Im Interview:Julie Becker, CEO der Luxemburger Börse

„Frauen sind der Schlüssel zum Klimaschutz“

Das Thema Gender Finance wird an der Luxemburger Börse mit einem hohen Stellenwert versehen. An der LuxSE sind bereits viele geschlechterorientierte Anleihen gelistet.

„Frauen sind der Schlüssel zum Klimaschutz“

Im Interview: Julie Becker

„Frauen sind der Schlüssel zum Klimaschutz“

CEO der Luxemburger Börse über Gender-Finanzierung, entsprechende Bonds und die Rolle von Frauen beim Thema Green und Sustainable Investments

Im Interview der Börsen-Zeitung geht Julie Becker, Chefin der Luxemburger Börse, zu der auch die Luxembourg Green Exchange (LGX) gehört, auf den Stellenwert von Gender-Finanzierung im Rahmen von Sustainable Finance ein. Entsprechende Gender Bonds sind an der LGX bereits gelistet.

Frau Becker, das Thema Diversity, Equity und Inclusion – DEI – hat auch an den Kapitalmärkten einen hohen Stellenwert. Welche Initiativen hat die Luxemburger Börse in Sachen Gender-Finanzierung gestartet?

Vor drei Jahren schloss die Luxemburger Börse eine Vereinbarung mit UN Women ab, in der wir uns verpflichteten, gemeinsam die Finanzierung der Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau voranzutreiben. Seitdem haben wir verschiedene Schritte unternommen, um die Gender-Finanzierung und geschlechtsspezifische Investitionen zu stärken. Wir haben damit begonnen, alle an der LuxSE notierten geschlechtsspezifischen Anleihen zu kennzeichnen, um den Anlegern die Identifizierung nachhaltiger Anleihen zu erleichtern, die einen Teil oder die Gesamtheit der Erlöse für Gleichstellungsziele verwenden, z. B. für die Vergabe von Darlehen an von Frauen geführte Kleinstunternehmen. Heute sind rund 100 geschlechtsspezifische Anleihen an unserem Markt notiert.

Und darüber hinaus?

Wir haben auch einen Schulungskurs über Gender-Finanzierung entwickelt, eine Marktstudie über den Stand des Marktes für geschlechtsspezifische Anleihen im Jahr 2023 veröffentlicht und zu einer Reihe von Fallstudien über geschlechtsspezifische Anleihen beigetragen, die von UN Women veröffentlicht wurden. Ziel dieser Initiativen ist es, das Bewusstsein für die Rolle der Kapitalmärkte bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter zu schärfen und mehr Emittenten zu ermutigen, Projekte zu identifizieren und sichtbar zu machen, die das Empowerment von Frauen fördern. Um einen echten Wandel herbeizuführen, müssen wir zum einen die Finanzierung für Frauen stärken und zum anderen mehr Frauen in Entscheidungspositionen bringen.

Gibt es ganz konkrete Beispiele für Gender-orientierte Anleihen, die an der Luxemburger Börse bereits gelistet sind?

Alle geschlechtsspezifischen Anleihen tragen auf die eine oder andere Weise zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter bei. Als wir vor zwei Jahren den Internationalen Frauentag feierten, haben wir auch die Emission einer geschlechtsspezifischen Anleihe durch die NMB Bank in Tansania gefeiert. Diese Anleihe war die erste ihrer Art in Subsahara-Afrika und verschaffte rund 3.000 Frauen in Tansania Zugang zu Finanzmitteln, die sie für die Gründung oder das Wachstum ihres eigenen Unternehmens benötigten. Voriges Jahr haben wir den Internationalen Frauentag zum Anlass genommen, um die Auflegung einer geschlechtsspezifischen Anleihe der argentinischen Entwicklungsorganisation Pro Mujer zu feiern. Mit dieser Anleihe werden Kredite an mehr als 1.300 einkommensschwache Unternehmerinnen in Argentinien vergeben.

Was haben die Bonds gemeinsam mit Blick auf Investoren?

Beide Anleihen zielen darauf ab, eine der größten Herausforderungen anzugehen, mit denen viele Frauen in den Schwellenländern konfrontiert sind: den fehlenden Zugang zu Finanzmitteln. Viele Investoren berücksichtigen in ihren Anlagestrategien die Geschlechterdimension, und deshalb ist es wichtig, Investitionsmöglichkeiten sichtbar zu machen, die dazu beitragen, das Leben von Frauen und Mädchen zu verbessern.

Spielen Frauen denn eine spezifische Rolle beim Vorantreiben des grünen, nachhaltigen Übergangs?

Ja, das tun sie in der Tat, und deshalb ist die Gleichstellung der Geschlechter der Schlüssel zur Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Es gibt eine oft zitierte Aussage, die besagt, „wenn man eine Frau stärkt, stärkt man eine Nation“, und ich finde, dass dies eine großartige Möglichkeit ist, um zu veranschaulichen, wie die Gleichstellung der Geschlechter allen zugutekommt. Von Frauen geführte Unternehmen sind in der Regel stärker auf Nachhaltigkeit, Vielfalt und Integration ausgerichtet. Wenn Frauen gestärkt werden, nutzen sie diese Kompetenz in der Regel, um positive, langfristige gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Aus diesem Grund sind Frauen der Schlüssel zum Klimaschutz.

Wo steht der globale Markt für nachhaltige Schuldpapiere derzeit insgesamt?

