Bedeutungsverlust bei weltweiten Indizes

Chinas Aktienuniversum im Schrumpfmodus

Die schier endlose Durststrecke an chinesischen Börsen lässt nicht nur die heimischen Anleger resignieren. Auch in globalen Portefeuilles spielen China-Aktien eine schwindende Rolle. Im MSCI Emerging Markets Index kommen Indien und Taiwan bereits auf ein annähernd hohes Gewicht wie Chinas Festlandaktien.

Chinas Aktienuniversum im Schrumpfmodus

Chinas Aktienuniversum im Schrumpfmodus  

Performance-Misere schlägt Anleger in die Flucht – Indien und Taiwan holen im MSCI Emerging Markets Index mächtig auf – Peking mit Verschleierungstaktik

Die schier endlose Durststrecke an chinesischen Börsen lässt nicht nur die heimischen Anleger resignieren. Auch in globalen Portefeuilles spielen China-Aktien eine schwindende Rolle. Im MSCI Emerging Markets Index kommen Indien und Taiwan bereits auf ein annähernd hohes Gewicht wie Chinas Festlandaktien.

Die Jahre mit negativer Performance bei chinesischen Festlandaktien reihen sich wie an einer Perlenschnur aneinander. Auch in diesem Jahr gibt es wenig Hoffnung, dass sich die Leitindizes endlich einmal kräftig aufbäumen und verlorenes Terrain gut machen. Das Gros der Kleinanleger sieht weder ein Auskommen im einstmals mit Begeisterung angegangenen „Stockpicking“, noch in der von regierungsseitigen Kampagnen umworbenen Anlage in Publikumsfonds. Für betuchtere Investoren gilt, dass sie ihre Wetten derzeit lieber im Bondmarkt platzieren, oder die von Peking knapp gehaltenen Zugangskanäle zu ausländischen Aktieninvestments nutzen. Zuletzt standen dabei insbesondere japanische Aktien hoch in der Gunst.

Schwaches Handelsaufkommen

Zum Kummer der Pekinger Regierung verliert die Aktienanlage bei privaten wie auch institutionellen Investoren an Bedeutung. Die durchschnittlichen Handelsumsätze an den Börsen in Schanghai und Shenzhen sind im Sommer wieder auf ein Vierjahrestief abgerutscht. Der Benchmark-Index CSI 300 liegt wieder mehr als 10% hinter seinem Jahreshoch von Mitte Mai zurück. Auch für das Kalenderjahr ist man mittlerweile leicht im Minus. Die einschlägigen Prognosen hatten fest vorweggenommen, dass dem CSI 300 nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit Wertverlusten in 2024 eine kräftige Erholung mit einem Zuwachs der Kurse um 15 bis 20% vergönnt sein sollte. Allerdings sind die konjunkturellen Voraussetzungen für eine längere Rally schlicht nicht gegeben.

Konsumkonjunktur belastet

Gerade für ausländische Anleger, deren Portefeuille in der Regel eine Schlagseite bei konsumverwandten Werten aufweisen, gibt es wenig Anlass zum breiteren Wiedereinstieg. Die Quartalsaison bestätigt gerade aufs Neue, dass sich die Erträge noch nicht auf der Erholungsspur befinden, Vielmehr zeichnet sich die Fortsetzung einer denkbar zähen Konsumkonjunktur ab, für deren Belebung die tradierten Stimulierungskonzepte der Regierung nicht taugen.

Selbst Moutai enttäuscht

Mittlerweile enttäuschen auch vormals besonders verlässliche Ankerwerte für internationale Investoren, wie der Spirituosenriese Kweichow Moutai. Der Hersteller des sündhaft teuren „Nationalschnaps“ Moutai, wusste auch in konjunkturell schwachen Zeiten stets zu überzeugen. In diesem Jahr ist die Erfolgssträhne allerdings in Gefahr, denn selbst dem Margen-Champion Moutai droht ein Abbröckeln der sonst so preisunelastischen Nachfrage. Die Moutai-Aktie hat in diesem Jahr bereits 17% eingebüßt.

