Brasiliens Finanzmärkte stürzen ab

Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Temer - Bovespa büßt zeitweilig 10 Prozent ein - Real sehr schwach

Brasiliens Finanzmärkte stürzen ab

Der sich stark zuspitzende Korruptionsskandal in Brasilien hat die Finanzmärkte des Landes abstürzen lassen. Der Börsenindex Bovespa brach um bis zu 10,5 % ein, die Landeswährung Real um mehr als 7 %ku Frankfurt – Der sich zu einem politischen Erdbeben ausweitende Korruptionsskandal in der brasilianischen Regierung hat gestern zu erdrutschartigen Verlusten an den Kapitalmärkten des Landes geführt. Die brasilianische Währung Real brach um bis zu 7,9 % auf 3,385 Real je Dollar ein. Der Leitindex der Börse in Sao Paulo stürzte um bis zu 10,5 % auf 60 315 Punkte ab.An der Börse von Sao Paulo wurde der Handel eingestellt, nachdem der Leitindex Bovespa seinen höchstzulässigen Tagesverlust von 10 % erreicht hatte. Der Index büßte am Donnerstag damit zeitweise seinen gesamten Jahresgewinn ein. Die Futures auf den Real brachen um 6 % ein, was ebenfalls eine Handelsunterbrechung auslöste.Nachdem der Korruptionsskandal um den brasilianischen Ölkonzern Petrobras, den Baukonzern Odebrecht und den weltweit größten Fleischproduzenten JBS bereits acht Minister der Regierung das Amt gekostet hat, wird nun erstmals auch der amtierende Präsident Michel Temer persönlich belastet. Das Nachrichtenportal O’Globo präsentierte die Tonaufzeichnung eines Treffens Temers mit den Brüdern Joesley und Wesley Batista, Großaktionäre und Spitzenmanager von JBS. In dem Gespräch soll Temer Schmiergeldzahlungen an den früheren Parlamentspräsidenten und Abgeordneten Eduardo Cunha angewiesen haben, der mittlerweile im Gefängnis einsitzt.In einer ersten Reaktion hat Temer einen Rücktritt kategorisch ausgeschlossen. Er sprach von einer Verschwörung. Das Oberste Gericht suspendierte zwei wichtige Verbündete Temers hinsichtlich ihrer politischen Ämter. Einer der beiden Politiker, der Senator Aécio Neves, hat laut einem ebenfalls veröffentlichten Tonbandmitschnitt von den Batista-Brüdern angeblich Schmiergeldzahlungen von 640 000 Dollar verlangt. Suspendiert wurde auch der Unterhausabgeordnete und Temer-Verbündete Rodrigo Rocha Loures, der von JBS für die Hilfe bei der Lösung eines Problems mit dem Kartellamt über Zahlungen von 160 000 Dollar pro Woche für die Dauer von 20 Jahren verhandelt haben soll.Die Regierung Temer ist nach einem stark umstrittenen Amtsenthebungsverfahren gegen die frühere Präsidentin Dilma Rousseff im August 2016 ohne Wahlen an die Macht gekommen und ist in der Bevölkerung wegen der Streichung zahlreicher Sozialleistungen und einer Rentenreform äußerst unbeliebt. Die Maßnahmen sollen das in einer tiefen Wirtschaftskrise steckende Land zurück zu konjunkturellem Wachstum bringen, haben aber bislang die Lage eher verschärft.Erdrutschartige Verluste gab es bei wichtigen brasilianischen Blue Chips. So stürzte der Kurs des Versorgers Cemig unmittelbar nach Handelsbeginn um 42 % ab. Die Aktie des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras verbilligte sich zeitweise um 20 % und der Finanzwert Itaú Unibanco krachte um 19 % ein. Banco Bradesco verzeichnete einen Absturz um 18 % und Banco do Brasil gaben ebenfalls um 18 % nach. JBS verloren 15 %.Die Rendite der vor drei Jahren begebenen 1 Mrd. Euro schweren Staatsanleihe Brasiliens mit Fälligkeit per 2021 stieg auf ihren bisher höchsten Stand. Die Notierung einer Dollar-Anleihe per 2045 sackte um 4,3 US-Cent auf 86,43 Cent je Dollar Nennwert ab. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen (CDS) sprangen um 68 Basispunkte (BP) auf 274 BP und damit auf den höchsten Stand seit Januar. Die Analysten der US-Bank J.P. Morgan haben brasilianische Aktien von “Buy” auf “Neutral” herabgestuft. Ihrer Ansicht nach sind die von der aktuellen Regierung begonnenen Reformen gefährdet, wenn Temer nun persönlich in den Bestechungsskandal verwickelt ist.Marcelo Assalin von NN Investments sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, der Ausverkauf sei übertrieben, weil viele große Investoren über Nacht auf dem falschen Fuß erwischt worden seien. Der Ausblick für die brasilianischen Kapitalmärkte hänge nun davon ab, wie schnell es zu einer institutionellen Lösung der Krise komme. “Es hängt alles davon ab, was in den nächsten Tagen geschieht”, warnte er.Per Hammarlund, Chief Emerging Market Strategist der Skandinaviska Enskilda Banken, merkte an, die Lage könne noch sehr unangenehm werden. Wenn die Präsidentschaft Temers zu Ende gehe, sei es die beste Option für die Märkte, wenn die Abgeordneten rasch einen neuen Regierungschef bestimmten. Neuwahlen hingegen könnten Chaos auslösen und dafür sorgen, dass der Bovespa um insgesamt 50 % einbreche.