027. Das ist ein effizientes und schnell wirkendes Instrument, das Investitionsschübe auslösen wird. Übrigens: Alle Betriebe können von der Unternehmenssteuerreform profitieren. Viele Einzelunternehmen zahlen Einkommensteuer. Die vereinbarte Ausweitung des Wahlrechts zwischen Einkommen- und Körperschaftssteuer ist deshalb ein Befreiungsschlag.

Der Mindestlohn von 15 Euro scheint geeint, ist aber schon wieder umstritten zwischen Union und SPD. Wo liegt die Belastungsgrenze für den Mittelstand?

Dies wird die Mindestlohnkommission feststellen. Diese wird unter auch unter Abwägung der Gesamtbelastungen einen Vorschlag machen ‒ ohne politische Zielvorgabe.

Die hohen Energiekosten in Deutschland beschweren die Unternehmen. Sind die Weichen jetzt richtig gestellt?

Erdgas war in der EU auch im vergangenen Jahr noch fünfmal so teuer wie in den USA. Und der Industriestrompreis in den USA pendelt nach Angaben der Energiebehörde EIA seit Jahren um 8 Cent pro Kilowattstunde, bei uns ist er etwa doppelt so hoch. Auch in Frankreich zahlen Unternehmen für Strom deutlich weniger als bei uns. Durch die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte wird Energie für die Betriebe endlich wieder bezahlbar. Damit werden wir wieder wettbewerbsfähig.

 Die Wirtschaft führt Klage über zu viel Bürokratie. Wo kann sie Erleichterungen erwarten?

Hier rechne ich mit einem echten Wumms. Betriebe und Bürger können durch die Maßnahmen im Koalitionsvertrag mindestens 26 Mrd. Euro sparen. Allein die Reduzierung von Melde- und Berichtspflichten für die Wirtschaft wird dabei etwa 16 Mrd. Euro im Jahr ausmachen. Durch diese Maßnahmen könnte die Wirtschaftsleistung indirekt um mehr als 100 Mrd. Euro zunehmen.

Die Fragen stellte Angela Wefers