LeitartikelDWS unter Druck

Hängepartie nach Greenwashing-Razzia muss ein Ende haben

Zwei Jahre nach der Greenwashing-Razzia bei der DWS haben die Ermittler noch immer nichts vorgelegt. Eine Entscheidung ist überfällig.

Hängepartie nach Greenwashing-Razzia muss ein Ende haben

DWS-Skandal

Hängepartie muss ein Ende haben

Zwei Jahre nach der Greenwashing-Razzia bei der DWS haben die Ermittler noch immer nichts vorgelegt. Eine Entscheidung ist fällig.

Von Jan Schrader

Vorsätzlich falsche Aussagen zur nachhaltigen Geldanlage? Das will die DWS auch knapp zwei Jahre nach der Greenwashing-Razzia im Mai 2022 nicht auf sich sitzen lassen. „Wir stehen weiterhin zu unseren Finanzveröffentlichungen und Prospekten“, hielt Konzernchef Stefan Hoops im März fest, und so sagt er es bereits seit nahezu zwei Jahren. Mittlerweile kommt Ungeduld hinzu. „Wir sind abhängig vom Timing der Staatsanwaltschaft“, bekundete er im April. Soll heißen: Am Vorwurf des Prospektbetrugs, also einer vorsätzlichen Falschaussage, ist aus Sicht der Fondsgesellschaft wenig dran.

Autorität der Ermittler leidet

Die Hängepartie schadet mittlerweile der Autorität der Ermittler: Je länger die Staatsanwaltschaft zögert, desto eher verfestigt sich der Eindruck, dass sie tatsächlich wenig in der Hand hat. Das Material mag komplex sein, die Materie vielschichtig. Aber zwei Jahre ohne Entscheidung? So viel Zeit ließ sich noch nicht einmal die Staatsanwaltschaft in München mit der Ermittlung im Wirecard-Bilanzbetrug, die im März 2022 zu einer Anklage gegen den ehemaligen Konzernchef Markus Braun und weitere Ex-Manager führte. Im Falle der DWS könnte es hingegen auf ein Bußgeld hinauslaufen, wenn überhaupt. Die lange Zeit ist erklärungsbedürftig. Zum Verfahren äußert sich die Staatsanwaltschaft nicht.

Und so bleibt nur Spekulation. Möglich, dass die Ermittler tatsächlich Belege für ein umfassendes Fehlverhalten haben. Dann aber hätten sie genug in der Hand, um ein hohes Bußgeld gegen die börsennotierte Tochter der Deutschen Bank durchzusetzen oder gar eine Anklage gegen einzelne Personen auf den Weg zu bringen. Doch nichts passiert. Sind die Verstöße etwa weniger gravierend oder die Beweise dürftig? Dann aber sollte das Verfahren eingestellt werden! So oder so: Eine Entscheidung muss her.

Eine Hypothek für Asoka Wöhrmann

Die Hängepartie ist auch eine Belastung für damalige Führungskräfte. Der ehemalige DWS-Chef Asoka Wöhrmann musste vor bald einem Jahr in der Presse über sich lesen, die Staatsanwaltschaft habe ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet – eine öffentliche Bestätigung gibt es dafür allerdings nicht. Lange Ermittlungen haben einen Preis: Sie belasten nicht nur die Reputation von Unternehmen, sondern auch von einzelnen Menschen. Ein Grund mehr, weshalb eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft fällig ist. Immerhin ist Wöhrmann heute Chef der Augsburger Investmentfirma Patrizia, die ihm in öffentlichen Erklärungen wiederholt den Rücken gestärkt und ein Fehlverhalten verneint hat. Ein so beherzter Einsatz für den ehemaligen DWS-Chef ist nicht selbstverständlich. Denn schon die vage Aussicht auf ein Strafverfahren ist eine Hypothek.

In der Öffentlichkeit stehen allerdings auch die Ermittler unter Druck – nicht nur, weil der Ruf nach einer entschlossenen Strafverfolgung in der Finanzbranche seit dem Cum-ex-Betrug lauter geworden ist. In der Greenwashing-Causa hat die US-Börsenaufsicht SEC bereits ein Bußgeld von 19 Mill. Dollar gegen die DWS verhängt. Die Gesellschaft hat es demnach versäumt, eine Integration von ESG-Prinzipien in ihren Anlageprozessen in der Praxis durchzusetzen, während sie Kunden etwas anderes vermittelte. Vor diesem Hintergrund kritisiert die Behörde das vollmundige Versprechen, Nachhaltigkeit stecke in der „DNA“ der Gesellschaft – eine geläufige, aber leere Phrase, die sich eher nicht als Beleg für Prospektbetrug eignet. Aber eine Marke ist gesetzt. Auch die deutschen Ermittler wollen nun vermutlich eine Millionenstrafe präsentieren.

Ein Bußgeld ist nicht unbedingt eine Lösung

Jetzt ist Mut gefragt: Gespräche mit der Staatsanwaltschaft laufen, um das Verfahren abzuschließen, wie die DWS im Geschäftsbericht für 2023 schreibt. Die Versuchung ist groß, den lästigen Fall wie in den USA mit einem Bußgeld zu beenden. Aber wäre das richtig? Wenn die DWS tatsächlich kein Fehlverhalten ausmacht, wie sie selbstbewusst suggeriert, macht sie sich unglaubwürdig, wenn sie einem Bußgeld zustimmt. Auf der anderen Seite müssen sich auch die Ermittler bewegen. Ein niemals endendes Verfahren lässt alle blöd aussehen: die DWS, Wöhrmann und die Staatsanwaltschaft.