Blue Economy noch eine Nische
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Ozeane sind das größte Ökosystem der Erde. Die Meere sind Hauptnahrungsquelle für fast die Hälfte der Weltbevölkerung. Wasser und Küsten sind aber auch ein großer Wirtschaftsraum. Branchen wie Schifffahrt, Fischerei, Aquakultur und Küstentourismus hängen davon ab. Mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von schätzungsweise 2,5 Bill Dollar, so die Organisation WWF. Das entspricht in etwa dem BIP von Frankreich als der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt. Das Volumen der Meereswirtschaft zieht zunehmend Investoren an.
Das Interesse der Kapitalmärkte kann jedoch zu Umweltrisiken und Verlusten an natürlichem Kapital führen, wodurch die Ressourcenbasis der Ozeane ausgehöhlt wird. Finanzinstitute werden sich daher immer mehr bewusst, dass ihre Aktivitäten einen erheblichen Einfluss auf die Ozeane haben.
Nachhaltigkeit entscheidend
Finanzinstitute stellen die Kredite, Investitionen und Versicherungen bereit für den Betrieb von Schifffahrt, Fischerei, Küstentourismus und erneuerbarer Meeresenergie. Indem sie nachhaltige Kriterien in ihre Entscheidungen einbeziehen, hat der Finanzsektor eine große Chance, die Meeresindustrie in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Für institutionelle Investoren und private Anleger kommen immer mehr ESG-Produkte auf den Markt, um in die Blue Economy zu investieren.
Ausgangspunkt für die ersten Fonds waren supranationale Initiativen in Zusammenarbeiten mit Umweltschutzorganisationen. Vor vier Jahren wurde von der Europäischen Kommission, dem WWF, dem World Resources Institute und der Europäischen Investitionsbank (EIB) ein Rahmen für die Finanzierung einer nachhaltigen Meereswirtschaft entwickelt.
Die EU hat in Absprache mit Finanzinstituten Grundsätze ausgearbeitet, die insbesondere auf die Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) abstellen. Der Katalog der SDG wird in der Finanzbranche mittlerweile vielfach bei der Entwicklung von Anlageprodukten genutzt. Bei Investments in die Meereswirtschaft geht es an erster Stelle um das Ziel 14 (Leben unter Wasser). Die EU unterstützt darüber hinaus die Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI) als Gastgeber der Finanzinitiative für eine nachhaltige blaue Wirtschaft.
Zusammenarbeit mit WWF
Zu den jüngsten Themenfonds zählt der DWS Concept ESG Blue Economy. Mit dem Aktienfonds der Fondstochter der Deutschen Bank soll das enorme Potenzial des Themas genutzt werden. Der WWF hat den globalen Wert der meeresbezogenen Vermögenswerte auf rund 24Bill. Dollar beziffert. „Durch die Umlenkung der Kapitalflüsse in nachhaltige Geschäftsmodelle hat die Finanzindustrie einen enormen Hebel, den sie zum Schutz unseres Planeten einsetzen kann“, sagt Parisa Shahyari, Ökonomin beim WWF. Sie weist darauf hin, dass durch den Einsatz der Meeresschutzkriterien bei den Unternehmen die Transition der meeresnahen Industrien in Richtung Nachhaltigkeit forciert werden könne. Die Umweltorganisation ist Partner bei dem Fonds.
Die DWS investiert in Unternehmen, mit deren Hilfe die Blue Economy nachhaltiger werden kann. „Im Fokus stehen aber auch Unternehmen, die den Ozean als Ressource nutzen und bereits mit der Transformation ihrer Geschäftsmodelle begonnen haben oder ihre Bereitschaft nachweisen, in Zukunft nachhaltiger agieren zu wollen“, erklärt Fondsmanager Paul Buchwitz.
Zu den Top-Werten im DWS-Fonds zählt Koninklijke DSM. Das Unternehmen wurde von Sustainalytics als führendes Unternehmen im Bereich ESG in der chemischen Industrie bewertet. Zu DSM gehört Ocean Nutrition Canada, ein Anbieter von hochwertigen maritimbasierten Naturprodukten. Die zweitgrößte Position ist Xylem, ein US-Unternehmen im Bereich der Wasseraufbereitung.
Index mit 50 Aktien
Der ETF-Anbieter BNP Paribas begründet ein Investment in das Segment so: „Wer nach den Kriterien der Nachhaltigkeit anlegen möchte, sollte auch die Farbe Blau auf dem Schirm haben.“ Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hätten die Meeresaktivitäten – Tourismus, Energieerzeugung, Aquakultur, Seeverkehr – rapide zugenommen. Bei der Auswahl der Aktien für den BNP Paribas Easy ECPI Global ESG Blue Economy ETF sei wichtig, dass maritime Geschäftsmodelle, ob traditionell (Fischerei, Hafenaktivitäten) oder innovativ (Biotechnologien), das empfindliche Gleichgewicht der Ozeane im Blick zu behalten.
In den zugrundliegenden Index werden 50 Unternehmen aufgenommen, die sich in Bereichen Schutz der Küsten, Energie und Ressourcen, Fischerei und Meeresfrüchte, Verringerung der Umweltverschmutzung sowie Seeverkehr als besonders ESG-orientiert hervortun.
Weitere Kriterien sind die größte Marktkapitalisierung innerhalb der Kategorie sowie die Einhaltung der Prinzipien des UN Global Compact, was etliche schmutzige Branchen ausschließt. Zu den Aktien im Index zählt beispielsweise das Seefracht-Logistikunternehmen SITC International Holdings.
Schon länger am Markt ist der Althelia Sustainable Ocean Fund. Der Fonds ermögliche es, mit der Unterstützung von Investoren große Umweltprobleme der Meere durch gezielte Impact-Investitionen anzugehen, erläutert Simon Dent, Leiter des Bereichs Blue Investments bei Mirova Natural Capital. Mirova ist eine auf Nachhaltigkeit spezialisierte Boutique von Natixis Investment Managers.
Der inzwischen geschlossene Sustainable Ocean Fund stellt Unternehmen, die die natürlichen Ressourcen der Meere nutzen, Wachstumskapital zur Verfügung. Der Fonds investiert zum Beispiel in Firmen, die unter anderem küstennahe Ökosysteme wie Fischerei und Aquakultur nachhaltiger machen. Das gemischte Portfolio besteht aus Unternehmen in den Bereichen nachhaltige Meeresfrüchte, Kreislaufwirtschaft und Naturschutz. Zielregionen sind insbesondere Lateinamerika und der karibische Raum.
EIB und KfW als Investoren
Der Beteiligungsfonds profitiert von Investitionen staatlicher Institutionen. Der Europäische Investitionsfonds, der zur EIB gehört, hat sich mit 20 Mill. Dollar beteiligt. Die KfW ist mit 50 Mill. Dollar investiert. Der Fonds wurde mittlerweile bei 132 Mill. Dollar geschlossen – gemessen am Volumen der Blue Economy keine große Summe.