BlickfeldEU-Offenlegungsverordnung vor Umbruch

EU ringt um die Einordnung von Nachhaltigkeitsfonds

Die Überarbeitung der SFDR-Offenlegungsverordnung zu ESG-Fonds steht vor der Tür. Die Branche übt massive Kritik. Gleichzeitig gibt es Bedarf an echten Standards für nachhaltige Finanzprodukte.

EU ringt um die Einordnung von Nachhaltigkeitsfonds

Grüne Fonds

EU ringt um
die Einordnung
von Nachhaltigkeitsfonds

Die Überarbeitung der SFDR-Offenlegungsverordnung steht vor der Tür. Die Branche übt massive Kritik.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Vor vier Wochen hat die EU-Kommission einen Bericht veröffentlicht, der die 324 Eingaben zur Überprüfung der SFDR im Rahmen der 2023 durchgeführten Konsultation zusammenfasst. Es geht um eine der umstrittensten ESG-Regulierungen aus Brüssel. Die Offenlegungsverordnung könnte man auch als Artikel-8-Artikel-9-Verordnung bezeichnen. Diese Vorschriften aus Europa haben Anlegern und in der Branche für Unverständnis, Wirbel und Aufregung gesorgt.

Die jetzt angepackte Überarbeitung der erst 2021 wirksam gewordenen Sustainable Finance Disclosure Regulation erscheint daher nötiger denn je.

Ein großes Missverständnis

Die SFDR gilt auch als ein großes Missverständnis. Die Offenlegungsverordnung schreibt zwar bestimmte Transparenzanforderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsrisikopolitik vor. Sie sagt aber nicht, was nachhaltige Produkte sind. Eine Bewertung oder Einteilung der Fondswelt in „grün“ und „braun“ ist auf Basis der Offenlegungsverordnung problematisch. Weil die SFDR aber das EU-weite Regelwerk ist, wurde Transparenz oft mit „grün“ gleichgesetzt.

Kernstück des Aktionsplans

Klar war immer, dass die SFDR ein Kernstück des EU-Aktionsplans ist. Sie soll Standards und Label für grüne Finanzprodukte definieren. Konkret verpflichtet sie Fondsgesellschaften dazu, die Zielsetzung ihrer Fonds nach Nachhaltigkeitskriterien in den Fondsprospekten niederzulegen. Für die Offenlegung gelten strenge Mindeststandards, die ein Greenwashing verhindern sollen. Es geht dabei im Wesentlichen um zwei Gruppen: Fonds nach Artikel 8 und Artikel 9.

Produkte nach Artikel 8 bewerben soziale oder ökologische Merkmale und können in nachhaltige Anlagen investieren, ohne dass Nachhaltigkeit das Hauptziel wäre. Produkte nach Artikel 9 haben ein nachhaltiges Anlageziel.

Wie weit die EU-Welt der Offenlegung von üblichen Kategorien nachhaltiger Fonds abweicht, zeigt die Statistik der Ratingagentur Scope. Eine Studie von Scope nennt einerseits die Zahl der Fonds, die gemäß EU-Offenlegungsverordnung Nachhaltigkeitsmerkmale aufweisen. Das waren zuletzt 6.200, etwa jeder zweite Fonds.

Nur ein kleiner Teil

Andererseits hat Scope Peergroups mit einem klar erkennbaren ESG-Fokus. „In diesen Peergroups befinden sich lediglich 726 Fonds, also nur ein kleiner Teil des Fondsuniversums. Eine darüber hinausgehende Einstufung als nachhaltige Fonds nehmen wir nicht vor“, so Scope.

Um Missverständnissen vorzubeugen, will Scope künftig „deutlicher zum Ausdruck bringen, dass sich die Klassifizierung nach SFDR von der Scope-Einstufung unterscheidet“.

Die jüngste Konsultation zeigt ein sehr kritisches Bild der SFDR. Es gibt zum Beispiel keinen Konsens über die Nützlichkeit der Angaben auf Unternehmensebene zur Vergütungspolitik (39% dafür, 26% dagegen) oder zu den nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen (31% dafür, 31% dagegen). Die meisten aus der Branche fordern mindestens eine Vereinfachung dieser Offenlegungspflichten im Zusammenwirken mit anderen EU-Regelwerken.

Die große Mehrheit der Befragten meint, dass neu einzuführende EU-Nachhaltigkeitskategorien für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger (69%), zur Bekämpfung von Greenwashing (64%) und zum besseren Verständnis für die Nachhaltigkeitsstrategien und -ziele der Produkte hilfreich wären. Über 70% der Befragten sind der Ansicht, dass die Offenlegung allein nicht ausreicht, um diese Ziele zu erreichen.

