Auslandsinvestoren kehren nach Japan zurück
Auslandsinvestoren kaufen wieder in Japan zu
Mehr Yen-Carry Trades – Unsicherheit über weitere Zinsentwicklung – Yen-Stärke belastet Firmengewinne
Der japanische Aktienmarkt hat sich von seinem Schwarzen Montag am 5. August mit dem höchsten Einbruch von Nikkei 225 und Topix in Punkten seit 1987 um rund 12% auf Niveaus, die das erste Mal bereits im April 2023 erreicht wurden, weitgehend erholt. Beide Indizes konnten bis Ende vergangener Woche sämtliche Verluste seit dem 1. August aufholen. Die größten Investoren waren ausländische Adressen, die während der Crash-Woche insgesamt Aktien für 1,2 Bill. Yen (7,4 Mrd. Euro) kauften. Ausländische erfahrene Trader, die aus dem Urlaub geholt wurden, kauften viele aufgelöste Positionen wieder zurück.
Die Abwertung des Yen um rund 5% zum Dollar und Euro gegenüber dem Hoch vom Schwarzen Montag stützte den rasanten Aufschwung der Kurse. Ungeachtet der fast panikartigen Auflösung von Yen-Carry Trades in Zusammenhang mit der Zinserhöhung der Bank of Japan am 31. Juli begannen internationale Anleger erneut, auf einen schwachen Yen zu wetten. „Es gab eine merkliche Bewegung zurück in die Yen-Carry Trades“, sagte Antony Foster, ein führender Devisenhändler bei Nomura in London, gegenüber Bloomberg. Beim australischen Forex-Broker ATFX Global Markets wuchs das Volumen der Terminkontrakte mit einem schwächeren Yen in der Woche vom 5. bis 9. August um 30% bis 40%, unter den Käufern waren Hedgefonds und vermögende Privatanleger.
Blick auf Jackson Hole
Die Korrelation zwischen Aktien und Währung setzte sich zum Wochenanfang fort. Der Nikkei 225 verlor 1,8% und der Topix 1,4% an Boden. Es handelte sich in erster Linie um Gewinnmitnahmen nach der Rally der Vorwoche. Den Anlass lieferte der Anstieg des Yen parallel zum Aktienhandel am Montag um bis zu 1,5% zum Dollar. Die Märkte blickten zum einen vorsichtig auf das Notenbankertreffen in Jackson Hole ab Donnerstag. Dort könnte Fed-Chef Jerome Powell Hinweise auf den Umfang der ersten Zinssenkung seit über zwei Jahren geben. Zum anderen wird Japans Notenbankchef Kazuo Ueda am 23. August von einem Parlamentsausschuss befragt.
Nach Ansicht von Kei Okamura, Portfolio-Manager bei Neuberger Berman, wird die Marktvolatilität „wahrscheinlich“ anhalten. „Diese Schwankungen lassen sich jedoch als Wachstumsschmerzen einer großen Volkswirtschaft im Umbruch interpretieren“, erläuterte Okumura. Dank einer „ermutigenden Mischung“ aus Reallohnwachstum, stabiler Inflation und Corporate Governance-Reformen lasse Japan drei „verlorene Jahrzehnte der Stagnation“ hinter sich.
Reale Lohnzuwächse
Gouverneur Ueda würde voraussichtlich den Yen stärken, falls er bei der Befragung seine Aussage von Ende Juli bekräftigt, dass weitere Zinsschritte anstehen, sollten es die ökonomischen Daten zulassen. Zuletzt hatte Japans Wirtschaftswachstum im abgelaufenen zweiten Quartal mit einer Rate von 0,8% genauso positiv überrascht wie die unerwartete Zunahme des Privatkonsums um 1%. Es war das erste Wachstum gegenüber einem Vorquartal seit einem Jahr. Der Juni brachte auch den ersten realen Lohnzuwachs seit über zwei Jahren. Das wären wohl genug Gründe, um eine Zinserhöhung zu rechtfertigen.
