Henrik Muhle, Gané

„Banken jammern wesentlich mehr“

Fondsmanager Henrik Muhle vertraut auf einen modifizierten Value-Ansatz und ist dabei, das Portofolio in Richtung Nachhaltigkeit anzupassen. Große Stücke hält er auf Versicherer.

„Banken jammern wesentlich mehr“

Wolf Brandes.

Herr Muhle, auch bei Ihnen hält Nachhaltigkeit immer mehr Einzug ins Portfoliomanagement. Ihr Fonds zum Beispiel ist nach der Offenlegungsverordnung als Artikel-8-Fonds einsortiert. Welche Rolle spielt der subjektive Faktor bei ESG-Bewertungen?

Das ist keine einfache Frage. Natürlich gibt es bei dem Thema Nachhaltigkeit übergeordnete Ziele, die jedem einleuchten. Ob ein Unternehmen allerdings ökologisch und sozial agiert und gut geführt wird, ist in vielen Fällen schlicht Ansichtssache. Deswegen sollen Nachhaltigkeitsratings den Investoren Orientierung geben. Mangels einheitlicher Kriterien fallen diese jedoch mitunter unterschiedlich aus. Die Subjektivität beginnt also schon bei der Auswahl der Ratingagentur und bei der Definition des Begriffs Nachhaltigkeit.

Was hat sich bei Ihnen im Portfolio des Acatis Gané Value Event Fonds hinsichtlich ESG und Nachhaltigkeit getan?

Da unser Investmentansatz ohnehin an nicht kapitalintensiven Unternehmen ausgerichtet ist, sind wir in dieser Hinsicht bereits gut aufgestellt. Darüber hinaus haben wir zuletzt Rio Tinto verkauft. Der britisch-australische Bergbaukonzern war wegen seiner Geschäftspraktiken permanent mit negativen Schlagzeilen in der Presse.

Zu Ihren Toppositionen zählen Versicherer wie Berkshire Hathaway von Warren Buffett, Allianz und Münchener Rück. Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit bei deutschen Versicherungskonzernen aus?

Wir besitzen mit der Allianz und der Munich Re zwei deutsche Versicherungskonzerne, die in den Nachhaltigkeitsratings sehr gut abschneiden. Sie reduzieren die Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel permanent und verfügen beide über eine starke Corporate Governance.

Hedgefonds-Verluste in den USA kosteten Allianz Milliarden. Ändert das nichts an der Bewertung der Governance?

Daran ändert auch der Skandal der Allianz um verloren gegangene Anlegergelder in den USA nichts. Da hat man danebengelegen, aber sowas passiert leider und das ist das Geschäftsrisiko. Anders sieht es aus, wenn es jedes Jahr einen Skandal nach dem anderen gibt, wie bei der Deutschen Bank beispielsweise. Versicherer sind nun mal konservativer als Banken.

Die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen gehen Richtung 1%, die für Treasuries erreichen bald wieder 3%. Sind Banken angesichts der steigenden Zinsen nicht wieder einen Blick wert?

Nein, wir haben keine klassischen Banken im Portfolio, weil wir das Geschäft und die Bilanzen nicht gut genug verstehen. Banken leiden zudem stark unter der Regulierung – oder sie jammern wesentlich mehr als Versicherungen. Die Geschäftsmodelle der Assekuranz sind jedenfalls weniger angreifbar, während Banken viel stärker von Fintechs angegriffen werden.

Gibt es innerhalb der sehr unterschiedlichen Geschäftsmodelle für Sie keine attraktiven Banken?

Es gibt Geschäftsmodelle wie die Depotbank von Hauck Aufhäuser Lampe oder das KVG-Modell von Universal Investment, die planbar und profitabel sind. Aber beide Unternehmen sind nicht an der Börse gelistet. Wir hatten mal eine Comdirect im Portfolio, die eine strukturell attraktive Plattform aufgebaut hatte. Das Thema hat sich mit der Übernahme durch die Commerzbank aber erledigt.

Zu den Top Ten bei Ihnen zählen in dem Fonds seit längerem US-Technologiewerte wie Apple oder Microsoft. Warum sind die so hoch gewichtet?

Die sind durch Kursgewinne so hochgelaufen. Unabhängig davon bleibt der Bereich Digitalisierung aber das große Zukunftsthema – und nicht erst seit der Pandemie.

Nun hat es einige der Techwerte ziemlich zerrissen. Das klingt nicht nach Zukunft, oder?

Man muss differenzieren. Unstrittig ist der langfristige Trend und gleichzeitig hat Corona einiges nach oben gespült, wie Zoom und Fiverr. Solche unprofitablen Werte sind jetzt natürlich weniger gut gelaufen, aber vieles wird nach Corona bleiben. Dass einzelne Aktien zurückgefallen sind, hat auch mit den gestiegenen Zinsen zu tun. Je weniger freier Cashflow ein Unternehmen generieren kann, desto härter trifft der höhere Zins die Bewertungsseite.

Die höheren Zinsen treffen doch alle Technologiewerte und führen zu einer Reduktion der Bewertung, oder?

Bei Apple, Microsoft und Alphabet stehen einfach gigantische Gewinne auf der Habenseite. Sicherlich ist auch bei ihnen der Wachstumsstrom weniger wert. Aber er ist vorhanden und er sollte in den kommenden Jahren kräftig weiterwachsen.

Im Fokus stehen im Tech-Sektor meist die Giganten. Schauen Sie sich in der zweiten und dritten Reihe einzelne Techwerte an?

Das Thema Digitalisierung geht weiter und wie damals in Deutschland am Neuen Markt sind viele interessante Unternehmen entstanden, von denen einige verschwinden und einige sehr erfolgreich übrig bleiben werden. Wir haben eine Liste von Werten aus der zweiten und dritten Reihe, bei denen wir abwarten. Dazwischen liegen Unternehmen wie Salesforce, wo wir kürzlich eine erste Position aufgebaut haben.

Das Interview führte

BZ+
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