Bitcoin im Umbruch
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Für Teilnehmer am Bitcoin-Netzwerk hat eine lange Wartezeit ein Ende gefunden: Am Sonntag ist das erste große Upgrade der Blockchain seit 2017 live gegangen. Durch die unter dem Namen „Taproot“ firmierende Umstellung wird es möglich, komplexere Smart Contracts auf Bitcoin aufzusetzen. Dabei handelt es sich um Computerprotokolle, die Verträge abbilden sowie Transaktionen automatisiert und dezentral abbilden können.
Das Upgrade bedeutet damit einen Umbruch für den gesamten Krypto-Markt. Denn bisher ist das Ethereum-Netzwerk auf dem Gebiet der Smart Contracts führend. Die Protokolle besitzen eine entscheidende Funktion für Decentralized Finance (DeFi) – der Grundgedanke hinter diesem Trendthema besteht darin, klassische Finanzkonzepte und -produkte mit Distributed-Ledger-Technologien zu verbinden und zentrale Intermediäre wie Börsenmakler und Banken abzulösen. Das Volumen des Kryptokapitals, das in Smart Contracts mit DeFi-Bezug liegt, ist zuletzt kräftig gewachsen: Belief es sich zu Jahresbeginn laut der Plattform Defi Llama auf 21,6 Mrd. Dollar, soll es sich nun auf 274,5 Mrd. Dollar summieren. Davon entfallen allein 183,1 Mrd. Dollar auf Ethereum.
Auf den Plätzen zwei und drei folgen diesbezüglich Binance mit 21,6 Mrd. Dollar und Solana mit 14,6 Mrd. Dollar. Bitcoin, mit einer Marktkapitalisierung von über 1,2 Bill. Dollar die mit Abstand führende Kryptowährung, hinkt in Bezug auf die in DeFi-Protokollen hinterlegten Assets mit einem Volumen von etwas über 210 Mill. Dollar hingegen weit hinterher. Das liegt vor allem daran, dass Smart Contracts auf Bitcoin-Basis vor dem nun vorgenommenen Upgrade sehr viel Speicherplatz beanspruchten und die dadurch entstehenden Transaktionskosten enormes Ausmaß erreichten.
Kombinierte Schlüssel
Dies ändert sich nun durch die Einführung sogenannter Schnorr-Signaturen, die nach ihrem Erfinder, dem deutschen Informatiker Claus Schnorr, benannt sind. Waren zuvor praktisch alle Bitcoin-Transaktionen offen einsehbar, lassen sich durch die Anwendung des Schnorr-Schemas Transaktionen bündeln und mit einer einzelnen Signatur freigeben. Bei Transaktionen zwischen mehreren Parteien ist auf der Blockchain nur noch der kombinierte öffentliche Schlüssel der Nutzer sichtbar. Dies soll die Privatsphäre und Sicherheit erhöhen, bringt aber auch gewisse Transparenzeinbußen mit sich. Vor allem verhilft die Neuerung der Blockchain zu einer höheren Effizienz, reduziert den benötigten Speicherplatz und damit auch die Transaktionsgebühren.
Die Umstellung war bereits seit Januar 2018 im Gespräch, im Juni 2021 nahmen die auf der Blockchain aktiven Miner die Änderung an. Taproot löste dabei weitaus weniger kontroverse Diskussionen innerhalb der Krypto-Szene aus als das vorherige große Upgrade „Segregated Witness“, das im Jahr 2017 eingespielt worden war. Damals war ein Streit darüber ausgebrochen, ob Bitcoin größere Datenblöcke braucht, um leistungsfähiger zu sein – letztendlich kam es zu einer Spaltung der Blockchain und der Einführung von Bitcoin Cash. Dass Taproot nun weitgehend ruckelfrei startete, werten Marktbeobachter angesichts dieser Historie als positives Zeichen.
Spekulation um Kurseffekte
Auf konkurrierenden Blockchains kommen Upgrades häufiger vor. Während Bitcoin-Befürworter dies als Zeichen werten, dass die Entwickler auf ihrem präferierten Netzwerk methodischer arbeiten, befürchten andere Marktteilnehmer, dass die älteste Cyberdevise aufgrund ihrer rigiden Natur den Anschluss verliert. In den Monaten vor dem Upgrade hatten Spekulationen darüber die Runde gemacht, dass Ether nach Marktkapitalisierung mittelfristig an Bitcoin vorbeiziehen könnte. Denn Ethereum ist nicht nur Platzhirsch bei Smart Contracts, sondern verfügt auch über den energieeffizienteren Konsensmechanismus als Bitcoin. Nun geben Trader jedoch schon wieder Prognosen ab, laut denen die älteste Kryptowährung ihr bisheriges Rekordhoch von knapp 69000 Dollar infolge des Upgrades bald weit hinter sich lassen könnte.
Im unmittelbaren Nachgang blieb der Auftrieb aber aus. Laut Marktanalyst Craig Erlam vom Online-Devisenmakler Oanda dürfte dies daran gelegen haben, dass das Blockchain-Upgrade aufgrund der langen Vorlaufzeit bereits stark eingepreist gewesen ist. Überhaupt muss sich erst zeigen, inwieweit Bitcoin tatsächlich für den DeFi-Trend genutzt wird. Denn nun müssen laut Entwicklern erst einmal entsprechende dezentrale Apps aufgesetzt werden – und selbst dann verfügt Ethereum noch über einen First-Mover-Vorteil.
Zuletzt erschienen:
„Die Debatte dreht sich um Stablecoins“ (11. November)
Große, weite Blockchain-Welt (3. November)