China hält Marktturbulenzen noch in Schach
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Die massive Marktunruhe rund um die Gefahr eines Zusammenbruchs des chinesischen Immobilienriesen China Evergrande hat sich am Mittwoch zumindest auf chinesischer Seite etwas gelegt. Eine neuerliche Intervention der Zentralbank mit überraschend hohen Liquiditätseinschüssen am Geldmarkt dämpft die Sorgen über breite Ansteckungsgefahren einer Evergrande-Pleite für den chinesischen Bankenmarkt. Gleichzeitig besänftigt eine Mitteilung des gewaltig überschuldeten Immobilienentwicklers, der zufolge ein Kompromiss mit Bondinvestoren getroffen worden ist. Dies soll verhindern, dass es bereits am Donnerstag für einen Kupontermin zu einem förmlichen Zahlungsausfall (Default) kommen wird.
PBOC springt wieder ein
Die People’s Bank of China (PBOC) ließ am Mittwoch über Repo-Geschäfte 120 Mrd. Yuan (rund 15,7 Mrd. Euro) an Liquidität in den Interbankenmarkt einschießen. Am vergangenen Freitag war es bereits zu einer vergleichbaren Mittelinjektion über 100 Mrd. Yuan gekommen. Dies gilt als eine Art vorbeugende Maßnahme, um zu verhindern, dass die Liquiditätsnöte bei Evergrande nicht auch den Interbankenmarkt verspannen und ernstere Störungen im Kreditkreislauf auslösen. Es gibt Anzeichen dafür, dass chinesische Kreditinstitute Liquidität horten, um sich auf das „Worst-Case-Szenario“ eines Evergrande-Konkurses mit einem Totalausfall von Krediten und Anleihen vorzubereiten.
Was die Gefahren für Bondanleger bei Evergrande angeht, gibt es zwar noch längst keine Entwarnung, wohl aber ein Entlastungsmanöver zur Verhinderung eines unmittelbaren Zahlungsausfalls, das sich positiv auf das Marktsentiment auswirken dürfte. In einer kryptisch formulierten Mitteilung erklärte Evergrande, dass es zu einer Lösung für eine am Donnerstag anstehende Zinszahlung auf Yuan-denominierte Evergrande-Anleihen gekommen sei. Davon sind Titel im Wert von umgerechnet 618 Mill. Dollar (520 Mill. Euro) betroffen, während die Höhe der Zinszahlung selber unklar blieb, aber auf rund 36 Mill. Dollar veranschlagt wird.
Default umgangen
Evergrande betont, dass eine Vereinbarung außerhalb des Bondclearing-Mechanismus, über den die Anleihebedienung im Regelfall läuft, erreicht wurde. Solche Kompromisse, sieht man des Öfteren bei auf dem chinesischen Festland begebenen Bonds. Entscheidend ist dabei, dass zunächst ein förmlicher Default-Event mit entsprechenden Marktkonsequenzen verhindert wird. Bondanalysten drückten am Mittwoch jedenfalls Zuversicht aus, dass es Evergrande weiter gelingen könnte, sich über die nächsten Zahlungstermine hinweg zu retten und einen größeren Knall am Bondmarkt verhindern. Unklar blieb dennoch, wie Evergrande am Donnerstag hinsichtlich einer Kuponzahlung für Dollar-Titel über knapp 84 Mill. Dollar verfahren wird. In diesem Jahr steht Evergrande noch vor 15 Zinskuponterminen, für die 850 Mill. Dollar aufgebracht werden müssen. Im kommenden Jahr sieht sich Evergrande dann der gewaltigen Herausforderung von Tilgungen für Dollar- und Yuan-Bonds über insgesamt 7,4Mrd. Dollar gegenüber (siehe Grafik).
Die Unsicherheit über die Überlebenschancen des zweitgrößten chinesischen Immobilienentwicklers hatte in den letzten Tagen weltweit für Marktunruhe gesorgt. Da Chinas Festlandbörsen jedoch Montag und Dienstag wegen einer Feiertagspause geschlossen hatten, war am Mittwoch mit der Entladung einer aufgestauten negativen Marktreaktion zu rechnen. Tatsächlich fiel der Blue-Chip-Index CSI 300 am Mittwoch zunächst um knapp 2% zurück, um sich dann nach Bekanntwerden der Zentralbankaktion wie auch des Evergrande-Bondkompromisses allerdings wieder zu erholen. Zwar blieb beim CSI 300 letztlich noch ein Tagesverlust von 0,7% hängen, der breitere Leitindex Shanghai Composite legte indes leicht um 0,4% zu.
Hongkong härter erwischt
Während die Festlandbörsen wieder in Aktion waren, hatte die Hongkonger Börse, an der die Aktien von Evergrande sowie zahlreicher anderer großer Immobilienentwickler notieren, ihrerseits am Mittwoch wegen eines Feiertags geschlossen, was ein Gesamtbild zum Marktgeschehen erschwert. Zu Wochenbeginn allerdings hatte die Evergrande-Problematik eine Abverkaufswelle bei chinesischen Banken- und Immobilienwerten in Hongkong ausgelöst, die den Leitindex Hang Seng um 4% einbüßen ließ. Damit wurde auch ein Jahrestief bei 24099 Punkten markiert.
Seit Jahresbeginn hat der zuvor im Juli und August von einer scharfen Abverkaufswelle bei chinesischen Technologiewerten getroffene Hang-Seng-Index knapp 12% abgegeben. Der Rückstand zum Allzeithoch bei 31183 Punkten Mitte Februar beträgt nunmehr 22%, markiert also das Abrutschen in das sogenannte Bärenmarkt-Territorium. Demgegenüber hat sich das Blue-Chip-Barometer des Festlands etwas robuster gezeigt, so verlor der CSI im bisherigen Jahresverlauf 8,5% und seit dem Februarhoch etwa 18%.