Green Finance im Rückwärtsgang
Im Kapitalmarktbereich von Green und Sustainable Finance hat das Kreditgeschäft in den ersten drei Quartalen deutlich stärker an Volumen verloren als die betreffenden Anleiheemissionen. Das Volumen der in den ersten neun Monaten dieses Jahres weltweit platzierten nachhaltigen Finanzierungen ist gegenüber der Vorjahresperiode um 12,5% auf 699 Mrd. Euro zurückgegangen. Während das Volumen emittierter Anleihen nur um 5% sank, fiel das Volumen neu abgeschlossener Kreditverträge und arrangierter Schuldscheindarlehen um mehr als ein Drittel. Das geht aus dem neuesten Green Finance Report von Capmarcon hervor, der der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Nachhaltigkeitsmanagement und Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Nachhaltigkeitsstrategien, erstellt Rahmenwerke und unterstützt bei ESG-Ratings und bei der nachhaltigen Kapitalbeschaffung besonders in den Bereichen Green, Blue, Social, Sustainable oder ESG-linked Financing.
Regulatorische Hemmnisse
Neben der Attraktivität der Anleihe hätten zu dieser Entwicklung auch neue regulatorische Hemmnisse für nachhaltige Darlehen beigetragen. Diese müssten von Banken zunehmend mit ESG-Ratings hinsichtlich ihrer Tauglichkeit für Umwelt und Soziales bewertet werden. Dessen ungeachtet habe der Anteil der ökologischen Finanzierungen von Januar bis September 2024 auf 59% zugenommen. Rückläufig seien die Finanzierungsvolumina für soziale/gesellschaftliche und nachhaltige Finanzierungszwecke gewesen, besonders deutlich sei der Rückgang bei nachhaltigkeitsorientierten Finanzierungen (ESG-linked Financing) gewesen. „Dies liegt zum einen daran, dass keine Finanzierungs- oder Reputationsvorteile mehr für diese Variante bestehen, zum anderen müssen zu erreichende Ziele gesetzt werden, was in einem gegenwärtig sehr volatilen gesamtwirtschaftlichen Umfeld mit schwerer Planbarkeit vielen Unternehmen wenig attraktiv erscheint“, heißt es bei Capmarcon.
Der Rückgang des Gesamtvolumens resultiere wesentlich aus einer in diesem Jahr geringeren Transaktionszahl nachhaltiger Finanzierungen. Das Durchschnittsvolumen habe in den ersten drei Quartalen unverändert bei etwa 300 Mill. Euro gelegen. „Extrem schwach war das Engagement von Adressen, die erstmals Green Financing nutzten. Gleichzeitig deuten die in der ersten Oktoberhälfte anstehenden Valutierungen auf eine spürbare Verlangsamung des aktuell fallenden Trends hin. Ausgeprägt war diese Entwicklung auf den europäischen und asiatischen Primärmärkten“, so die Experten in der Analyse weiter. Die Entwicklung des Green-Financing-Geschäfts im Jahresverlauf sei 2024 auf den Kontinenten unterschiedlich gewesen. Die Platzierungen waren im Nahen/Mittleren Osten (-56%), in Südamerika (-42%), Asien (-18%) und Europa (-4%) rückläufig, blieben in Nordamerika unverändert und erhöhten sich in Australien (+12%) und Afrika (+62%).
China holt auf
Deutschland hat der Analyse zufolge seinen Status als bisher größtes Emissionsland (73,5 Mrd. Euro) nach den ersten neun Monaten an China (80,0 Mrd. Euro) verloren und liegt noch knapp vor den USA (70,5 Mrd. Euro). Der frühere Primus Frankreich (49,1 Mrd. Euro) erreichte den vierten Platz vor Italien (31,4 Mrd. Euro).
Hinsichtlich der beim Green Financing genutzten Währungen habe der Euro in den ersten neun Monaten 2024 nochmals dazugewonnen. Knapp die Hälfte des weltweit arrangierten Volumens sei in der europäischen Einheitswährung denominiert gewesen. „Dies war besonders bei großvolumigen Transaktionen der Fall, denn nur 24% aller Begebungen lauteten auf Euro. Der US-Dollar hat seinen Volumenanteil gehalten: rund ein Viertel des Gesamtvolumens lautet auf die US-Währung“, heißt es. Drittwichtigste Währung sei der chinesische Renminbi. Der Yen und der kan-Dollar seien in den ersten sechs Monaten dieses Jahres stärker präsent gewesen.
Das Transaktionsvolumen von Green Financing am europäischen Primärmarkt habe in den ersten drei Quartalen 2024 um 4,1% auf 362 Mrd. Euro abgenommen und damit die seit dem Jahr 2022 andauernde Tendenz einer leicht auskühlenden Dynamik fortgesetzt. „Diese Entwicklung war vor allem Folge der geringeren Aktivitäten von Unternehmen der Realwirtschaft und von Geschäftsbanken sowie weiteren Finanzdienstleistern“, halten die Experten fest.
Größtes europäisches Emissionsland für Green Financing von Januar bis September sei Deutschland vor Frankreich, den skandinavischen Ländern einschließlich Dänemark, Italien, den Niederlanden, Vereinigtem Königreich und Spanien gewesen. Arrangement und Platzierung neuer nachhaltiger Finanzierungen in Deutschland hätten in den ersten drei Quartalen 2024 gegenüber der Vorjahresperiode um etwa 11% auf 73,5 Mrd. Euro abgenommen, die Transaktionszahl von 137 und 126. Nach einem leichten Plus von 6% im ersten Quartal seien die Volumina in den Folgequartalen erst um 11%, dann um 23% gefallen.
„Die starken absoluten und prozentualen Zuwächse im Geschäft mit nachhaltigen Finanzierungen seit dem Jahr 2014 sind erst einmal vorbei. In den Jahren 2022 und 2023 lag der Anstieg der neu arrangierten Volumina unter 5%. In diesem Jahr 2024 könnte das Primärmarktgeschäft sogar erstmals rückläufig sein“, so Capmarcon.
Dafür gebe es Gründe. So seien wirkliche nachhaltige Investitionen mit nennenswerten Volumina nur immer aufwendiger identifizierbar und abgrenzbar. ESG-linked-Transaktionen würden wegen ihrer starken nachhaltigen Verwässerung bei Investoren immer mehr an Attraktivität verlieren. Der Vorbereitungsaufwand steige – ohne entsprechende Kompensation bei den Konditionen oder durch Reputationsgewinn. Die Investitionsneigung der Unternehmen sei gegenwärtig eher unterdurchschnittlich ausgeprägt.
„Positives Moment hingen ist die steigende Nachfrage der Investoren nach nachhaltigen Investments, wobei die Qualität eine wichtige Voraussetzung darstellt. Mit Erholung der Bau- und Immobilienwirtschaft und mehr Kreativität im Verkehrs- und Logistiksektor dürfte auch wieder mehr grünes Kapital arrangiert werden“, halten die Experten in der Analyse fest.
Green Finance im Rückwärtsgang
Kreditvergabe nimmt deutlich ab – Geringere grüne und nachhaltige Aktivitäten in der Realwirtschaft – Investorennachfrage steigt aber
Green Finance ist in den ersten neun Monaten weniger stark in Anspruch genommen worden, insbesondere das Volumen ausgereichter Kredite ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Bei Anleihen war das Minus hingegen nicht so stark. Die Nachfrage seitens der Investoren nimmt aber wieder zu.