„ESG wird in Zukunft ein wichtiges Erfolgskriterium sein"
Im Gespräch: Rolf Künemann und Kruno Crepulja
„ESG wird in Zukunft
ein wichtiges Erfolgskriterium sein"
Der Deloitte-Partner und der Instone-Vorstandschef zu den Vorgaben der Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD und den Herausforderungen für die Immobilienbranche
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird viele Unternehmen deutlich verändern. Davon sind Deloitte-Partner Rolf Künemann und der CEO der Wohnungsbaugesellschaft Instone, Kruno Crepulja, überzeugt. „Allein dass Unternehmen die Ziele, die wichtigsten Parameter und die Maßnahmen zur Zielerreichung festlegen und die Öffentlichkeit darüber informieren müssen, hat erheblichen Einfluss“, sagt Künemann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Dann obliegt es dem Leser zu entscheiden, ob es sich um ein gutes Unternehmen handelt oder nicht.“
Von 500 auf 15.000
Bisher fallen erst rund 500 Gesellschaften in Deutschland unter die Berichtspflicht. Betroffen ist also nur ein sehr kleiner Teil der Gesamtwirtschaft. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Zahl aber bald auf geschätzte 15.000 steigen. Ein Schub kommt 2026: Denn erstmals für das Geschäftsjahr 2025 müssen die anderen Unternehmen oder Konzerne über Umwelt, Soziales und Governance (ESG) berichten, wenn sie die Grenzwerte in zwei von drei Kriterien übertreffen. Maßgeblich sind Bilanzsumme (mehr als 25 Mill. Euro), Umsatz (über 50 Mill. Euro) und Mitarbeiterzahl (mehr als 250). Später kommen kleinere kapitalmarktorientierte Gesellschaften und Unternehmen aus Drittstaaten mit EU-Bezug hinzu.
Die inhaltlichen Details der CSRD-Richtlinie sind in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) geregelt. „Die CSRD geht über die bisherigen Vorgaben für börsennotierte Unternehmen und die Taxonomie-Verordnung hinaus“, sagt Künemann. „Sie erweitert die nicht-finanzielle Berichterstattung.“ Die berichtspflichtigen Unternehmen seien mit Blick auf ihre Wertschöpfungskette auf Informationen von ihren Zulieferern angewiesen, die zum Teil indirekt auch Daten erheben müssten. „Auf die Unternehmen kommt eine große Welle an Berichterstattung zu“, fasst der Partner im Bereich Audit & Assurance von Deloitte Deutschland, der Immobilienkonzerne prüft und berät, zusammen.
„Größte Neuerung seit Jahrzehnten“
Der Nachhaltigkeitsbericht ist Teil des Lageberichts. Ein Wirtschaftsprüfer muss ihn zunächst mit begrenzter Sicherheit prüfen. „Die ESG-Berichterstattung hat künftig die gleiche Wertigkeit wie die finanzielle Berichterstattung“, betont Künemann. Instone-Vorstandschef Crepulja spricht von der „größten Neuerung seit Jahrzehnten“.
Vor besonderen Herausforderungen steht die Immobilienbranche. Denn sie ist deutlich fragmentierter als beispielsweise die Chemie- und die Autoindustrie. Neben den großen Bestandshaltern gibt es viele kleine und mittelgroße Immobilienfirmen, die sich jetzt auf eine „anspruchsvolle Aufgabe“ einstellen müssen, wie Crepulja sagt.
Start mit Wesentlichkeitsanalyse
„Viele Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht“, berichtet Künemann aus seiner Berufspraxis. Andere Firmen, etwa einige Projektentwickler, seien aber noch nicht so weit. „Am Anfang steht immer die Wesentlichkeitsanalyse“, erläutert Künemann das Vorgehen. Sie gilt als Basis für die CSRD-Umsetzung, aus der sich die weiteren Schritte ableiten, und beeinflusst maßgeblich den Umfang der Berichterstattung. Dieser kann erheblich sein, wie das Beispiel Instone zeigt: 80 der gut 200 Seiten des Geschäftsberichts 2023 (ohne Anhang) sind dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet. „Mit der CSRD werden es noch mehr“, sagt Crepulja.
