Aufwärtskorrektur des Yen wahrscheinlich
Aufwärtskorrektur des Yen wahrscheinlich
Nikkei und Yen zeigen oft inversen Verlauf – Aktienmarkt könnte vor Gewinnmitnahmen stehen
Der effektive Wechselkurs der japanischen Währung nähert sich wieder dem Tiefstand von 1970. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit einer Aufwertung, die oft mit einer Korrekturbewegung am Aktienmarkt einhergeht, zumal die kräftigen Zuwächse in diesem Jahr zu Gewinnmitnahmen einladen.
mf Tokio
Am vergangenen Freitag fehlten dem Nikkei 225 auf Schlusskursbasis nur noch 429 Punkte oder 1,1% bis zum historischen Hoch vom letzten Handelstag im Jahr 1989. Ein Kurstreiber waren wohl ausländische Kapitalflüsse. Zumindest im Januar steckten Ausländer insgesamt 2,07 Bill. Yen (12,8 Mrd. Euro) in japanische Aktien und Terminkontrakte, die siebthöchste Summe in einem einzelnen Monat.
Nach dem starken Auftakt im Januar basierte der Zwischenspurt am japanischen Aktienmarkt im Februar auf luftige Höhen zum einen auf einer vermehrten Nachfrage nach Technologieaktien. Allein Softbank legten um rund 30% zu. Zum anderen verlor der Yen erneut an Boden – Währungsschwäche und Aktienstärke korrelierten erneut. Aktienstrategin Naomi Fink vom japanischen Vermögensverwalter Nikko AM spricht von einem „Zwillingsphänomen“.
Marktbewegung losgetreten
Der Vizechef der Bank of Japan, Shinichi Uchida, trat am 8. Februar die Marktbewegung mit dem Satz los, dass es nach der Abschaffung des Negativzinses „schwer vorstellbar ist, dass die Bank of Japan den Zinssatz dann weiter schnell anheben würde“. Danach gab der Yen nach und Aktien stiegen. „Es entstand ein Gefühl der Sicherheit beim Kaufen“, erklärte Nomura-Aktienstratege Yunosuke Ikeda. Zugleich sicherten sich Anleger verstärkt gegen einen weiteren Währungsverfall ab. Laut Bloomberg-Daten stieg der Korrelationskoeffizient zwischen bärischen Yen-Positionen an der Chicagoer Terminbörse (CBOE) und dem Topix 100 auf den höchsten Wert seit 2020. Der Wechselkurs Yen/Dollar hängt an den zehnjährigen Renditen in den USA und Japan. Je größer ihr Abstand, desto schwächer der Yen. Das am Finanzmarkt favorisierte Szenario, dass die Zinsen in den USA fallen und in Japan steigen, würde den Abstand verringern und eine Aufwertungsphase des Yen einläuten. Anhaltend niedrige Zinsen in Japan würden diese Bewegung verlangsamen, so dass die Aktienkurse weniger leiden. Denn das „Zwillingsphänomen“ von Währungsschwäche und Aktienstärke gilt auch umgekehrt: Eine Yen-Aufwertung bedeutet oft, wenn auch nicht immer, niedrigere Aktienkurse.
Die Nachricht vom Rückgang der Wirtschaftsleistung im vergangenen Quartal vor einer Woche ließ die japanische Währung jedoch zunächst weiter nachgeben. Der effektive Wechselkurs näherte sich dabei erneut seinem Tief von 1970 an. Denn die maue Konjunktur, die im laufenden Quartal anhalten könnte, veranlasst die Bank of Japan möglicherweise dazu, selbst bei starken Lohnabschlüssen im Frühjahr den ersten Zinsschritt weiter hinauszuzögern.
Währungseffekt treibt Gewinne
Das Zwillingsphänomen erklärt sich daraus, dass Firmen mit viel Auslandsgeschäft, sei es der Export aus der Heimat oder die Produktion in Übersee, bei einem schwächeren Yen durch die Repatriierung der Auslandserträge höhere Yen-Gewinne ausweisen. So stieg im vergangenen Quartal der Gewinn der Topix-500-Firmen (ex Softbank Group) um 25% zum Vorjahr. Ein Teil des Ertragswachstums geht auf diesen Währungseffekt zurück. Bei Toyota betrug der Forex-Anteil 17% vom Gewinnplus. Wertet der Yen auf, sinken die Firmengewinne wieder.
Die Vermögensverwaltung Nikko AM stellt einen Zusammenhang zwischen der Risikobereitschaft am Markt auf der einen und dem Zwillingsphänomen auf der anderen Seite her. Derzeit bestehe noch ein „Risk-on“-Umfeld, in dem Yen-Schwäche und Aktienstärke gut nebeneinander bestehen, meint Nikko-Strategin Fink unter Verweis auf den niedrigen Stand des Volatilitätsindex an der CBOE. Auch einen fallenden Yen sollte der japanische Aktienmarkt eigentlich verdauen können, sagt Peter Tasker von Arcus Investment. Die Kurse seien bereits ab 2013 gestiegen, während der Yen um bis zu 30% zum Dollar stärker war als heute, so der britische Japanstratege (vgl. BZ vom 6. Februar).
Eine Yen-Aufwertung träfe nicht alle Japan-Anleger gleichermaßen. Mittel- bis langfristig orientierte Adressen wie Institutionelle verzichten oft auf eine Währungsabsicherung. Sie erzielten daher weniger spektakuläre Gewinne. Im Jahr 2023 stieg der Nikkei 225 in Yen um 28%, in Euro um 16% und in Dollar um 20%. Aber eine Währungsabsicherung kostet auch Performance-Punkte. Wieder andere nehmen einen (günstigen) Yen-Kredit für ihre Aktienkäufe auf oder begeben Yen-Anleihen wie Warren Buffett.
Gefährdete Carry Trades
Am meisten gefährdet eine Aufwertung die Carry Trader, die sich Yen leihen, in Dollar tauschen und Risikoassets wie US-Techaktien erwerben. Die meisten Analysten erwarten jedoch eine allmähliche Aufwertung des Yen parallel zu einem langsam schrumpfenden Abstand der zehnjährigen Rendite zu den USA. Anders als bei einem externen Schock bekämen die Trader ausreichend Zeit, ihre Yen-Positionen aufzulösen.
Weniger Gefahr als früher
Selbst kleinere Krisen bedeuten für diese Carry-Geschäfte weniger Gefahr als früher, da der Yen seine traditionelle Funktion als sicherer Hafen zuletzt verloren hat, möglicherweise eine Folge seines extremen Verfalls. Jedenfalls verteuerte sich die japanische Währung nach dem Hamas-Überfall auf Israel oder den Huthi-Schiffsattacken im Roten Meer weniger, als zu erwarten gewesen wäre. Andererseits hat sich der Yen/Dollar-Wechselkurs so weit von seinem historischen Mittel entfernt, dass eine Aufwärtskorrektur wesentlich wahrscheinlicher ist als eine weitere kräftige Abwertung. Viele Auslandsinvestoren dürften jedoch abwarten, ob und wie sich der Aktienmarkt an diese Veränderung anpasst.