„Das Kapital fließt nur im Ringelspiel“
„Das Kapital fließt nur im Ringelspiel“
wbr Frankfurt
„Nachhaltige Fonds ohne Wirkung?“, fragt Max Deml provokant – und liefert die Antwort gleich selbst: „Ohne gezielte Impact Investments oder Kapital für den Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen bleibt nachhaltiges Investieren leider oft ein gut gemeintes Spiel.“ Klare Worte eines Mannes, der seit über 30 Jahren das Investieren aus nachhaltiger Perspektive betrachtet und damit zu den Pionieren der Szene gehört.
Geboren 1957 im oberpfälzischen Stamsried, studierte Deml Psychologie, Philosophie und Politikwissenschaft in Regensburg und Wien. 1991 gründete er in Wien den Öko-Invest-Verlag, gleichzeitig wurde er Chefredakteur des gleichnamigen Börsenbriefs „Öko-Invest“, der bis heute alle zwei Wochen erscheint. Damals war nachhaltiges Investieren eine Nische – heute ist es ein Milliardenmarkt. Deml bleibt aber skeptisch, ob das auch Fortschritt bedeutet.
Ein Index mit Wirkung
1997 entwickelte er den Natur-Aktien-Index (NAI), später umbenannt in nx-25 – ein internationaler Index mit 25 Unternehmen, die nach ökologischen und ethischen Kriterien ausgewählt werden. Anders als viele ESG-Produkte, die Deml heute scharf kritisiert, sollte dieser Index echten Impact ermöglichen. „Viele ESG-Indizes sind kaum von herkömmlichen Indizes zu unterscheiden“, sagt er. „Sie basieren auf klassischen Indizes wie dem MSCI und enthalten lediglich minimale Ausschlüsse. Das erweckt den Eindruck nachhaltiger Investments, aber in den Portfolios finden sich oft nur Aktien von Amazon bis zu Öl- und Gasunternehmen.“
Für ihn ist das Best-in-Class-Prinzip Augenwischerei: „Das führt in der Praxis oft zu einem Portfolio, das weiterhin große, umstrittene Konzerne enthält – nur eben im Vergleich zu ihren Wettbewerbern etwas weniger schädlich.“
Investor und Gründer
Deml ist kein Theoretiker. Neben dem Verlagsgeschäft gründete er Unternehmen wie die Bioart AG (Bio- und Fair-Trade-Lebensmittel), die Fair Finance Holding AG und die Greentec Invest AG. Er ist Mitglied des Umweltbeirats der Oeco Capital Lebensversicherung und berät das Fondskomitee des WWF in Österreich. Dennoch sieht er die Grenzen der Finanzmärkte klar: „Wirklicher Impact entsteht dort, wo Geld direkt in Projekte fließt: Solarparks, Windkraftwerke oder – allerdings mit höherem Risiko – grüne Start-ups.“
Umso kritischer sieht er, dass ESG-Fondsmanager in den USA teils juristisch belangt werden – nicht weil sie Greenwashing betreiben, sondern weil sie angeblich „die Rendite schmälern“. Für Deml ein Symptom des Problems: „Damit geraten ursprüngliche ESG-Prinzipien unter massiven Druck.“ Was früher Greenwashing hieß – also sich grüner geben, als man ist – hat inzwischen ein Gegenstück: Greenhushing. „Heute herrscht bei vielen Unternehmen das Schweigen aus Angst. Der Begriff beschreibt diese neue Realität: lieber gar keine grünen Versprechen machen, als sich dem Risiko von Klagen auszusetzen – auch wenn es der ESG-Transparenz insgesamt schadet.“
Dass mittlerweile sogar Atomkraft und Rüstung – unter dem euphemistischen Label „Verteidigung“ – in die EU-Taxonomie als nachhaltige Investments aufgenommen wurden, lässt Deml kopfschüttelnd zurück: „Für viele institutionelle und private Anleger ist das ein Affront.“
2020 wurde Deml mit dem Austrian SDG Award in der Kategorie Medien ausgezeichnet. Eine Würdigung für seine publizistische Arbeit, aber auch für sein unermüdliches Engagement, ethische Prinzipien in der Finanzwelt zu verankern. Dabei bleibt er unbequem – bewusst. Denn er will nicht nur Symptome kommentieren, sondern Systeme hinterfragen.
Leiser Revolutionär
Max Deml redet gerne, aber er ist kein Lautsprecher. Seine Botschaft: Nachhaltigkeit darf kein Etikett bleiben, sondern ist eine Haltung – gerade im Finanzwesen. Und solange sich Kapital nur im Kreis dreht, wird er nicht müde, für echten Wandel zu streiten. Pointiert sagt er: „Das Kapital fließt nur im Ringelspiel“, ein österreichisches Wort für Karussell. Deml fehlt beim herkömmlichen ESG-Geschäft der Durchfluss in konkrete Transformationsprojekte.