Die Meinungen sind geteilt, ob Produktkategorien auf neuen Kriterien beruhen oder ob Artikel 8 und 9 der SFDR umgewandelt werden sollten. Dennoch besteht unter den Befragten eine große Übereinstimmung über gemeinsame Grundsätze für die Kategorien. Ein neues System sollte sich an Kleinanlegern ausrichten, eine internationale Dimension haben und das Konzept der Übergangsfinanzierung einbeziehen. Es gibt eine überwältigende Unterstützung (72%) für die Einführung einer speziellen Kategorie für Produkte, die auf diesen nachhaltigen Übergang ausgerichtet sind.

Ein vierter Punkt für eine Neuregelung betrifft die Neutralitätskriterien für alle Asset-Klassen: Die Befragten wiesen darauf hin, dass die zugrunde liegenden Kriterien anlagenneutral sein müssen und für alle Arten von Finanzprodukten gelten sollen.

Diese vier Grundsätze reflektieren beispielsweise auch die wesentlichen Schwerpunkte der Position des deutschen Fondsverbands BVI, was diesen für die weitere Diskussion optimistisch stimmt.

Briten gehen voran

Während man in der EU derzeit nicht von einer schnellen Verabschiedung ausgeht, machte Großbritannien Nägel mit Köpfen. Im Ex-EU-Land hat die britische Financial Conduct Authority (FCA) jüngst ein umfassendes Maßnahmenpaket veröffentlicht, das den Rahmen der Nachhaltigkeitstransparenz und entsprechender Produktklassifizierung vorgibt. Die FCA hat Sustainability Disclosure Requirements (SDR) eingeführt. Danach können Vermögensverwalter schon bald in Verbindung mit den entsprechenden Offenlegungen eines der vier Anlagelabels (Sustainability Focus, Sustainability Improvers, Sustainability Impact, Sustainability Mixed Goals) verwenden.

Die Kategorien sind so konzipiert, dass sie die Wünsche der verschiedenen Verbraucherpräferenzen widerspiegeln. „Sustainability Focus“-Investments sind hauptsächlich auf ökologische oder soziale Nachhaltigkeit ausgerichtet. Diese Kategorie gilt für Fonds mit einem hohen Maß an Nachhaltigkeit (im Konsultationspapier hieß es, mindestens 70% nachhaltige Vermögenswerte).

Die Kategorie „Sustainability Improvers“ umfasst Investments, die zwar jetzt noch nicht nachhaltig sind, aber in der Zukunft positive Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft haben sollen. Es geht also darum, eine messbare Verbesserung der zugrunde liegenden ESG-Leistung zu erreichen.

Unter „Sustainability Impact“ finden sich Investments, die in reale ESG-Herausforderungen investieren und messbare Beiträge zu ökologisch oder sozial nachhaltigen Fortschritten leisten wollen. Neu hinzugekommen ist im weiteren Verfahren die Kategorie „Sustainability Mixed Goals“. Diese Bezeichnung umfasst Produkte, die ein bestimmtes nachhaltiges Ergebnis zum Ziel haben, ohne dass ein Mindestmaß an nachhaltigen Investitionen erforderlich ist.

Fahrplan der EU

In der EU ist man noch nicht so weit wie in Großbritannien. Noch ist offen, wann die Kommission ein Konzept zur Überarbeitung der Offenlegungsverordnung vorstellen wird. Sie hat zunächst die EU-Plattform für nachhaltige Finanzen mit weiteren Arbeiten zu den Produktkategorien beauftragt. Ein Bericht der EU-Plattform soll bis Ende Juni vorliegen.

„Die EU-Gesetzgeber haben zwar eine Flut von Detailregelungen verabschiedet, aber bisher keine allgemein gültigen Definitionen dafür festgelegt, was ein nachhaltiges Produkt ausmacht“, schreibt der BVI und verweist nochmals darauf, dass EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung bisher lediglich Transparenzpflichten regeln.

Stark macht sich der Fondsverband auch für die Produktkategorie für die nachhaltige Transformation. Klare Regeln für Assets, die den Übergang von braunen zu grünen Geschäftsmodellen unterstützen, hätten aus Sicht des deutschen Fondsverbands einen Vorteil: „Dies könnte Diskussionen um Grünfärberei eindämmen.“

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