W&W zollt Märkten Tribut
Von Thomas Spengler, Stuttgart
Am Mittwoch können die Aktionäre des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W) einen rekordhohen Konzernüberschuss feiern – soweit das auf einer virtuellen Hauptversammlung (HV) eben möglich ist. Nach einer zweifach erhöhten Prognose wird Konzernchef Jürgen Junker für 2021 einen Gewinnsprung um 67% auf 352,2 Mill. Euro vorlegen. Neben der operativen Entwicklung wirkten sich besonders die Trends an den Aktien- und Kapitalmärkten positiv aus, in deren Folge sich das Bewertungsergebnis deutlich um 560 Mill. Euro verbesserte.
Ein nicht unwesentlicher Teil des bilanziellen Ertrags ist der IFRS-Rechnungslegung geschuldet, die die Fair-Value-Bewertung von Assets am Bilanzstichtag fordert. In seiner vorab veröffentlichten Rede zum Aktionärstreffen weist Junker ausdrücklich darauf hin, dass dies keine Einbahnstraße ist. Schließlich kann sich dieser Mechanismus in Zeiten schwacher Kapitalmärkte schnell ins Gegenteil verkehren. Dies war bereits im abgelaufenen ersten Quartal der Fall, als der Konzernüberschuss aufgrund eines krisenbedingt schwachen Finanzergebnisses von 104,4 Mill. auf 56,7 Mill. Euro absackte.
Intern allerdings sieht man bei der W&W das hibbelige IFRS-Ergebnis ohnehin für weniger relevant an als den HGB-Einzelabschluss. „Eigentlicher Gradmesser für unseren Erfolg ist daher das, was wir im operativen Geschäft erreichen“, lautet Junkers Credo. Messbar macht der CEO diesen Anspruch in der Schaden-Kosten-Relation, die die W&W trotz Belastungen aus Sturm- und Flutschäden in der Schaden- und Unfallversicherung um 1,3 Punkte auf 87,7% verbessern konnte. Ebenso zählt er die Kostendisziplin im Konzern zu den Erfolgsmessern, die sich in einem zweiprozentigen Rückgang des Verwaltungsaufwands spiegelt.
Dröselt man nach Segmenten auf, zeigt sich neben einem starken Plus in der Baufinanzierung ein weiterer Rückgang des Bausparneugeschäfts, mit Quoten, die besser als in der Branche ausfallen. Zuwächse von 6,7% beziehungsweise 4,0% verzeichnete die W&W in der Schaden-/Unfallversicherung und der Personenversicherung. Dahinter verbirgt sich ein ehrgeiziger Wachstumskurs, in dessen Rahmen der Finanzkonzern langfristig stärker zulegen will als der Wettbewerb. Dafür sollen von 2025 an jährlich 500000 Neukunden gewonnen werden, wozu die Digitalisierung sowie die Beratung weiter ausgebaut werden sollen. Gleichzeitig fordert Junker konzernweit einen jährlichen Effizienzgewinn von 5%, um die offenbar überdurchschnittlich hohen operativen Kosten auf Marktniveau zu drücken.
Als Dividende wird der Hauptversammlung eine konstante Ausschüttung von 65 Cent je Aktie vorgeschlagen. Mit einer Dividendenrendite von knapp 3,7%, bezogen auf den Jahresabschluss, bliebe der Konzern damit im Rahmen seiner langfristigen Ausschüttungspolitik. Bei nur 23,7% Streubesitz ist die Hauptaktionärin der W&W eine Stiftung.
Für Hans Dietmar Sauer (80) wird die anstehende HV seine letzte als Aufsichtsratschef sein. Altersbedingt übergibt der 80-Jährige zum 1. September 2022 den Stab an den 65-jährigen Michael Gutjahr, der aus seiner Zeit als CFO die W&W wie seine Westentasche kennt.