Healthcare

Analysten trauen Merck noch viel zu

Merck zeigt Resilienz im Pharma- und Life-Science-Geschäft, für die weitere Kursentwicklung wird entscheidend sein, wie es in der Elektroniksparte weitergeht und ob der Dax-Konzern die M&A-Fantasie erfüllt.

Analysten trauen Merck noch viel zu

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Konglomerate werden von Investoren oftmals kritisch betrachtet, doch der Darmstädter Merck-Konzern profiliert sich mit einem diversifizierten Portfolio. Die defensive Aufstellung mit den drei Geschäftsbereichen Healthcare, Life Science und Electronics ist vor allem davon motiviert, das Risiko der Familiengesellschafter auszubalancieren, sie wollen nicht alles in einen Korb legen. In Coronazeiten hat sich die Strategie auch für die außenstehenden Aktionäre bewährt. In Zeiten des Lockdowns und in verringertem Maße noch heute profitiert der Dax-Konzern als Zulieferer von Impfstoffherstellern von einem pandemiebedingten Nachfrageschub. Diese Sonderkonjunktur flaut zwar ab, Merck rechnet 2022 aber immer noch mit Covid-19-Extra-Umsatz von bis zu 700 Mill. Euro.

Mit den jüngsten Quartalszahlen hat Merck die Erwartungen der Analysten in der Ergebnisentwicklung leicht übertroffen. Getragen von einem starken Geschäft mit neuen Arzneimitteln gegen Krebs und Multiple Sklerose sowie hohem organischen Wachstum im Life-Science-Segment, das Produkte für die Pharmaforschung und Arzneimittelherstellung anbietet, hat der Konzern den Umsatz im dritten Quartal um knapp 17 % auf 5,8 Mrd. Euro ausgebaut. Konzernchefin Belén Garijo bescheinigt dem Unternehmen, es habe in turbulentem Umfeld erneut Resilienz bewiesen.

Die Zahlen sind aber auch nicht frei von Schatten. Unter besonderer Beobachtung ist die Elektroniksparte. In dem Geschäftsbereich hält sich die Resilienz in Grenzen, bekommt Merck hier doch anhaltende Kostensteigerungen bei Rohstoffen, Energie und Logistik zu spüren. CEO Garijo senkte die Prognose für Electronics für 2022 deutlich und erwartet nun bereinigt um Währungseffekte einen Ergebnisrückgang von bis zu 10%, nachdem zuvor noch ein Anstieg von bis zu 3 % vorhergesagt worden war.

Schwieriges Umfeld

Die Probleme sind nicht ganz neu. Merck bekommt eine schwächere Nachfrage von Kunden nach Flüssigkristallen für Flachbildschirme zu spüren. Das Unternehmen ist hier Weltmarktführer, seit Jahren aber mit zunehmendem Wettbewerb in Asien konfrontiert und strategisch deshalb inzwischen stärker auf das Geschäft mit Materialien und Technologien für die Halbleiterindustrie fokussiert, das stark wächst. Für das Jahr weckt Merck trotz der Korrektur im Electronics-Geschäft die Erwartung, dass die Prognose für den Konzern steht. Garijo warnt jedoch vor einem weiterhin herausfordernden Umfeld für das restliche Jahr 2022 und bis in 2023 hinein. Auch das mittelfristige Ziel, den Umsatz bis 2025 auf 25 Mrd. Euro zu hieven, hat die Merck-Chefin bekräftigt.

Für Fantasie sorgte die Managerin auf dem jüngsten Kapitalmarkttag mit der Ankündigung, dass Merck sich auch wieder nach größeren Akquisitionen umschauen will. Angesichts der hohen Unsicherheit im Markt und der zunehmenden Rezessionssorgen lassen die Anleger seit Jahresbeginn Vorsicht walten. Es wird somit entscheidend sein, dass Merck mit dem nächsten größeren Zukauf überzeugt.

