Bei Tesla lässt der Hype nach
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Die Aktie des Elektroautopioniers Tesla hat sich zuletzt ausgesprochen positiv entwickelt. Auf Sicht von einem Monat hat sie sich um 27% verteuert. Damit hat sie den amerikanischen Benchmark-Index S&P500, der nur auf knapp 8% kam, deutlich hinter sich gelassen, ebenso den Technologieindex Nasdaq Composite, der im gleichen Zeitraum ebenfalls um 8% zulegte. Aber auch auf längere Sicht hat sich Tesla deutlich besser entwickelt als der Aktienmarkt. Binnen zwölf Monaten verteuerte sich der Titel um 73%, während der S&P500 nur um 17% vorankam.
Nach dieser rasanten Rally sollte man annehmen, dass die Aktie nun besonders teurer geworden ist. Dies ist aber nicht der Fall. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Gewinner der vergangenen zwölf Monaten liegt bei 224,7. Wenngleich dies niemand billig nennen würde, handelt es sich doch im Vergleich der vergangenen Jahre um einen zumindest für Tesla eher niedrigen Wert – für die Aktie gelten schließlich andere Maßstäbe als für die allermeisten anderen Dividendentitel, was einige Kritiker bereits dazu bewogen hat, trotz der ohne Zweifel vorhandenen operativen Performance des Unternehmens von einer Art Schneeballsystem am Aktienmarkt zu sprechen.
Der jüngste massive Kursanstieg ist nach Ansicht vieler Analysten auf die Ankündigung eines Aktiensplits zurückzuführen – eine nicht nur bei amerikanischen Unternehmen beliebte Methode, noch das Letzte aus dem Aktienkurs herauszuholen, ohne die operative Performance verbessern zu müssen. So haben die Analysten der Bank of America berechnet, dass US-Aktien aus dem S&P500 in den Jahren seit 1980 nach der Ankündigung eines Aktiensplits in den folgenden zwölf Monaten ihren Kurs im Schnitt um 25,4% steigerten. Allerdings hat Tesla aufgrund der rasanten Kursanstiege der vergangenen Jahre schon öfters Aktiensplits vorgenommen, es handelt sich aktuell bereits um den zweiten Split binnen zwei Jahren.
Der Konkurrenz voraus
Allerdings gibt es auch fundamentale Gründe, die für die Aktie sprechen – gerade auch mit Blick auf die aktuelle Rohstoff- und Logistikkrise. So merkt beispielsweise Analyst Adam Jonas von Morgan Stanley an, Tesla sei ihren Wettbewerbern in der Organisation ihrer Logistikkette um fünf bis zehn Jahre voraus. Gelegentlich wurde auch bereits angemerkt, dass Tesla Ähnlichkeiten mit einem Kombinat aus DDR-Zeiten habe. Im schwierigen Umfeld der Ostblock-Ökonomien zeichneten sich Kombinate durch eine hohe vertikale Integration aus, um sich damit Zugang zu Vorprodukten und Rohstoffen zu sichern.
Jonas geht auch davon aus, dass Tesla die zunehmend problematische weltweite Lieferkette im Bereich der Elektromobilität besser handhaben wird als andere Konzerne. „Die Gewinner auf dem globalen Markt der Elektromobilität werden diejenigen Unternehmen sein, die ihre Versorgung mit wichtigen Rohmaterialien sicherstellen können“, betont Jonas. Nach Informationen von Bloomberg hat sich Tesla mit dem Rohstoffkonzern Vale über langfristige Verträge die Versorgung mit Nickel gesichert, das für die Batterien erforderlich ist.
Gegenüber anderen Herstellern von Elektrofahrzeugen kann Tesla auch mit einer wesentlich höheren Finanzkraft glänzen: Aus Verkäufen von rund 1 Million Fahrzeugen im vergangenen Jahr entstand ein hoher Nettogewinn von 5,5 Mrd. Dollar. Gegenüber den Produzenten herkömmlicher Automobile profitiert Tesla davon, dass ein Anstieg des Ölpreises dem Konzern eher zugutekommt. So kommt beispielsweise Ford, obwohl der Konzern ein anspruchsvolles Programm der Umstellung auf Elektrofahrzeuge vorgelegt hat, nur auf ein KGV auf Basis der Gewinne der vergangenen zwölf Monate von 4. Im vergangenen Jahr hat der Autokonzern aus Dearborn zwar mit rund 18 Mrd. Dollar deutlich mehr verdient als Tesla, was allerdings vor allem auf außerordentliche Effekte zurückzuführen ist. Auf Basis des Bruttogewinns liegt Tesla bereits vorne.
Bis 2030 soll der Konzern nach Schätzung von Jonas zwischen 200 und 250 Mrd. Dollar an Investitionen sowie für Forschung und Entwicklung ausgeben, was in etwa der Marktkapitalisierung des nach Tesla zweitschwersten Automobilkonzerns Toyota entspricht. Tesla selbst gehört dem exklusiven Club der Unternehmen an, die es auf mehr als 1 Bill. Dollar an Marktwert bringen, bei Tesla sind es derzeit 1,13 Bill. Dollar.
Wenngleich Tesla somit deutlich besser dasteht als viele seiner Wettbewerber, ist die Begeisterung der Analysten für die Aktie ein wenig abgekühlt. Laut Factset raten von 42 Banken lediglich 19 zum Kauf der Aktie, während vier Häuser Tesla immerhin mit „Overweight“ einstufen. Neun Analysten empfehlen, die Aktie im Portfolio zu behalten. Drei plädieren für eine Untergewichtung des Titels, während sieben sogar zum Verkauf raten. Das durchschnittliche Kursziel der Aktie beträgt 951,76 Dollar, es liegt damit unterhalb des aktuellen Kurses von 1098,28 Dollar.
Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung der Analysten ist neben den Problemen der Elektromobilitätsbranche mit ihren fragilen Lieferketten sicherlich in dem stark gedrückten konjunkturellen Umfeld zu sehen. Dazu mag ferner beitragen, dass es derzeit außer dem Aktiensplit wenig spektakuläre Neuigkeiten hinsichtlich neuer Modelle oder Geschäftsideen gibt. Konzernchef Elon Musk gab die Parole aus, dass das Jahr 2022 im Zeichen der Steigerung der Produktion steht. Dazu gibt es zwei neue Fabriken, eine in Texas und eine in der Nähe von Berlin. Im Fokus von Tesla steht zudem der extrem wichtige und kräftig wachsende chinesische Markt.
Ein Problem für Tesla besteht aber darin, dass es Verzögerungen bei neuen Modellen gibt, so etwa bei großen Lastkraftwagen, beim Cybertruck, der deutlich nach dem elektrisch betriebenen Ford F-150 Lightning auf den Markt kommen wird, sowie bei einem kleineren und billigeren Fahrzeug, das der aufkommenden chinesischen Konkurrenz Paroli bieten könnte.
Nach dem jüngsten Hype um den Aktiensplit dürfte es mit Blick auf das „Business as usual“ bei Tesla im laufenden Jahr um die Aktie etwas ruhiger werden, sodass die Analysten mit ihrer Zurückhaltung möglicherweise recht behalten. Im Auge behalten sollten Anleger die Absatzentwicklung in China. Sie könnte nach dem Abflauen der Coronawelle Überraschungen bringen und den Kurs antreiben.