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Aktienmarkt in eingetrübter Verfassung

Die Verfassung des Aktienmarktes ist seit Monaten eingetrübt. In der derzeit sehr unsicheren Lage haben Saisoneffekte eine bestenfalls geringe Aussagekraft.

Aktienmarkt in eingetrübter Verfassung

Von Christoph Geyer*)

Die Börsen sind im Krisenmodus. Das dürfte jedem klar sein, der sich nicht nur mit Kursen und Grafiken befasst, sondern auch die Situationen erfasst, die zu den aktuellen Bewertungen führen. Auch als technischer Analyst darf man diese Ereignisse nicht unter den Tisch fallen lassen. Dabei ist es aber wichtig, die Bewertung der Marktteilnehmer zu beurteilen und keine eigene Bewertung vorzunehmen. Dabei schreckt nicht nur der Krieg in der Ukraine auf und versetzt Börsianer in Angst und Schrecken. Als ob dieses furchtbare Ereignis nicht genug wäre, kommt noch eine andere Komponente zum Tragen. Monat für Monat werden neue Rekorde bei den Inflationsraten bekannt gegeben. Auch wenn diese natürlich durch die verteuerten Rohstoffpreise entstanden sind und damit unmittelbar wieder mit dem Krieg zu tun haben, stehen sie doch in der Statistik und beeinflussen die Wirtschaft.

Gemischte Bilanz

Zieht man die Statistik zu Rate, so ist diese in den letzten Jahren auf den ersten Blick gar nicht so schlecht gewesen. Bis Mitte Juli hat es nämlich in den letzten 34 Jahren 23-mal eine positive Performance in diesem Zeitraum gegeben. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit. Betrachtet man sich die Zwischenwahljahre in den Vereinigten Staaten (in einem solchen befinden wir uns gerade), dann sieht in solchen Jahren der Dax im oben beschriebenen Zeitraum bei weitem nicht mehr so gut aus. In den letzten acht US-Zwischenwahljahren hat sich die Performance die Waage gehalten. In vier Jahren konnte zwar ein Plus erzielt werden, dieses fiel aber im Vergleich zu den vier negativen Jahren eher bescheiden aus.

Zweierjahre sind schwierig

Auch der Dekadenzyklus lässt für dieses Jahr nicht allzu viel Positives erwarten. Die Statistik sagt nämlich hier, dass Jahre, die auf eine Zwei enden, recht schwierige Jahre sind und eher mit einer negativen Performance aufwarten. Diese ganzen Rechenspiele sind natürlich keine Garantie dafür, dass es auch so kommen wird. Aber es ist ein guter Anhaltspunkt, um Signale am Markt noch besser umsetzen zu können.

Auch in den Vereinigten Staaten ist der erste Blick auf die Statistik zunächst recht vielversprechend. Beim S&P 500 stehen von heute bis zum Sommer 43 positive Jahre nur 29 negativen Jahren gegenüber. Dabei waren sogar die letzten neun Jahre allesamt im grünen Bereich. Der Blick trübt sich aber ebenfalls, wenn man eine Eingrenzung auf die amerikanischen Zwischenwahljahre vornimmt. In diesen Jahren stehen nur acht positive Jahre zehn negativen Jahren gegenüber. Diese Statistik grenzt nur den Bereich von heute bis Mitte Juli ein. Es muss nicht explizit erwähnt werden, dass auch hier der Dekadenzyklus die Zweierjahre als schwierig hervorhebt.

Doch zurück zum aktuellen Geschehen. Der Dax ist mit Kriegsausbruch kräftig zusammengebrochen und hat in gut zwei Wochen von Ende Februar an über 2000 Punkten verloren. In nahezu der gleichen Geschwindigkeit konnten diese Verluste anschließend aber fast wieder aufgeholt werden. Der bereits seit Jahresbeginn bestehende Abwärtstrend wurde aber beibehalten. Entsprechend nervös zeigen sich die Händler bei jeder neuen Nachricht, die nicht auf Entspannung hindeutet.

Abwärtstrendlinie stabil

Indikatorensignale, die Kaufgelegenheiten versprechen, werden meist sehr schnell wieder abgearbeitet und stellen am Ende nur Erholungen im übergeordneten Abwärtstrend dar. Ein positives Zeichen ist derzeit allerdings zu beobachten. Die jüngste, seit Ende März anhaltende Abwärtsbewegung ist nicht von steigenden Umsätzen be­gleitet. Die Marktteilnehmer haben entsprechend noch Hoffnungen. In der vergangenen Woche hat der Dax einen neuen Anlauf genommen, die Abwärtstrendlinie zu brechen. Dabei stieg der Index nahezu exakt an die seit Jahresbeginn bestehende Abwärtstrendlinie. Diese wurde nun zum siebten Mal getestet und gilt damit bereits als sehr stabil. Da von den Indikatoren her kurzfristig keine Signale kommen, da diese im neutralen Bereich notieren oder einfach nur flach verlaufen, dürfte ein Trendbruch derzeit schwerfallen. Zudem ist die Lage aktuell sehr stark durch die Ereignisse in der Ukraine getrieben. Die Reaktionen der Marktteilnehmer auf die Nachrichten aus der Kriegsregion werden sehr schnell in beide Richtungen umgesetzt. Somit bleibt dem Analysten nur der Blick auf den Trend und darauf, ob dieser sich nachhaltig ändert.

Die eingetrübte Verfassung des Marktes hat sich bereits über die letzten Monate abgezeichnet. So ging die Aufwärtsdynamik bereits im Sommer letzten Jahres verloren, als noch neue Tops generiert wurden, diese aber meist sehr mühevoll erreicht und nicht lange gehalten wurden. Mit dem Unterschreiten der Unterstützungszone um 14800 Punkte hat sich die Lage dann endgültig verschlechtert.

Saisoneffekte wenig wert

In einer solch unsicheren Phase sind auch saisonale Effekte nur wenig bis überhaupt nichts wert. So bleibt derzeit nur zu hoffen, dass der Krieg bald beendet wird und eine gewisse Normalität eintritt, wenn dies bei den bereits erfolgten Zerstörungen überhaupt noch möglich ist.

*) Christoph Geyer ist freier technischer Analyst der VTAD e.V.

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