Der Vizepräsident der Bank of Japan, Shinichi Uchida, hatte in der Vorwoche die Märkte beruhigen können, indem er keine weiteren Zinsanhebungen versprach, solange die Märkte volatil bleiben. Analysten interpretierten diese Aussage unterschiedlich: Die einen meinten, die Bank of Japan werde bis zum Jahresende auf die nächste Erhöhung um 25 Basispunkte auf 0,5% verzichten. Die anderen hielten an ihrer Prognose fest, der nächste Zinsschritt erfolge schon im Oktober, eben weil der Konjunkturstärke.
Schrumpfende Profite
Geht die Zinsschere zwischen Japan und den USA durch die gegenläufige Entwicklung wieder zu, dann wertet der Yen auf. Dadurch schrumpfen nach der aktuellen Logik die Gewinne vieler Großunternehmen, so dass ausländische Investoren ihr Engagement in Japan reduzieren und dabei fallende Kurse verursachen. Es gilt die Faustregel, dass der Betriebsgewinn von japanischen Unternehmen mit hohen Auslandsumsätzen um jeweils 8% sinkt, wenn der Wechselkurs des Dollars um 10 Yen fällt. Eine Aufwertung von derzeit 145 Yen auf bis zu 100 Yen je Dollar wird für möglich gehalten, etwa von der New Yorker Investmentbank BNY, allerdings über einen längeren Zeitraum. Vor diesem Hintergrund reduzierte die UBS ihre Kursziele für Ende 2024 für den Nikkei 225 von 42.000 auf 39.000 und für den Topix von 3.000 auf 2.800.
Die vierjährige Serie mit jeweils neuem durchschnittlichen Gewinnrekord je Aktie könnte also zu Ende gehen. Dagegen meint Aktienstratege Hitoshi Asaoka von Asset Management One, einem der größten Fondsmanager in Japan, dass japanische Großunternehmen in diesem Jahr ungeachtet einer Yen-Stärke ihre Gewinne um weitere 8% steigern könnten. Gemäß einer Schätzung der Finanzzeitung Nikkei, basierend auf Prognosen von 1.060 Unternehmen im Prime Markt der Tokioter Börse, wird die Gesamtsumme ihrer Gewinne im laufenden Geschäftsjahr (bis 31.3.2025) nur um 1% sinken. In den Bereichen Autos, Stahl, Öl und Strom wird ein Gewinnrückgang von 20 % oder mehr erwartet. Unternehmen in den Sektoren elektrische Maschinen und Chemie erwarten ein zweistelliges Wachstum, was den Rückgang in anderen Bereichen jedoch gemäß den Prognosen nicht ganz ausgleichen kann.
Rückkehr der Japaner in die Heimat?
Selbst wenn die Ausländer sich als Käufer zurückziehen, bedeutet dies nicht unbedingt einen schnellen Kursverfall. Schließlich bewegten sich Nikkei und Topix auch in den Jahren nach oben, in denen Ausländer Nettoverkäufer japanischer Aktien waren, und das bei einer deutlich festeren Heimatwährung. Die Aktienstrategin von Nikko AM, Naomi Fink, meint, institutionelle Anleger aus Japan sollten wegen der Unterbewertung des Yen und ihrer erzielten hohen Währungs- und Kursrenditen mit Auslandsanlagen, darunter US-Aktien, ihr Engagement reduzieren und das Kapital in japanische Aktien und Staatsanleihen investieren. Sollte es dazu kommen, könnten diese Investoren zum neuen Stützpfeiler für den Aktienmarkt werden.
Nach dem Schwarzen Montag am japanischen Aktienmarkt hat es eine rasante Erholung gegeben, die auch von Ausländern getragen wurde. Fraglich ist nun, wie die Geldpolitik der Bank of Japan weiter aussieht. Versprochen wurde, dass es keine weiteren Zinsschritte gibt, solange die Volatilität anhält.