Bisher berichtet Instone auf freiwilliger Basis über ESG und sieht sich in der Branche als Vorreiter. „ESG wird in Zukunft ein wichtiges Erfolgskriterium sein", sagt der CEO. „Die neue Regulierung schafft Transparenz. Das finden wir gut.“
Chancen durch Neuausrichtung
Deloitte-Wirtschaftsprüfer Künemann hält es für falsch, primär auf Risiken und Kosten der Regulierung zu schauen: „Die neuen Anforderungen werden Innovationen hervorbringen, etwa emissionsarme Baustoffe. Das ist die Chance für Unternehmen, sich neu auszurichten und vom Wettbewerb abzusetzen." Crepulja nennt einen weiteren Aspekt: „Die Vorgaben werden die Digitalisierung beschleunigen.“ Denn man müsse ungeheuer viele Informationen etwa über Baustoffe und über Liefer- und Wertschöpfungsketten sammeln und verarbeiten. Daher werde sich die digitale Nutzung und Verarbeitung von Informationen über ein Bauwerk sukzessive stärker durchsetzen.
ESG in Projektplanung einbringen
Mit der Erstellung des ESG-Berichts sind bei Instone fünf Vollzeitkräfte inklusive externe Dienstleister beschäftigt. Mit der CSRD werde sich ihre Zahl auf zehn verdoppeln, sagt Crepulja. Zum Vergleich: Insgesamt beschäftigte der Bauträger im vergangenen Jahr 468 Mitarbeiter. „Die Berichterstattung ist aber nur ein Element“, stellt der CEO klar. „Entscheidend ist, dass ESG in die Projektplanung einfließt.“ Dann geht es um Themen wie Materialauswahl, Energieversorgung von Quartieren, Mobilitätskonzepte, Biodiversität, soziale Gemeinschaftsflächen und Inklusion. „Das kostet Zeit, ist aber gut investiert.“
Auf Projektebene seien bei Instone etwa 30 Mitarbeiter mit ESG-Themen befasst. Der Firmenchef verweist auf ein Bauprojekt in Frankfurt, wo die Abwärme eines nahegelegenen Rechenzentrums für die Wärmeversorgung des neuen Quartiers genutzt wird: „Der Investor, eine große Pensionskasse, findet das klasse.“
Hinzu kommt: „Wer in ESG führend ist, kann seine Bauvorhaben leichter vermarkten", ist der Instone-Chef überzeugt. Denn Investoren seien interessiert, Projekte mit hohem ESG-Standard zu erwerben, da sie ebenfalls über ihre Nachhaltigkeit berichten müssten. Sie seien bereit, für hohe Nachhaltigkeit etwas mehr zu bezahlen. „Energieeffiziente Immobilien sind wertstabiler, schon wegen der steigenden CO2-Abgabe“, ergänzt Künemann.
Herausforderung Datenerfassung
Eine Herausforderung stellt die Datenerfassung dar, insbesondere mit Blick auf die Emissionen in der Lieferkette. Hier könne man auf Daten externer Dienstleister zurückgreifen, sagt Künemann. Teilweise würden Schätzungen herangezogen. Unternehmen müssten aber prüfen, ob die verwendeten Schätzverfahren sachgerecht seien. Der Deloitte-Experte geht davon aus, dass sich die Datenqualität in den nächsten Jahren deutlich verbessern wird, nicht zuletzt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz.
Die Personalsuche sei ähnlich herausfordernd wie in anderen Bereichen, berichtet Crepulja. Bisher stammten die ESG-Mitarbeiter vorzugsweise aus altbekannten Berufen wie Architekten, Ingenieure und Datenanalysten. Die bisherigen Berufe würden stärker in ESG ausgebildet. Sukzessive werde sich aber auch ein eigener Berufszweig an ESG-Experten herausbilden. Bei Deloitte seien die ESG-Teams divers zusammengesetzt, sagt Künemann. „Früher haben wir im Bereich Wirtschaftsprüfung fast nur Prüfer eingestellt. Heute beschäftigen wir unter anderem auch Umweltökonomen und Chemiker.“
Viele Unternehmen müssen erstmals für das Geschäftsjahr 2025 über Nachhaltigkeit berichten. Die ESG-Berichterstattung habe künftig die gleiche Wertigkeit wie die finanzielle, sagt Deloitte-Partner Rolf Künemann. Beim Wohnungsbauer Instone fließen Nachhaltigkeitsaspekte laut CEO Kruno Crepulja verstärkt in die Projektplanung ein. Außerdem werde die Digitalisierung des Immobiliensektors beschleunigt.