Am Bondmarkt stehen die Zeichen auf Renditeanstieg
Am Bondmarkt stehen die Zeichen auf Renditeanstieg
Zehnjährige Bundrendite marschiert in Richtung von 3 Prozent – Experten erwarten aktuell keine Käuferstreiks von Investoren bei neuen Anleihen
Die Renditen der Staatsanleihen klettern immer weiter. Beim Bund sind bei zehn Jahren 3 Prozent in Sichtweite. Dass die Staaten infolge von Käuferstreiks keine Schuldpapiere mehr platzieren können, erwarten Zinsexperten aktuell aber nicht.
kjo Frankfurt
Die Renditemarke von 3% ist bei der zehnjährigen Bundesanleihe nun zum Greifen nah, und damit können sich Anleger mittlerweile ein Renditeniveau beim Bund sichern, das sie zuletzt im Herbst 2023 zu sehen bekamen. Bis auf 2,94% kletterte die laufende Verzinsung der zehnjährigen Bunds, die Benchmarkpapiere der Eurozone, zur Wochenmitte am Sekundärmarkt. Die Deutsche Finanzagentur war zudem im Primärmarkt tätig und stockte die zehnjährige Bundesanleihe mit einem aktuellen Kupon von 2,50% auf. Das Papier ging zu einer durchschnittlichen Rendite von 2,92% an die Investoren nach 2,52% bei der vorigen Auktion dieses Titels am 19. Februar dieses Jahres. Zum Vergleich: Frankreich zahlt im zehnjährigen Bereich aktuell Renditen von 3,59%. Spanien kommt in dieser Laufzeit auf 3,53%, und der ehemalige Krisenstaat Portugal liegt bei 3,41% bei zehnjähriger Laufzeit. Und das in der Staatsschuldenkrise gerettete Griechenland bezahlt für zehn Jahre Sätze um 3,70%. Und die Zeit der Niedrig-, Null- und Negativzinsen liegt für den Bund in nicht allzu ferner Vergangenheit: Minusrenditen waren es im zehnjährigen Bundbereich noch im Januar 2022, auch wenn die Sätze da nur noch im einstelligen Basispunktebereich negativ waren.

Hinter den Renditeanstiegen der vergangenen Jahre steht zum einen die Inflationsentwicklung und damit die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuletzt treibt aber die Ankündigung des immensen Finanzpaketes der neuen Regierungsverantwortlichen die Bundrenditen nach oben. Und die Anleger an den Märkten stellen sich auf weitere Renditesteigerungen in den kommenden Monaten bei Bundespapieren aber auch bei Pendants aus anderen Eurozonestaaten ein. „Der Markt dürfte im weiteren Verlauf einen strukturellen Wandel hin zu höheren Renditen vollziehen, da die grundlegenden fiskalischen Anreize eingepreist werden. Dennoch bietet auch das aktuelle Niveau weiterhin Chancen für festverzinsliche Wertpapiere“, meint Laura Cooper, Head of Macro Credit und Global Investment Strategist beim Investment Manager Nuveen. Die Verteuerung der Bundesanleihen werde sich wahrscheinlich fortsetzen, da am langen Ende mehr Anleihen emittiert werden. Die Expertin hebt ihre Prognose für die 10-jährige Rendite bis zum Jahresende auf 3,1% an. Eine wesentliche Eskalation an der US-Zollfront bleibe ein Risiko, jedoch bleibt das vordere Ende anfälliger für die drohenden Zölle.
Unbehagen der Märkte
„Der Anstieg der deutschen Anleiherenditen in den vergangenen Tagen spiegelt das Unbehagen der Märkte über die expansiven Haushaltspläne der Regierung wider, die eine höhere Verschuldung und Inflationsrisiken signalisieren“, meint David Zahn, Head of European Fixed Income beim Assetmanager Franklin Templeton. Die drastische Preisanpassung, die den größten zweitägigen Renditesprung seit 1997 markiert habe, habe sich auf die weltweiten Anleihemärkte ausgewirkt und die Renditen in Europa und den USA in die Höhe getrieben. Die zehnjährige Bundrendite war in der vorigen Woche in kurzer Zeit um rund 30 Basispunkte nach oben gesprungen. „Die Anleger sollten sich auf anhaltende Volatilität einstellen, da sich der Markt auf diese neue fiskalische Landschaft einstellt“, so Zahn.
