Mehr Börse wagen
Als der High-Tech Gründerfonds im August 2005 seine Geschäftstätigkeit aufnahm, war Facebook ein Start-up wie viele andere. Gerade mal eineinhalb Jahre alt, ohne Umsatz, mit völlig unklaren Zukunftsaussichten. Soziale Netzwerke gab es schon vor Facebook. In Deutschland waren „Xing“ und „Stayfriends“ bereits gegründet. Heute ist Facebook mit einer Börsenbewertung von rund 900 Mrd. Dollar mehr wert als alle Start-ups in Deutschland der letzten 50 Jahre zusammen – inklusive SAP.
Für den Erfolg von Facebook gibt es viele Gründe: Der von Anfang an perfekte Product-Market-Fit, der zu einem superschnellen Durchstarten an Harvard und vielen weiteren Universitäten führte, der Fokus auf schnellstmögliche Skalierung anstatt frühem Geldverdienen, sehr mutige und erfolgreiche Akquisitionen und vieles mehr.
Ein Punkt allerdings war aus heutiger Sicht ganz entscheidend: 2006, als das Unternehmen nicht einmal drei Jahre alt war, lehnte Mark Zuckerberg – als Einziger, aber mit entscheidender Stimme – im Aufsichtsrat die Übernahme durch Yahoo ab. Immerhin ging es um 1 Mrd. Dollar. Stattdessen ging Facebook 2012 an die Börse, bereits mit einer Bewertung von über 100 Mrd. Dollar.
Insgesamt 128 Unternehmen wagten laut Statista in den USA im gleichen Jahr wie Facebook den Gang auf das Börsenparkett. In Deutschland waren es zu diesem Zeitpunkt: acht. Der Trend hat sich fortgesetzt. 2019 und 2020 wagten in den USA 378 Firmen den Börsengang – in Deutschland waren es: acht. In beiden Jahren zusammen.
Wir brauchen mehr Börsengänge in Deutschland. Viel mehr. Damit dies gelingt, gibt es viel zu tun. Zwei Dinge sind entscheidend: Kapital und Optimismus.
Damit Börsengänge in Deutschland stattfinden können, braucht man lokales Kapital. Pre-IPO- oder Small-Cap-Fonds helfen bei der Finanzierung, die notwendig ist, um einen Börsengang zu stemmen. Der Börsengang selbst ist zunächst eine Kapitalerhöhung und typischerweise erst später, wenn Aktien gehandelt werden können, ein Exit.
Woher kommt dieses Kapital? Vorweg: nicht vom Staat, sondern von institutionellen und privaten Anlegern. Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen können und müssen letztlich, um ihre Renditeziele zu erreichen, viel mehr Geld in wachsende und/oder profitable Unternehmen investieren. Staatsanleihen, die in Deutschland über fast alle Laufzeiten negative Renditen aufweisen oder Bankguthaben, die mit Strafzinsen – vornehm Verwahrentgelt genannt – belegt sind, reduzieren das nominale Kapital. Privatanleger, die selbst Vermögen aufbauen wollen, kommen an der Börse nicht vorbei.
Langfristig steigen Aktien
Aber Aktien können ja auch fallen? So ist es. Wir wissen allerdings aus der Vergangenheit, dass es in Deutschland praktisch keinen Zehn-Jahres-Zeitraum gibt, in dem Aktien gefallen sind. Langfristig steigen Aktien, und wenn man nicht alles auf einmal investiert, sondern laufend, dann ist es über zehn Jahre in Deutschland bisher nicht passiert, dass Anleger, die breit investiert haben, Geld verloren haben. Im Gegenteil: Seit Ende 1987 rentierte der Dax mit 8% p.a., der MDax deutlich darüber, Tech-Aktien noch besser: die Nasdaq seit 2009 mit rund 20% pro Jahr.
Wenn eine junge Bachelor-Absolventin heute mit Anfang 20 in das Arbeitsleben eintritt, dann liegen vor ihr rund 50 Arbeitsjahre. Da kann sie getrost rund 40 Jahre lang ihre komplette Altersvorsorge in Aktien investieren!
Wir können sehr optimistisch sein, dass sich die Weltwirtschaft, die deutsche Wirtschaft und junge Unternehmen in Deutschland langfristig sehr positiv entwickeln werden. Erfindergeist, neue Technologien, die Bereitschaft, Neues auszuprobieren, den Wagemut, die durchaus erheblichen Herausforderungen zu lösen, gibt es überall auf der Welt, vor allem auch in Deutschland. Wir wissen, dass und wie wir in der Vergangenheit den Strukturwandel bewältigt haben. Warum soll uns das in Zukunft nicht gelingen?
22 IPOs im Jahr 2021 bisher
Ende September veröffentlichte die Wirtschafts- und Beratungsgesellschaft EY neue Zahlen: Insgesamt 22 Börsengänge deutscher Unternehmen haben in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 bisher stattgefunden. Mit einem Emissionsvolumen von insgesamt 8,2 Mrd. Euro gingen 17 davon in Deutschland an die Börse (so viele pro Jahr wie seit 2007 nicht mehr), auch der Börsengang des Online-Optikers Mister Spex aus dem Portfolio des High-Tech Gründerfonds gehört dazu. Fünf weitere deutsche Unternehmen haben im gleichen Zeitraum den Schritt aufs Parkett an einer ausländischen Börse gewagt; sie verzeichneten zum Zeitpunkt der Erstnotiz ein Emissionsvolumen von 1,3 Mrd. Dollar. EY sprach angesichts der Zahlen vom höchsten Emissionsvolumen seit 20 Jahren in Deutschland.
Kapital und Optimismus
Börsengänge leisten nicht nur für die Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum Wachstum, sondern langfristig eben auch für die Wettbewerbsfähigkeit des hiesigen Wirtschaftsstandorts. Wir brauchen Start-ups, die sich zu neuen Weltmarktführern entwickeln können, anstatt weit mehrheitlich an ausländische Wettbewerber verkauft zu werden. Dafür brauchen wir viel mehr Börsengänge. Und viel mehr Kapital und Optimismus, die diese ermöglichen.