Medienaktien

Auf die Werbung kommt es für ProSiebenSat.1 an

Die Aktie des Fernseh- und Internetkonzerns ist nicht besonders gefragt. Analysten und Investoren zweifeln angesichts einer drohenden Rezession an den Werbeeinnahmen. Die sind für die Profitabilität entscheidend.

Auf die Werbung kommt es für ProSiebenSat.1 an

Von Joachim Herr, München

Für konjunktursensible Aktien sind die Zeiten nicht besonders gut. Das Risiko für eine Rezession steigt. Auch dem Kurs der Aktie von ProSiebenSat.1 bekommt das nicht. Innerhalb von zwölf Monaten hat er sich fast halbiert und seit Jahresanfang 40% verloren. Wächst die Unsicherheit über die Konjunktur, steht für Investoren das Werbegeschäft im Zentrum der Bedenken. Zwar wird der Vorstand des Unternehmens nicht müde zu wiederholen, dass das Geschäftsmodell robuster geworden sei. Vor zehn Jahren erzielte ProSiebenSat.1 rund 80% des Umsatzes mit klassischer Fernsehwerbung. Dank des Ausbaus des Online-Geschäfts sind es noch etwa 40%.

Allerdings ist der Anteil dieses margenstarken Geschäfts am Konzernergebnis noch wesentlich höher. Die Zahl nennt das Unternehmen nicht mehr. 2018 hatte der Umsatz der TV-Werbung einen Anteil von 56% am Konzernerlös und von 70% am Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit). Die Quote dürfte mittlerweile niedriger sein, aber immer noch entscheidend für die Profitabilität. Im vergangenen Jahr hatte das Unterhaltungsgeschäft (Entertainment) am bereinigten Ebitda von 840 Mill. Euro mit 698 Mill. Euro den weitaus größten Anteil. Dazu wiederum leisten die Werbeerlöse den überwiegenden Beitrag.

Experten sind sich uneins, wie das Werbegeschäft in diesem Jahr abschneiden wird. Es gibt trotz der Rezessionsgefahr und der hohen Inflation, die die Konsumlaune in Deutschland auf Tiefstände drückt, auch optimistische Stimmen. In der Branche wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass es offenbar einen großen Nachholbedarf für Reisen gibt. Zudem heißt es, die Nachfrage nach Fernsehwerbung sei groß, so dass die Anbieter ihre Preise erhöhen könnten.

Passabler Start

Allerdings häufen sich die Warnzeichen: Im Juni ist der Umsatz des deutschen Einzelhandels im Vergleich mit dem Vorjahresmonat preisbereinigt um 8,8% gefallen. Das war der stärkste Rückgang seit Beginn dieser Statistik im Jahr 1994. Ins Jahr 2022 ist ProSiebenSat.1 passabel gestartet: In den ersten vier Monaten lagen die Werbeerlöse im Segment Entertainment rund 7% über dem Niveau des Vorjahres. Zur Vorlage der Zahlen für das erste Quartal bestätigte der Vorstandsvorsitzende Rainer Beaujean Mitte Mai „trotz des Russland-Ukraine-Krieges, anhaltender Pandemie und Belastungen für das Konsumklima“ die Geschäftsprognose für das gesamte Jahr. Unter anderem soll das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wie im Vorjahr rund 840 Mill. Euro betragen – weiterhin größtenteils getragen, wie es heißt, vom Segment Entertainment „und dabei abhängig von der Entwicklung der Werbeerlöse“.

Als großen Treiber des Werbegeschäfts bezeichnete Beaujean den Tourismus. Er berichtete nach wie vor davon, dass einige Werbekunden wegen des abgekühlten Konsumklimas Buchungen verschöben. Stornierungen habe es bisher aber nicht gegeben. Skeptisch sind dagegen die Analysten von Goldman Sachs. Die US-amerikanische Investmentbank senkte vor kurzem ihre Empfehlung für die Aktie von „Neutral“ auf „Verkaufen“ und das Kursziel von 12,50 auf 9 Euro. Mittlerweile pendelt der Kurs um 8,50 Euro. Bis April hatte die Bank mit einem Kursziel von 18,10 Euro sogar noch zum Kauf des deutschen Medientitels geraten. In einer Branchenstudie senkte Goldman Sachs nun die Ergebnisschätzungen für europäische Internet- und Medienwerte. Die Erwartungen für die von Werbung abhängigen Unternehmen wurden besonders deutlich reduziert. Für ProSiebenSat.1 er­kennen die Beobachter von Goldman Sachs immense Ergebnisrisiken. Auch für RTL senkten sie das Kursziel um etwa ein Fünftel auf 44,50 (aktuell: 39) Euro, ließen es aber bei der Einstufung „neutral“.

Mehrheit rät zum Kauf

Insgesamt überwiegen für die Aktie von ProSiebenSat.1 aber die positiven Einschätzungen von Analysten. Außer Goldman Sachs raten laut Bloomberg Credit Suisse und Independent Research zum Verkauf. Fünf Häuser empfehlen, den Titel zu halten, und sogar zwölf sehen in einem Kauf Chancen für Kursgewinne. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten liegt bei 14,14 Euro.

Das Risiko einer Konjunkturflaute, die auf Werbeausgaben durchschlägt, lastet auf der Aktie. Aufschlüsse über die Geschäftsentwicklung im zweiten Quartal wird der Halbjahresbericht liefern, den das Unternehmen für den kommenden Donnerstag angekündigt hat.

Nichts Neues ist dann zum angepeilten Börsengang der Parship Meet Group zu erwarten, in der die Datingportale in den USA, im deutschsprachigen Gebiet und in einigen anderen Ländern wie Brasilien, Indien und Australien zusammengefasst sind. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat das Projekt bis auf Weiteres gestoppt, da die Unruhe an den Aktienmärkten sehr groß ist. Der Markt lasse eine wertschaffende Transaktion derzeit nicht zu, sagte Vorstandschef Beaujean im März. Einen Monat später berichtete Finanzvorstand Ralf Gierig im Interview der Börsen-Zeitung, an den Vorbereitungen für ein Initial Public Offering werde weiter gearbeitet. „Sobald sich ein passendes Marktfenster ergibt, sind wir bereit“, fügte er hinzu. Angesichts der Volatilität der Märkte fällt ein Börsengang der Parship Meet Group als möglicher Kurstreiber für die Aktie von ProSiebenSat.1 bis auf Weiteres aus.

Italienische Pläne unklar

Und ein anderer zwischenzeitlicher Kurstreiber ist ebenfalls abgeflaut: die Spekulationen, dass der Medienkonzern Media for Europe der Familie Berlusconi ProSiebenSat.1 übernehmen könnte. Das Management des Unternehmens, das früher Mediaset hieß, begeistert sich für das Schaffen eines europäischen Fernsehkonzerns. Aber nach wie vor bleibt viel unklar. An ProSiebenSat.1 sind die Italiener seit gut drei Jahren beteiligt und stockten seitdem ihre direkte und indirekte Beteiligung nahezu stetig auf. Nach der bisher letzten Stimmrechtsmitteilung von Mitte Mai dieses Jahres hält MFE direkt 24,26% an ProSiebenSat.1. Deren Management kann keine Synergien in einer europäischen Lösung erkennen. So dürfte die italienische Beteiligung die anderen Investoren eher verunsichern.

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