Die Aktie hat seit ihrem Jahreshöchstkurs 2021 von 229,40 Euro rund ein Drittel an Wert verloren auf 179 Euro. Im Kreis der Analysten, die Merck begleiten, gibt es gegenwärtig 13 Kauf-, fünf Halte-und zwei Verkaufsempfehlungen. Im Consensus beläuft sich der Zielpreis der Kaufempfehlungen auf 216,08 Euro, bei Halten auf 198,80 und bei Verkauf auf 169,50 Euro.

Mit Blick auf die Marktbewertung tritt das Gewicht von Merck wegen der Governance-Struktur nicht zwangsläufig zutage. So werden nur 30% der Aktien von Merck öffentlich gehandelt, während die übrigen Anteile nicht verbrieft von der Familie Merck durch den persönlich haftenden Gesellschafter E. Merck KG gehalten werden. So bezieht sich der ausgewiesene Börsenwert auf Basis der knapp 130 Millionen öffentlich gehandelten Titel aktuell auf 23 Mrd. Euro, auf Basis der theoretischen Anzahl von Aktien von 434,8 Millionen Stück ergibt sich indes eine Börsenkapitalisierung von fast 78 Mrd. Euro.

Hoffnung in der Pharma

Am Tag der Bekanntgabe der jüngsten Quartalszahlen stand die Merck-Aktie unter Druck, die meisten Researchabteilungen haben ihre Einstufungen jedoch belassen. J.P. Morgan blieb bei „Overweight“ mit Kursziel 250 Euro. Die Analysten der US-Bank setzen darauf, dass das Multiple-Sklerose-Medikament Mavenclad spätestens bis 2024 ein milliardenschwerer Umsatzbringer werden wird. Das dritte Quartal sei zudem solide ausgefallen. Das Analysehaus Jefferies hat die Einstufung für Merck ebenfalls auf „Buy“ mit Kursziel von 210 Euro belassen. Auch hier verweist das Research-Team auf Erfolge im Pharmageschäft. Die US-Investmentbank Bank of America stufte Merck zuletzt sogar von „Neutral“ auf „Buy“ hoch und passte das Kursziel von 205 auf 215 Euro an. Analyst Sachin Jain zeigte sich optimistischer für das Pharmageschäft. Das in der Entwicklung befindliche Multiple-Sklerose-Mittel Evobrutinib könnte aus seiner Sicht zum „Game Changer“ werden. Er kalkuliert einen Spitzenumsatz von 3 Mrd. Euro in sein Modell ein, während der Marktkonsens bei 0,9 Mrd. Euro liege.

Goldman Sachs setzt den Kontrapunkt mit einer Einstufung auf „Sell“ und Kursziel von unverändert 183 Euro. Analyst Keyur Parekh bescheinigte dem Konzern zwar zum dritten Quartal ein solides Ergebnis, andere Werte aus dem Sektor bieten aus seiner Sicht aber mehr Potenzial.

Die Schweizer Großbank UBS blieb nach den Merck-Quartalszahlen auf „Neutral“ mit Kursziel von 184 Euro. Im Einklang mit J.P. Morgan bestätigte die britische Investmentbank Barclays ihre Einstufung ebenfalls mit „Overweight“, setzt allerdings das Kursziel 50 Euro schwächer mit 200 Euro an. Der Bereich Life Science erscheine robust, doch die Prognosekürzung im Segment Electronics sei stärker als gedacht ausgefallen.

Im Kreis deutscher Institute senkte die DZ Bank den fairen Wert für die Aktie von 229 auf 210 Euro, blieb aber bei der Einstufung „Kaufen“. Analyst Peter Spengler bescheinigte Merck eine sehr hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber aktuellen Krisen. Der Konzern sei gut aufgestellt, insbesondere aufgrund der starken Bilanz und des diversifizierten Portfolios. Deutsche Bank Research hat die Einstufung ebenfalls auf „Buy“ mit einem Kursziel von 220 Euro belassen.

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