Amundi hält Rendite-Schmerzgrenze für erreicht
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Inflation ist für den Assetmanager Amundi eines der Hauptrisiken für die Märkte. „Das Thema steht bei uns ganz oben auf der Agenda“, sagt Thomas Kruse, Anlagechef bei Amundi in Deutschland. Weitere Risiken sieht er in China und in der neuen US-Regierung. Der französische Assetmanager Amundi zählt weltweit zu den zehn größten Vermögensverwaltern. In Deutschland verwaltet Amundi ein Vermögen von rund 64 Mrd. Euro.
Die Bedeutung der Inflationserwartungen habe sich beim starken Renditeanstieg der zehnjährigen Treasuries gezeigt, den Kruse in dieser Schärfe auch nicht vorhergesehen hat, wie er einräumt. „Für den Moment hat der Markt die Schmerzgrenze von 1,5% erreicht. Ich gehe aber nicht davon aus, dass die Rendite kurzfristig weiter steigen wird.“ Probleme durch den Zinsanstieg sieht Kruse bei den Währungen der Schwellenländer. Die Entwicklung werde für die Schwellenländeranleihen und -währungen eine Herausforderung und rechtfertige keine Übergewichtung mehr.
Kruse erwartet in den USA im zweiten Quartal eine Inflation von 3% oder mehr. „Aber das wird die Märkte nicht verunsichern.“ Die Fed habe signalisiert, dass sie ein Überschießen ihrer Ziele zulassen werde. Es besteht aus Sicht von Kruse aber die Sorge, dass die US-Notenbank früher aus dem Ankaufprogramm für Unternehmensanleihen aussteigen oder zumindest auf die Bremse treten könnte. Das Thema Inflation ist aus Sicht von Amundi vielschichtig. Es gehe beispielsweise um die Frage, wie sich das 1,9- Bill.-Dollar-Paket in den USA auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte auswirke. „Wir wissen nicht genau, wie die ganzen Stimuli von Zentralbank und Fiskalpolitik genau auf die Wirtschaft wirken.“
„Gewaltige Menge Geld“
Die Spanne der Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung sei groß, und es sei schwierig zu schätzen, ob das Wirtschaftswachstum in den USA bei 5,7 oder 6,3% liegen werde. „Die Lockdown-Perioden haben die Sparquote insbesondere in den USA in die Höhe getrieben. Damit schieben die Volkswirtschaften eine gewaltige Menge Geld vor sich her“, sagt der deutsche Anlagechef von Amundi. Geld, das zumindest in Teilen wieder in den Konsum zurückfließen werde.
Die Coronakrise sei nicht mit früheren Krisen wie zum Beispiel der Finanzkrise 2008 vergleichbar, da heute sehr viel mehr Geld beim einzelnen Konsumenten ankomme. „Es ist diesmal weniger ein Transmissionsmechanismus, also über die Banken die Unternehmen zu finanzieren, sondern der direkte Transfer an die Bürger.“ Das führe zu der aufgestauten Nachfrage.
Amundi ist mit einer positiven Meinung zu Aktien ins Jahr gestartet. „Wenn man sich die breiten Indizes anguckt, sieht das alles gut aus. Aber unter der Oberfläche dieser breiten Aktienindizes tut sich unwahrscheinlich viel.“ Kruse verweist auch aufgrund des gestiegenen Zinssatzes auf die Sektorrotation. Im breiten Stoxx Europe habe es seit Jahresanfang eine Spreizung von 25% bei der Performance zwischen den schwächsten Sektoren wie Versorgern und den besten Branchen gegeben. Versorger und Immobilien litten extrem unter Zinsanstiegen. „Bei Versorgern haben wir es mit sehr langfristigen Projekten zu tun, die stark von der Rendite abhängig sind.“
Die häufig geäußerte Behauptung, Aktien seien in der aktuellen Marktphase alternativlos, lässt Kruse nicht gelten. „Alternativlos ist nichts am Kapitalmarkt. Das klingt für mich nach einem überbordenden Optimismus.“ Für Aktien spreche allerdings, dass eine steigende Inflation wahrscheinlich sei. Aber auch Rohstofftitel könnten einen guten Inflationsschutz bieten. „Und solange wir solides Wirtschaftswachstum haben, ist die Aktie nicht gefährlich.“
Eine Alternative seien inflationsgeschützte Anleihen, doch der Markt sei immer noch vergleichsweise unbedeutend. Gold dagegen sei zwar in den vergangenen Jahren eine sehr interessante Allokation gewesen und habe sich ausgezahlt, auch beim Risiko, weil es relativ unkorreliert zu Aktien gewesen sei. „Im aktuellen Szenario laufen Goldinvestments jedoch nicht mehr so gut – anders als beispielsweise Industriemetalle“, erläutert Kruse. Gold sei stark abhängig vom späten Zyklus der Konjunktur, doch jetzt sei die Wirtschaft in einer frühzyklischen Phase. „Gold ist daher momentan auch als Absicherung nicht interessant.“
Staatsanleihen unverzichtbar
Es bleibt aber generell das Problem der Allokation. Heutzutage könnten Mischfondsmanager Aktien nicht mehr einfach über Renten absichern, sondern müssten Derivate einsetzen. Klar sei aber, dass für die Allokation inzwischen weniger Staatsanleihen nötig seien. „Man kann aber nicht ganz auf sie verzichten, weil man eine gewisse Liquidität braucht.“
Mit Staatsanleihen ließen sich die Liquiditätsengpässe wie im März 2020 problemlos abfedern. Kritisch sieht der Anlageprofi, dass die Suche nach höheren Renditen am Rentenmarkt die Risikobereitschaft stetig weiter erhöht habe. „Das dreht sich jetzt. Wir propagieren nicht mehr Fixed Income, sondern Smart Income, also zum Beispiel Erträge via Dividendenrendite.“
Für den Total-Return-Fonds von Amundi, den Kruse lange selbst verwaltete, gilt derzeit ein absolutes Renditeziel, das sich vom Risikobudget ableitet und bei Geldmarkt plus 200 Basispunkte liegt. Selbst das sei ambitioniert, sagt Kruse: „Aber in der Niedrigzinsphase sind die Schwankungen um dieses Ziel sehr groß.“