Im Januar haben wir einen Bericht veröffentlicht, in dem wir anhand von Zahlen aus unserem LGX DataHub die Gesamthöhe der weltweiten Emissionen nachhaltiger Anleihen für 2024 dargelegt haben. Diesem Bericht zufolge ist die Gesamtzahl der Neuemissionen nachhaltiger Anleihen 2024 im Vergleich zu 2023 und 2022 gestiegen. Mit einem Wert von 878 Mrd. Euro an neuen grünen, sozialen, nachhaltigen und nachhaltigkeitsbezogenen Anleihen, die voriges Jahr weltweit notiert wurden, ist 2024 nach 2021 das zweitbeste Jahr für die Emission nachhaltiger Anleihen, wobei grüne Anleihen und Nachhaltigkeitsanleihen die am stärksten favorisierten Kategorien sind. Europa war 2024 weiter die aktivste Region bei der Emission nachhaltiger Anleihen, wobei asiatische Emittenten ihren Marktanteil ausbauen konnten. Interessant ist auch, dass der private Sektor 57% des Emissionsvolumens nachhaltiger Anleihen 2024 ausmachte. In Anbetracht der verschiedenen Diskussionen über nachhaltige Finanzen ist es wichtig, sich die tatsächlichen Zahlen anzusehen, und die Zahlen zeigen, dass nachhaltige Finanzen auf dem Vormarsch sind.

Und welche Rolle haben in diesem Zusammenhang die Sustainability-Linked Bonds?

Im Februar haben wir eine Marktstudie veröffentlicht, in der wir die Entwicklung des Marktes für nachhaltigkeitsbezogene Anleihen analysiert haben. SLBs unterscheiden sich von traditionellen nachhaltigen Schuldtiteln ja dadurch, dass sie keine Erlösverwendungsanleihen sind. Vielmehr werden mit SLBs Finanzmittel beschafft, um Unternehmen und andere Emittenten dabei zu unterstützen, vordefinierte Nachhaltigkeitsziele innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens zu erreichen, und sie können daher zur Finanzierung des Umstellungsprozesses eines Unternehmens dienen. Nach Angaben des LGX DataHub sind heute weltweit 823 SLBs von 400 Emittenten gelistet, die insgesamt 257 Mrd. Euro aufbringen. Emittenten aus der Wirtschaft dominieren diesen Bereich, und die überwiegende Mehrheit der festgelegten Ziele sind Umweltziele, die beispielsweise mit der Reduzierung der direkten oder indirekten Kohlenstoffemissionen eines Unternehmens verbunden sind. Obwohl die Emission von SLB seit 2022 stetig zurückgegangen ist, halten wir sie nach wie vor für ein wichtiges und innovatives Finanzinstrument, insbesondere für Unternehmensemittenten, die Finanzmittel benötigen, um ihre Netto-Null-Verpflichtungen zu erfüllen.

Welche Bedeutung kommt den Schwellenländern bei Sustainable Finance zu? Gibt es hier spezielle Initiativen?

Die Schwellenländer leiden oft am stärksten unter den Folgen des Klimawandels und haben am wenigsten zur Entstehung der Klimakrise beigetragen. Bei der nachhaltigen Finanzierung geht es um die Mobilisierung von Finanzmitteln für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung, aber auch darum, Kapitalströme in die Regionen und Gemeinschaften zu lenken, in denen die Mittel am dringendsten benötigt werden. Wir haben es uns zur Priorität gemacht, Initiativen für nachhaltige Finanzierungen in neuen Regionen, insbesondere in Afrika und Asien, zu fördern, damit sich nachhaltige Finanzmärkte vor Ort entwickeln und von nachhaltigen Investitionen profitieren können. Heute stammen nur 1% der weltweiten Emissionen von grünen Anleihen aus Afrika, obwohl der Bedarf an Finanzmitteln für die nachhaltige Entwicklung des Kontinents erheblich ist. Börsen können somit über Kontinente hinweg zusammenarbeiten und zur Schaffung besser vernetzter und nachhaltiger Kapitalmärkte beitragen.

Bei Green und Sustainable Finance spielt Ausbildung eine wichtige Rolle. Was leistet die LGX Academy in dieser Hinsicht?

In diesem Jahr feiert die LGX Academy ihr fünfjähriges Bestehen, und wir haben viel erreicht. In den ersten Jahren haben wir Schulungsmodule zu Themen der nachhaltigen Finanzen für Gruppen und verschiedene Institutionen organisiert. Ab diesem Jahr haben wir beschlossen, uns mehr und mehr auf den Aufbau von Kapazitäten in Schwellenländern zu konzentrieren, da wir der Meinung sind, dass unsere Wirkung dort am größten ist. In dieser Hinsicht haben wir uns unter anderem mit verschiedenen UN-Einrichtungen und dem Global Green Growth Institute zusammengetan, und unser Team von Experten für nachhaltige Finanzen reist regelmäßig in Länder in Asien und Afrika, um Börsen, Regierungsangestellten, Finanzbehörden und Marktteilnehmern Schulungen zum Kapazitätsaufbau anzubieten. Ein Beispiel ist Sri Lanka, wo unser Team eine Fortbildungsveranstaltung über die Emission grüner Anleihen abhielt. Im darauffolgenden Jahr emittierte eine sri-lankische Bank die erste grüne Anleihe des Landes, die bei uns notiert ist.

Das Interview führte Kai Johannsen. Das vollständige Interview lesen Sie auf boersen-zeitung.de.

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