Tech-Misere belastet Stimmung an der Wall Street
Rekordinflationszahlen und die scharfe geldpolitische Straffung haben das Jahr an der Wall Street geprägt. Die Liquiditätsverknappung trifft insbesondere Wachstumswerte hart, deren größte Vertreter die Zugpferde der US-Börsen sind. Technologieriesen haben 2022 Hunderte Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung verbrannt, insbesondere die Facebook-Mutter Meta Platforms sowie der E-Autobauer Tesla stachen mit Kursrücksetzern von über 65% zwischen Anfang Januar und dem 28. Dezember negativ hervor. Doch auch die Aktie von Börsenliebling Apple sackte kurz nach Weihnachten auf den tiefsten Stand seit Juni 2021 ab.
Dabei begann das Jahr für den iPhone-Konzern vielversprechend. Am 3. Januar war Apple als erstes US-Unternehmen an der Börse kurzzeitig mehr als 3 Bill. Dollar wert. Es sollten Monate folgen, in denen nicht nur die Zinserhöhungen der Federal Reserve, sondern auch Produktionsprobleme in China den Kurs erheblich belasteten. Auch der Rest des Tech-Sets kämpft mit großen Hindernissen: Alphabet, Amazon und Meta müssen eine deutlich niedrigere Ausgabebereitschaft von Werbekunden verkraften, bei Microsoft befinden sich die Aktionäre nach einer Klage der US-Wettbewerbsaufsicht FTC in Unsicherheit über die im Januar groß angekündigte Übernahme des Spiele-Giganten Activision Blizzard, und Tesla leidet unter den Kontroversen um Vorstandschef Elon Musk.
Die schwache Performance seiner schwersten Werte setzten den Nasdaq 100 erheblich unter Druck, zwischen Jahresbeginn und dem 28. Dezember gab dieser um 34,6% nach. Auch für den marktbreiten S&P 500 wurden die Mega Caps zum Klotz am Bein. So verlor der S&P 500 Equal Weight, in dem alle Titel fix mit 0,2% gewichtet werden, im abgelaufenen Jahr deutlich weniger an Boden als das Standardbarometer, in dem die Komponenten nach Marktkapitalisierung allokiert werden.
Auch der Ukraine-Krieg ging nicht spurlos an der Wall Street vorbei: Die Verunsicherung bezüglich einer weiteren Eskalation trug ihren Teil dazu bei, dass die US-Börsen bereits im ersten Quartal ihre schwächste vierteljährliche Performance seit Beginn der Coronakrise hinlegten. Zudem kochten Handelskonflikte wieder hoch. So beschloss die US-Regierung im Oktober umfangreiche Beschränkungen in Bezug auf Halbleiterexporte nach China, die den Ausblick für die Chipbranche noch verkomplizierten.
Anleger hoffen nach den Verwerfungen des alten Jahres nun, dass zumindest die Fed einen marktfreundlicheren Kurs einschlägt. Die Währungshüter haben die Zinsen 2022 siebenmal bis in die Spanne von 4,25 bis 4,5% erhöht – dies bedeutet das höchste Niveau seit 15 Jahren. Doch laut Fed-Chef Jerome Powell hat die Notenbank im Ringen um Preisstabilität noch einen weiten Weg zu gehen.
Von Alex Wehnert, Frankfurt