„Ex-China-Strategie“

Mit der veränderten Dynamik und Risikokonstellation im chinesischen Markt verbinden sich Anpassungen von vorsichtsbetonten Investoren, wie etwa nordamerikanischen Pensionsfonds. Sie wollen sich zwar unverändert aktiv in Schwellenländern engagieren, stellen jedoch die China-Komponente weiter auf den Prüfstand. US-Analysten sprechen davon, dass der „Opportunity Set“ der Zukunft auf eine „Ex-China-Anlagestrategie“ hinauslaufen könnte. Zum Teil mag die China-Skepsis auch mit politischen Strömungen in den USA zusammenhängen, aber es gibt auch andere Gründe für eine Reorientierung.

TSMC macht sich breit

Passive Investoren, die ihre Portfoliostruktur an der führenden Benchmark MSCI Emerging Market Index ausrichten, sind mittlerweile zwangsläufig weniger in Festlandaktien positioniert und weisen eine steigende Indien- wie auch Taiwan-Komponente auf. Die kräftige Rally an Indiens Aktienmarkt und die gewaltige Hausse bei Chiptechnologiefirmen, allen voran beim Weltmarktführer Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp (TSMC), finden ihren Niederschlag.

Starker „Gewichtsschwund“

Vor der Pandemie haben Chinas Festlandaktien in der Spitze rund 40% des Index ausgemacht. In den letzten drei Jahren aber hat sich der Anteil nämlich rapide verringert. Die zur Jahresmitte 2021 noch bei knapp 35% liegende China-Quote ist zuletzt auf 22,8% gesunken. Die Indien-Gewichtung hat sich im gleichen Zeitraum von 9,9 auf 19,2% fast verdoppelt. Auch der vermeintliche Zwerg Taiwan holt immer weiter auf und liegt nun bei 19,3%. Bei Extrapolation des Trends dürften bis Ende dieses Jahres China, Indien und Taiwan praktisch gleichgewichtige asiatische Investmentpole im wichtigsten Schwellenländerindex abgeben.  

Anfang September dürfte die China-Komponente weiter zurückgehen. Der Indexbetreiber MSCI hat im Rahmen seiner vierteljährlichen Anpassungen des Index in diesem Jahr eine stramme Bereinigungsaktion lanciert, mit der Dutzende von Festlandunternehmen aus dem MSCI-China-Universum verschwinden.

Rauswurf aus MSCI China

Im Februar wurde ein erster großer Schwapp von 66 Werten verabschiedet, darunter eine Reihe weiterer Immobilienentwickler, aber auch staatliche Großunternehmen wie die Fluggesellschaft China Southern. Ende Mai verschwanden 56 Aktien aus dem MSCI China und bei der neuen Anpassung, die zum Augustende wirksam wird, sind es nochmals 60 Unternehmen, die herausgekickt werden.

Nettoabfluss wird verschleiert

Die MSCI-Veränderungen für sich genommen stellen in der Regel zwar keine größere Belastung für den Gesamtmarkt dar, allerdings reagieren Festlandinvestoren auf Signale, die sich mit einem Rückzug von internationalen Investoren verbindet. Seit der Einführung des Hongkong Stock Connect System, mit dem ausländische Konten via Hongkong einen probaten Zugang zu Festlandaktien finden, sah man stets positiven Nettozuflüsse von ausländischen Geldern. In diesem Jahr aber hat sich das Blatt gewendet. In der ersten Jahreshälfte sah man einen Mittelabzug, der Trend dürfte sich verstärken.

Intransparenz als Masche

Chinas Regierung will das Signal für einen Vertrauensentzug seitens ausländischer Investoren verschleiern, weil man fürchtet, dass es den Pessimismus der heimischen Anleger verstärkt. Seit Augustmitte werden die Stock-Connect-Daten nicht mehr gezeigt. Sie erleiden das gleiche wie Schicksal wie zahlreiche andere Wirtschaftsdaten, die aus Pekinger Sicht ungünstig laufen. Intransparenz ist oberstes Gebot, eine Masche, die wohl nicht dazu beiträgt, verstärkten Tatendrang bei internationalen Investoren zu wecken.

Von Norbert Hellmann, Schanghai
BZ+
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