Bei Pfizer geht die Party allmählich zu Ende
Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Für Anleger, die in der Pfizer-Aktie investiert sind, ist der bisherige Jahresverlauf unerfreulich. Der Titel hat seit Anfang Januar fast 17% an Wert eingebüßt. Dies vergleicht sich mit einem deutlich geringeren Rückgang des US-Benchmark-Index S&P500 um 7% im gleichen Zeitraum. Dabei sind die Pfizer-Aktionäre erfolgsverwöhnt: Auf Sicht von einem Jahr ergibt sich ein satter Kursgewinn der Aktie von 42%, während der S&P500 nur auf 13% kommt.
Die Covid-19-Pandemie hat sich als Segen für den Konzern erwiesen. Gemeinsam mit dem deutschen Partner Biontech gelang es, die in öffentlichen Forschungsstätten und mit öffentlichen Geldern entwickelte mRNA-Technologie der führenden westlichen Corona-Impfstoffe in eine sprudelnde Finanzquelle zu verwandeln. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021 ergab sich eine Umsatzexplosion von 94% auf 81,3 Mrd. Dollar, während sich der Nettogewinn von 7 Mrd. Dollar im Jahr 2020 auf 22,5 Mrd. Dollar mehr als verdreifachte (+221%) – in den Jahren davor hatte es jeweils Gewinnrückgänge gegeben.
Allerdings hat jede Party irgendwann ein Ende, und es sieht so aus, als ob dieser Zeitpunkt für Pfizer nun näher rückt. Dies scheint auch die für ihren Optimismus bekannte amerikanische Analystengemeinde so zu sehen, denn es gibt für die Aktie mit 14 Stimmen mehr „Hold“-Empfehlungen als Ratschläge, die Aktie zu kaufen (nämlich 11). Immerhin gibt es keine einzige Verkaufsempfehlung. Das durchschnittliche Kursziel für die nächsten zwölf Monate wird bei 59,86 Dollar gesehen, was gegenüber dem aktuellen Kurs ein Aufschlag von 21,5% wäre. Allerdings könnte es in den nächsten Wochen und Monaten weitere Reduzierungen der Kursziele geben.
Unter den Erwartungen
Denn wenig erfreulich ist die jüngste Prognose des Konzerns ausgefallen, die im Rahmen der Veröffentlichung des Quartalsergebnisses herausgegeben wurde. Erwartet werden Erlöse von 98 bis 102 Mrd. Dollar, während der Marktkonsens auf 106 Mrd. Dollar gelautet hatte. Die Aktie verlor daraufhin 2,8%, wenngleich festzustellen ist, dass sich Pfizer am Aktienmarkt bislang noch deutlich besser hält als die anderen Impfstoffaktien. So hat Moderna seit Jahresanfang fast 40% eingebüßt, die American Depository Receipts von Biontech in New York 36% und Novavax 40%. „Wir erwarten, dass die Wall Street weiterhin über die langfristige Nachhaltigkeit der Erlöse debattieren wird“, ließ sich Analyst Chris Schott von J.P. Morgan mit Blick auf die Prognose von Pfizer zitieren. Für Pfizer wenig hilfreich war in diesem Zusammenhang, dass der medizinische Chefberater des Weißen Hauses, Anthony Fauci, der „Financial Times“ in der vergangenen Woche sagte, er gehe davon aus, dass die USA die akute Pandemiephase verlassen. Gut gemeinte Hinweise von Spitzenmanagern der Hersteller von Covid-19-Vakzinen, sinnvoll sei in Zukunft alle drei Monate eine Nachimpfung, sind bei den Regierungen auf kein nennenswertes Echo gestoßen, zumal eine aktuelle israelische Studie den Schluss nahelegt, dass der Nutzen einer vierten Impfung marginal ist. Allerdings neigt das Coronavirus bekanntlich zu zahlreichen Mutationen, so dass sich daraus neue Chancen für den Einsatz angepasster Impfstoffe ergeben. Zudem wird erwartet, dass die amerikanische Pharmaaufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) Ende März die Verabreichung des Pfizer-Impfstoffs an Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren genehmigt. Zu berücksichtigen ist auch, dass außerhalb der hoch entwickelten Länder die Impfquoten immer noch sehr niedrig sind.
Hoffnungen setzt Pfizer auch auf ihr Medikament zur Covid-19-Therapie Paxlovid, von dem im laufenden Jahr immerhin 120 Millionen Dosen produziert werden sollen. Einige Analysten hoffen, dass das Präparat im laufenden Jahr Erlöse von 24,2 Mrd. Dollar bringen könnte und 2023 sogar von 33 Mrd. Dollar. Allerdings könnten die Umsätze danach rasch zurückgehen, was auf das Ende der Pandemie und verfügbare Konkurrenzprodukte zurückgeführt wird. Außerdem sieht es danach aus, dass sich Paxlovid nur für den Einsatz in der Frühphase der Infektion eignet und nur für Patienten mit einem ausgeprägten Risikoprofil für einen schweren Krankheitsverlauf. Zu einer Tablette für die breiten Massen, die man wie Paracetamol bei einer möglichen Infektion einwirft, dürfte Paxlovid nicht werden. Allerdings soll in der zweiten Jahreshälfte die klinische Erprobung einer verbesserten Version beginnen.
Kritische Anmerkungen gibt es von Andrew Baum, Analyst bei der Citigroup. Er spricht davon, dass das „Konzentrationsrisiko bei Pfizer unter Berücksichtigung der anspruchsvollen Markterwartungen hoch ist“, und kommt zu dem Ergebnis, dass die Aktie des Pharmariesen wegen der stark auf Covid-19 ausgerichteten Dynamik anfälliger sei als andere Unternehmen aus dem Sektor. Dies zeigen auch die Zahlen: Im vierten Quartal generierte der Covid-Impfstoff 12,5 Mrd. Dollar der Gesamterlöse von 23,8 Mrd. Dollar. Und im laufenden Jahr sollen 54 Mrd. Dollar der geplanten 102 Mrd. Dollar aus der Covid-19-Bekämpfung stammen.
CEO Albert Bourla merkte kürzlich an, man verhandle mit weiteren Regierungen über Impfstofflieferungen, wenngleich er noch nicht die Guidance nach oben korrigieren wolle. Gleichwohl sei es eine „vernünftige Annahme“, dass die Prognosen angehoben werden könnten. Bourla sieht sich offensichtlich unter großem Druck der Anlegerseite. Was die sonstigen, nicht mit Covid-19 zusammenhängenden Produkte von Pfizer betrifft, so räumte Finanzchef Frank D’Amelio im jüngsten Conference Call ein, dass deren Wachstum 2022 mit 5% leicht hinter den konzerneigenen Zielen von 6% zurückbleibt, zumal der Patentschutz für einige Medikamente ausläuft. Immerhin ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate mit 12,9 maßvoll.
Zwar ist Pfizer im Gegensatz zum Partner Biontech kein Ein-Produkt-Unternehmen, die weitere Entwicklung des Konzerns und des Aktienkurses hängt aber in einem sehr hohen Maße von dem Fortgang der Pandemie ab, deren Ende zumindest absehbar wird. Gesundheitsexperten wie Bill Gates fürchten aber, dass der Welt neue Pandemien drohen. Vielleicht ergibt sich ja in deren Bekämpfung auch wieder die Möglichkeit für Pfizer, einen substanziellen Beitrag für die Welt und die eigenen Aktionäre zu leisten.