„Wir erleben derzeit historische Ereignisse: Die Reform der deutschen Schuldenbremse und Deutschland als Vorreiter für mehr fiskalische Flexibilität in schwierigen Zeiten“, sagt Michael Krautzberger, Global CIO Fixed Income bei AllianzGI, der Börsen-Zeitung. Am kurzen Ende habe man vermutlich die letzte EZB-Zinssenkung noch nicht gesehen. „Wir erwarten noch ein bis zwei weitere Zinsschritte in diesem Jahr und somit noch etwas niedrigere Zinssätze am ganz kurzen Ende. Am langen Ende hingegen dürfte das zusätzliche Angebot an Staatsanleihen und ein mittelfristig etwas höheres Wirtschaftswachstum infolge höherer Vereidungsausgaben die Renditen weiter hoch und volatil halten“, führt Krautzberger weiter aus. Die Zinsstrukturkurve habe sich normalisiert und werde voraussichtlich auch erst einmal normal bleiben. „Auf lange Sicht macht dies natürlich langlaufende Staatsanleihen interessanter, da man durch Buy & Hold-Strategien mehr verdient als mit Anlagen am Geldmarkt“, sagt Krautzberger.
Die höheren Ausgaben der Staaten sind fremdfinanziert und damit machen sich Anleger an den Bondmärkten auch immer wieder Sorgen, ob die Papiere weiter platziert werden können, d.h. ob der Staatsanleihemarkt noch eine entsprechende Aufnahmefähigkeit unter Beweis stellen wird. „Ich bin diesbezüglich noch recht entspannt. Die Länder der Euroland-Peripherie wären normalerweise eher Kandidaten für Platzierungsschwierigkeiten, wachstumsmäßig haben sie aber in letzter Zeit besser als Deutschland und Frankreich abgeschnitten.“ Zudem sollten Platzierungsschwierigkeiten seiner Ansicht nach nicht infolge höherer Verteidigungsausgaben erfolgen. „Denn diese erfordern ja gerade auch ein engeres Zusammenrücken der Länder in der EU. Eine derartige Situation sähe ich nach wie vor eher möglich in Ländern, in denen durch politische Ereignisse Entscheidungsträger an die Macht kommen, die sich vom Projekt Europa abwenden“, sagt Krautzberger.
Höhere Prämien möglich
Für den Bund dürften die zusätzlichen Anleiheemissionen zu schultern sein. „Der Markt dürfte grundsätzlich in der Lage sein, diese zusätzlichen Volumina zu absorbieren. Bereits zu Beginn des Jahrzehntes waren die Emissionsvolumina von Bundeswertpapieren wegen hoher Geldmarktplatzierungen groß. Wichtig dürfte allerdings sein, dass Deutschland den Markt davon überzeugen kann, die höheren Schulden tatsächlich für Investitionen aufzunehmen. Andernfalls drohen die Risikoprämien von Bundesanleihen nachhaltig zu steigen“, sagt Daniel Lenz, Leiter Strategie Euro-Zinsmärkte bei der DZ Bank, dieser Zeitung.
Jenseits des Bundes könnte die Platzierungsfähigkeit ein Thema für Bondakteure werden. „Das Potenzial Frankreichs und Italiens, sich stärker als bislang am Markt zu verschulden, ist deutlich begrenzter – auch wenn die EU-Kommission die Defizitregeln lockert. Angesichts der hohen Schuldenstände und der vor allem im Fall Frankreichs bereits beträchtlichen Budgetdefizite dürfte der Markt eher erwarten, dass höhere Verteidigungsausgaben durch Umschichtungen im Haushalt und anderweitige Einsparungen bewerkstelligt werden. Andernfalls ist mit nochmals steigenden Risikoprämien zu rechnen“, so Lenz weiter. Dass die Anleger den staatlichen Emissionsadressen auf kurze Sicht komplett die kalte Schulter bei neuen Schuldpapieren zeigen, sieht Lenz momentan nicht. „Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen eines Käuferstreiks bei Staatsanleihen. Das liegt auch an dem ausgeprägten Vertrauen in die Krisenpräventionsmechanismen der EZB – hier vor allem TPI“, so die Einschätzung von Lenz. Das Transmission Protection Instrument (TPI) ist ein geldpolitisches Instrument. Im Rahmen dieses Instruments können im Eurosystem Wertpapiere aus einzelnen Ländern angekauft werden, um eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen, die nicht durch länderspezifische Fundamentaldaten gerechtfertigt ist, zu bekämpfen. „TPI könnte jederzeit aktiviert werden, wenn die Spreads fundamental nicht gerechtfertigt wären, die Volatilität stark stiege oder Ansteckungseffekte innerhalb der Eurozone drohten“, sagt Lenz.
Moderate Gegenbewegung
Auch Lenz geht auf längere Sicht von höheren Bundrenditen aus. „Nach den zuletzt überschießenden Bundrenditen erwarten wir kurz- bis mittelfristig eine moderate Gegenbewegung im Rahmen einer Konsolidierung in Richtung von 2,5%. Bis Jahresende erwarten wir die Rückkehr zu einem moderaten Anstiegstrend mit dem Zwölfmonatsziel in Höhe von 3%“, so seine Prognose.