Aktienmärkte

Bei Krisen taucht der Dax mächtig ab

Der Dax hat in Kriegs- und Krisenzeiten sehr hohe Einbußen erlitten. Zum Teil hat er 50% und mehr an Wert verloren. Aktienmärkte mögen den Frieden.

Bei Krisen taucht der Dax mächtig ab

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Ein Börsianer muss immer die aktuellen Nachrichten schauen, denn die Welt kann sich plötzlich verändern, hat ein Researchchef einer deutschen Großbank stets seinen Mitarbeitern nahegelegt. Und recht hat er. Denn da taucht plötzlich der russische Staatschef Wladimir Putin mit einer wütenden Rede auf n-tv und anderen Kanälen auf, die viel Schlimmes erahnen lässt. Wenige Tage später überfallen russische Truppen die Ukraine und es herrscht wieder Krieg in Europa, dem Kontinent, der im 20. Jahrhundert durch zwei schlimme Weltkriege verwüstet wurde. Um sich gegenüber dem Angriff Russlands militärisch zu verteidigen, kämpft die Ukraine zwar allein, wollen doch die Nato und die Länder der EU keinen dritten Weltkrieg. Doch haben sie umfangreiche Sanktionen gegenüber Russland verhängt. Und mehr Gelder für die Bundeswehr zeigen die Zeitenwende auf.

Die Märkte haben auf diese schlimmen Entwicklungen reagiert: Die Energiepreise sind explodiert, russische Aktien werden nicht mehr gehandelt, und solange sie noch gehandelt wurden, hatten sie rund 90% an Wert verloren. Russische Staatsanleihen steuern derzeit auf die Insolvenz zu (zumindest sind wie bei Lehman die Credit Default Swaps (CDS) markant angestiegen), und am Aktienmarkt ist der Dax gegenüber dem im Januar erreichten Hoch von mehr als 16000 Punkten um rund 20% eingebrochen, so dass Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege der DWS, feststellt, dass sich Dax und auch Euro Stoxx 50 inzwischen im Bärenmarkt befinden.

Angesichts des deutlichen Kurseinbruchs stellen sich etliche Anleger die Frage, ob nicht jetzt ein günstiger Zeitpunkt gegeben ist, um deutsche Aktien zu kaufen. Schließlich gibt es den bekannten Börsenspruch, dass frau oder man kaufen soll, wenn die Kanonen donnern. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, zu analysieren, wie sich der Dax und der deutsche Aktienmarkt bislang in Kriegs- und Krisenzeiten entwickelt hat.

Dabei wird deutlich: Ein Einbruch von 20% ist nicht viel, wenn sich die Fundamentals grundlegend geändert haben. In den letzten Jahrzehnten gab es weitaus größere Einbrüche. So hat der Dax laut Frank Mella, der als Redakteur dieser Zeitung den Dax mit entwickelt hat, vom 7. März 2000 bis zum 12. März 2003 satte 73,1% an Wert verloren. Dieser Zeitraum umfasst das Platzen der Dotcom-Blase, den Anschlag auf Amerika am 11. September 2001, den Krieg in Afghanistan, Rezessions- und Deflationsängste sowie eine Eskalation des Irak-Konflikts, die dann im zweiten Irakkrieg mündeten.

Käufe bei minus 30 Prozent

Eine wichtige Orientierung bieten laut den technischen Analysten von Index-Radar sogenannte Underwater-Berechnungen, sprich die prozentualen Rückschläge von jeweiligen Zwischenhochs, bevor dann neue Rekordstände erreicht werden. „Den stärksten Verlust in einem Einjahreszeitraum verzeichnete der Index nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 mit über 50%“, analysiert Index-Radar. „Im vergangenen Jahrzehnt wurden Krisen jedoch gekauft, sobald der Index um etwa 30% vom letzten Hoch gefallen war.“

Gewaltige Rückschläge für den Dax gab es auch in den Jahren 2008 und 2009 im Rahmen der Lehman-Insolvenz und der daraus resultierenden Finanzkrise. Im Rahmen dieser Baisse waren dies in der Spitze bis zu 56%. Im Februar und März 2022 brach der Dax aufgrund des Ausbruchs von Corona in der Spitze um knapp 40% ein; doch konnte dieser Einbruch infolge der Lockerungen der Geldpolitik und eines massiven fiskalischen Impulses schnell wieder aufgeholt werden.

In der Ölkrise der 1970er Jahre musste der Dax (gemäß der Rückrechnung) hohe Einbußen hinnehmen, so betrug das Minus laut Mella in der von 10. August 1972 bis 7. Oktober 1974 reichenden sechsten Nachkriegsbaisse 41,6%. Der Börsencrash 1987 war gewaltig, entsprang aber keinem Krieg und keiner schwerwiegenden Krise, so dass der Einbruch auch dank Zinssenkungen der Notenbanken relativ schnell wieder aufgeholt werden konnte.

Urtrauma 1914

Interessant ist die Entwicklung des Dax im ersten Irakkrieg, der von August 1990 bis März 1991 dauerte. Nach dem Einmarsch des Iraks in Kuwait verlor der Dax in der Spitze knapp 30%. Als dann im Januar 1991 die alliierten Streitkräfte unter Führung Amerikas den Irak angriffen und Erfolge verzeichneten, kletterte das Börsenbarometer. Nach Kriegsende legte der Dax weiter zu. Denn die Aktienmärkte mögen keinen Krieg, nicht zuletzt auch aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten und Schäden für Unternehmen. Wobei das unsägliche Leid, das ein Krieg für die Menschen verursacht, an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt sei. Kommt es rasch zu einem Friedensschluss, der erträglich ist und bei dem auch Freiheitsrechte nebst marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung gewährleistet bleiben, dann honorieren das die Aktienmärkte.

Mögliche Folgen eines Kriegs zeigen sich jetzt auch in Moskau, wo die Börse geschlossen wurde und weiterhin zu ist. Als „das Urtrauma deutscher Aktionäre“ bezeichnet Daniel Eckert 1914. Denn mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde hierzulande die Börse geschlossen. „Als sie Jahre später wieder eröffnete, hatten deutsche Aktien und An­leihen 90% ihres Wertes verloren“, berichtet Wirtschaftsjournalist Eckert. Der Krieg habe das Aktienvermögen zerstört und die Wirtschaft zerrüttet. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Börsenkurse hierzulande übrigens erst staatlich kontrolliert, ab Ende Juni 1943 wurden dann keine Kurse mehr ermittelt.

Alles in allem bleibt angesichts der Entwicklung in der Ukraine die Unsicherheit hoch. „Mit weiteren Rückschlägen für Risiko-Assets wie Aktien und Unternehmensanleihen ist zu rechnen“, so die Analysten der LBBW. Doch eröffne die Neubewertung an den Märkten mittelfristig auch wieder Einstiegsgelegenheiten für Risiko-Assets. „Das richtige Timing wird entscheidend sein“. Nachrichten schauen bleibt wichtig.

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