Chinas Tech-Rally gewinnt an Fahrt
Chinas Tech-Rally nimmt Fahrt auf
Deepseek zündet heimische KI-Fantasie – Hang Seng geht ins Bullen-Territorium – Ausländische Investoren horchen auf
Das chinesische KI-Modell Deepseek erweist sich als probates Aufputschmittel für die heimischen Börsen. Konjunktursorgen treten in den Hintergrund. Auch ausländische Investoren beißen an und steigern ihr China-Engagement. Chinas Staatsführung sorgt auf ihre Art dafür, dass die Rally weitere Nahrung erhält.
nh Schanghai
Chinas Aktienmärkte zeigen sich seit der Neujahrsfestpause Ende Januar in regelrechter Hochform. Bei den Sorgenthemen Konsumzurückhaltung, Immobilienmarktklemme und Handelsstreit mit den USA gibt es eigentlich keine Entwicklungen, die Anlass für gesteigerten Konjunkturoptimismus geben könnten. Das tritt jedoch völlig in den Hintergrund, weil der Überraschungserfolg des chinesischen Chatbot-Modells Deepseek ein heftiges Spekulationsfieber rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) nach sich zieht.
Neuer Stimmungsmacher
Chinas Anleger haben nicht lange gebraucht, um aus dem von Deepseek ausgelösten Vertrauensschub in Sachen heimischer Technologieführerschaft ein breiteres Anlagethema zu machen, das über einschlägige Sektor-Werte hinaus für gute Stimmung sorgt. Der Auftrieb macht sich insbesondere an der Hongkonger Börse bemerkbar.
Im Sog der Tech-Hausse ist der Leitindex Hang Seng ins Bullenterritorium übergewechselt und markiert bei knapp 23.000 Punkten ein Dreijahreshoch. Der Abstand zu einem Tief in der Januarmitte liegt nun bei 22%. Demgegenüber ist der von Tech-Werten relativ wenig beeinflusste Blue Chip-Index für die Festlandbörsen CSI 300 im selben Zeitraum allerdings nur um etwa 5% vorangekommen.
Hang Seng Tech rast hoch
Beim Hang Seng Tech-Index gibt es kein Halten mehr. Seit Januarmitte hat das Barometer um mehr als ein Drittel zugelegt. Das ist der zweite Riesensatz binnen sechs Monaten. Zu Herbstbeginn war der Hang Seng Tech im Zuge der von einer Pekinger Stimulierungsoffensive ausgelösten kurzen aber gewaltigen Hausse binnen einer Woche um rund 45% in die Höhe gerast.
Die chinesische Tech-Rally macht auf die zuvor von zäher Skepsis geprägten ausländischen Investoren gehörigen Eindruck und lässt neue Zuflüsse seitens globaler Fonds erwarten. Die hier maßgebliche Benchmark MSCI China Index ist seit der Nachricht vom Durchbruch bei Deepseek um gut 16% von 62,8 auf 73,1 Punkte geklettert.
Deutsche Bank zieht mit
Zu den Claqueuren in Sachen neuem Mut zum China-Investment zählen die Anlagestrategen der Deutschen Bank. Sie wähnen chinesische Innovationen rund um KI, Elektroautoindustrie und Robotik als Katalysator für ausländische Kapitalzuflüsse und befürworten eine stärkere Gewichtung von chinesischen Technologiewerten in globalen Portefeuilles. Auch Wall-Street-Banken sind „bullish“ gestimmt. Bei Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley sieht man Chancen für eine Wende in der Evaluierung chinesischer Aktien. Man rechnet mit einer Ansteckungswirkung in Sachen Konsumlaune und Abstützung von Unternehmensgewinnen durch eine neue Integrationswelle von KI-Produkten.
Fundamentales Fragezeichen
Es gibt freilich auch Gegenstimmen. Analysten bei Bloomberg Intelligence etwa werfen die ketzerische Frage auf, inwiefern der Coup von Deepseek und die Verwendung eines leistungsfähigen heimischen Chatbots tatsächlich dazu beitragen kann, Unternehmensgewinne fühlbar anzuschieben. In fundamentaler Hinsicht jedenfalls braucht es Indizien für eine angegliederte Belebung an der Konsumfront, um eine weiterführende Rally zu rechtfertigen.
Alibaba im Kursrausch
Größter Profiteur der Begeisterungswelle ist zweifelsohne Chinas führender E-Commerce-Betreiber Alibaba. Das Kerngeschäft mit Onlinehandelsplattformen wächst zwar nicht mehr in gewohnter Dynamik, doch traut man Alibaba bei KI und im Cloud-Geschäft neue Wachstumschancen zu. Dabei hilft eine neue Partnerschaft mit Apple. Alibaba wurde dazu auserkoren, das iPhone im chinesischen Markt mit KI-Funktionen zu rüsten. Der Ritterschlag beschert den Alibaba-Titeln zusätzliche Umdrehungen. Seit Januarmitte verbucht man ein Plus von mehr als 60%.
Präsidentenbonus
Am Dienstag bekam die Aktie nochmals Rückenwind. Der einst von Peking besonders hart angefasste und quasi geächtete Alibaba-Gründer Jack Ma durfte einem hochrangigen Stelldichein chinesischer Entrepreneurs mit dem Staatspräsidenten Xi Jinping im Rahmen einer Tech-Konferenz in Peking beiwohnen. Mit der gezielt getimten Veranstaltung versucht die chinesische Regierung, die Begeisterung an den Märkten weiter zu schüren. Das wird mit neuen Bekenntnissen zur breiteren Unterstützung des Privatsektors durch die Staatsführung untermalt. Eine solche Symbolik findet im chinesischen Analageuniversum starke Resonanz insbesondere, wenn sie den Präsidenten involviert.
Baidu im Rückstand
Für den bei KI-Programmen stark involvierten Tech-Konzern und Suchmaschinenbetreiber Baidu hat die Sache allerdings eine Kehrseite. Man wähnt die Gesellschaft im Wettbewerb mit Alibaba und anderen Branchengrößen wie Tencent und Bytedance etwas im Hintertreffen. Hinzu kommt, dass Baidu-Chef Robin Li beim Pekinger Treffen wohl nicht eingeladen war. Das lässt Marktteilnehmer darauf schließen, dass Baidu auch in der Staatsgunst zurückgefallen sein könnte. So bekam der Baidu-Kurs zu Wochenbeginn einen Dämpfer verpasst, der die Avancen seit Januarmitte auf nur noch 12% begrenzt.