Autonomes Fahren eine Chance für Anleger
In der Logistik sind das Personal und der Treibstoff die höchsten Kostentreiber. Lkw-Fahrer werden schon jetzt dringend gesucht, doch in diesem für viele eher unattraktiven Beruf fehlt der Nachwuchs – Tendenz steigend. Für die Branche können autonom fahrende Fahrzeuge daher einen Ausweg aus dem Dilemma bedeuten: Wenn Computer die Fahrzeuge steuern, fallen Ruhezeiten weg – das Personalproblem relativiert sich dann deutlich. Dafür, dass sich autonomes Fahren als Erstes in der Logistik durchsetzen wird, sprechen zudem die Strecken, die im Transportwesen hauptsächlich genutzt werden: Viele Fahrten erfolgen auf der Autobahn. Und hier kommen autonome Fahrsysteme als erstes zum Einsatz. Der Grund: Auf Autobahnen gibt es weder Gegenverkehr noch Kreuzungen – und es sind ausschließlich motorisierte Verkehrsteilnehmer unterwegs, was die Unfallgefahr verringert.
Ein weiterer interessanter Einsatzbereich für autonomes Fahren ist die Landwirtschaft. Hier fahren die Landmaschinen tendenziell jenseits des individuellen Personenverkehrs, auf Feldern sind teilweise sogar Bewegungsmuster möglich, die sich regelmäßig wiederholen. Daher lassen sich autonome Fahrsysteme in der Feldbewirtschaftung für den Menschen meist gefahrlos einsetzen. Ganz im Gegensatz dazu steht der Stadtverkehr, der die größte Herausforderung darstellt: Im dichten Verkehr treffen viele verschiedene Verkehrsteilnehmer in unterschiedlichen Tempos und mit teilweise großer Verletzlichkeit aufeinander. Fußgänger und Radfahrer, die wendig und impulsiv reagieren, gleichzeitig aber durch keinerlei Knautschzone geschützt sind, erschweren den Einsatz autonomer Fahrsysteme. In der Stadt dürfte autonomes Fahren daher zuletzt Realität werden.
Bis sich diese Technologie langfristig durchsetzen kann, werden viele interessante Assistenzsysteme auf den Markt kommen, an deren Erfolg Anleger bereits heute partizipieren können. Notbrems-, Not-Spurhalte- und Geschwindigkeitsassistenten sind ebenso wie das Notbremslicht, der Unfalldatenspeicher und der Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner in Deutschland seit diesem Jahr bereits Pflicht bei Neuwagen. Auf lange Sicht dürfte die disruptive Technologie die fahrergeführten Fahrzeuge ablösen. Der Börsenerfolg anderer disruptiver Technologien wie der Cloud als Ablösung stationärer Datenspeicher, der Streaming-Dienste als Ersatz für Videotheken und der Smartphones, die viele Geräte auf einmal abgelöst haben, lassen Anleger langfristig auf interessante Gewinne hoffen. Für Anleger bieten sich in diesem Zusammenhang nicht nur Investments in die Automobilkonzerne an. Interessant kann vor allem die Fokussierung auf Elektronikzulieferer sein. Der weltweite Markt für Automotive-Elektronik und Software dürfte von 238 Mrd. Dollar im Jahr 2020 auf 469 Mrd. Dollar im Jahr 2030 ansteigen. Allein durch den Sprung vom teilautomatisierten zum hochautomatisierten Fahren könnte der Umsatz der Zulieferer um den Faktor Zehn steigen.
Alternative Antriebe
In puncto Logistik kann es sich zudem lohnen, die Entwicklung der alternativen Antriebe im Blick zu behalten. Denn bei schweren Fahrzeugen, aber auch bei Flugzeugen und Schiffen ist ein batteriebetriebener Elektroantrieb im Moment noch nicht sinnvoll. In einem Bereich, in dem Zuladung ein entscheidender Faktor ist, wiegen die Batterien zu schwer. Und auch die Ladezeiten sind noch zu lang – schließlich bedeutet Zeit im Transportwesen Geld. Die Gretchenfrage lautet deshalb: Setzt sich Wasserstoff oder E-Fuel durch? Die Aufbereitung von Ölen – zum Beispiel Altspeiseöl – als Grundlage für Bio-Fuel ist zum Beispiel ein interessanter Ansatz. Bei der Entwicklung entstehen neue Partnerschaften von Energiewirtschaft und Logistik, die zukunftsweisend sein können.
Zurück zu den Assistenzsystemen: Zu deren wichtigsten Komponenten gehören Chips. Und die Nachfrage nach diesen elektronischen Bausteinen ist zuletzt deutlich gestiegen. So wuchs der Halbleiterweltmarkt trotz Corona allein 2020 um 4% auf knapp 430 Mrd. Dollar. Aktuell sprechen die hohe Inflation und mögliche Mehrfachbestellungen zwar gegen ein hohes Engagement in Halbleiteraktien. Allerdings stehen auf lange Sicht die Chancen ausgezeichnet: Derzeit macht der Automobilmarkt etwa 10% des Chip-Absatzes aus. Mittelfristig sollte sich dieser Anteil vervielfachen. Auch einige unerwartete Player sollten Investoren dabei auf dem Radarschirm haben: So mischt zum Beispiel der Grafikkarten-Hersteller Nvidia mit der Nvidia-Drive-Plattform für selbstfahrende Fahrzeuge mit.
Gutes Chance-Risiko-Profil
Grundsätzlich weist der Bereich „Mobilität der Zukunft“ ein ausgezeichnetes Chance-Risiko-Profil aus, aber Anleger müssen einen langen Atem haben. Viele Player befinden sich noch im Aufbau und sind noch nicht in die Gewinnzone vorgestoßen. Aber wie bei vielen innovativen Themen kann sich ein rechtzeitiger Einstieg in die richtigen Titel langfristig lohnen.