Chinas Bondrenditen gehen auf Tauchstation
Chinas Bondrenditen auf Tauchstation
Historische Rally nimmt weiter an Fahrt auf – Rekordtief bei Benchmark-Renditen – Gewaltiger Abstand zu US-Treasuries
An Chinas Staatsanleihenmarkt bekommen die Bullen immer weiter Oberhand. Dies treibt die Benchmark-Renditen für langfristige Bondtitel auf Niedrigstände unterhalb von 2%, wie man sie im Reich der Mitte noch nie gekannt hat. Damit verbinden sich auch ein rekordhohes Renditegefälle der China-Papiere zu US-Treasuries.
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Chinas aufsehenerregende Bondmarkt-Rally hat mit den jüngsten Stimulus-Versprechen der chinesischen Regierung nochmals kräftig an Fahrt aufgenommen. Im liquidesten Segment der zehnjährigen Regierungsbonds ist die Rendite erstmals unter die Marke von 1,8% gegangen und markierte Intraday ein Rekordtief bei 1,72%. Zuletzt lag man bei 1,77%. Auch bei den 30jährigen Titeln hat sich die Talfahrt zügig verstärkt. Zur Wochenmitte wurde wenn auch nur kurzzeitig die Marke von 2% geringfügig unterschritten.
Zinssenkungsphantasie
Nach der jährlichen Dezember-Wirtschaftsplanungskonferenz signalisiert die Staatsführung verstärkte Bereitschaft zu monetärer Lockerung und fördert konkrete Zinssenkungserwartungen. Zu fiskalischen Impulsen jedoch gibt nur vage Andeutungen, mit denen die Konjunkturskepsis der Markteilnehmer weiter zunimmt.
Während die Zinssenkungsrunde zu Septemberende die von Peking intendierte Wirkung eines gewaltigen Schubes am Aktienmarkt zeigte, haben die neuen Stimulus-Signale andere Wirkung erzielt. Statt neuem Börsenelan und Wiederaufnahme der Aktienhausse verstärkt sich nun der Drang zu den sicheren Werten. Institutionelle und private Investoren sehen am Markt für Regierungsanleihen den Risiko-Rendite-Sweetspot und heizen die Bondrally weiter an.
Blickrichtung 1%
Die Prognosen zum weiteren Renditetrend zeigen eindeutig weiter nach unten. Im Laufe des ersten Quartals könnte sich je nach Ausmaß der bislang signalisierten Zinssenkungsschritte in China ein neues Niveau bei 1,5 bis 1,6% einpendeln, heißt es bei chinesischen Händlern. In einem Extremszenario halten manche Marktteilnehmer gar die Tuchfühlung mit der 1-Prozent-Marke für denkbar.
Gemischte Gefühle
Peking sieht dem Treiben am Bondmarkt mit äußerst gemischten Gefühlen zu. Auf der einen Seite können niedrige Zinsen auf verschiedenen Ebenen des Wirtschaftsgefüges als konjunkturelle Unterstützung verstanden werden. Dies gilt insbesondere bei der Refinanzierung von hochverschuldeten Lokalregierungsinstanzen, denen eine niedrigere Zinsbelastung für ihre Anleihetitel sehr zugutekommt.
Andererseits befürchtet man, dass die Banken als wichtigste Teilnehmer im Bondhandel von der Zentralbank geschaffene Liquiditätsspielräume vor allem für einseitige Wetten im Anleihemarkt nutzen. Damit tragen monetäre Lockerungsimpulse weniger zur gewünschten Ankurbelung der Kreditvergabeaktivität bei.
PBOC versucht zu bremsen
Verbale Interventionen der Zentralbank, die dem Treiben am Bondmarkt schon im gesamten Verlauf des Jahres mit einiger Missgunst zusieht, vermögen kaum einen Unterschied zu machen. Erneut schickt die People’s Bank of China (PBOC) eine Warnung an die Adresse der Banken los und forderte sie auf, verstärkt auf Risikokontrolle zu achten. Mit dem Hut des Finanzstabilitätswächters sorgt sich die PBOC, dass in dem untypisch aufgeheizten Bondhandel eine rasche Wende die Institute auf falschen Fuß erwischt und Fristentransformationsrisiken aussetzt.
Zwar hat sich die PBOC erstmals in ihrer Geschichte über Leihgeschäfte mit Primärhändlern dafür gewappnet, auch selber indirekt in den Bondmarkthandel einzugreifen. Die Notenbank scheut sich allerdings vor offensichtlichen Interventionen, die in angeheizten Phasen der Rally wenig bewirken zu scheinen und ihr einen impliziten Autoritätsverlust bescheren könnten.
Zögerliche Fed
Sorge bereitet dem Währungshüter auch das extrem gewachsene und historisch höchst ungewöhnliche Renditegefälle zwischen chinesischen Staatsanleihen und US-Treasury-Papieren in den Laufzeiten zehn und 30 Jahre. Die Differenz ist im Herbst erstmals auf über 2,5 Prozentpunkte gewachsen. Nachdem sich die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) am Mittwoch in Sachen Fortsetzung des US-Zinssenkungskurses unerwartet zögerlich gezeigt hat, dürften die Renditen von Entwicklungen auf beiden Märkten zunächst weiter auseinanderdriften.
Kapitalabwanderung
Mit Blick auf die Dispositionen internationaler Anleger heißt das für China verstärkte Wachsamkeit in Sachen Kapitalabwanderungsgefahr. Eine breitere Verlagerung von institutionellen Geldern ist überdies mit Wechselkurserwartungen verbunden. Am Donnerstag stemmte sich die PBOC mit der Setzung des täglichen Referenzkurses vehementer gegen eine weitere Abschwächung des Yuan.
Yuan unter Druck
Seit dem Wahlgewinn von Donald Trump hat die chinesische Währung wieder kräftig an Boden gegenüber dem Dollar verloren und kratzt an der Marke von 7,3 Yuan je Dollar. Devisenmarktanalysten rechnen damit, dass das im vergangenen Jahr erreichte Langzeittief bei 7,35 Yuan schon bald überholt werden könnte. Die Prognosen für 2025 lassen eine Schwächung auf bis zu 7,5 Yuan je Dollar möglich erscheinen.