Chinesischer Immobiliensektor auf Erholungskurs
Nachdem Chinas Regierung im ersten Anlauf mit ihrem Versuch gescheitert war, den Immobiliensektor zu stützen, haben die Behörden vor kurzem in einem zweiten Anlauf koordinierte Maßnahmen bekannt gegeben. Diesmal sind die Anstrengungen entschlossener und effektiver, und es zeigen sich bereits erste Anzeichen einer Erholung: So ist der IBXXAX-13-Index, der hochverzinsliche Dollar-Anleihen chinesischer Bauträger abbildet, seit der Ankündigung am 3. November von 72 Punkten um 100% auf 150 Punkte am 6. Dezember gestiegen.
Strenge Maßnahmen
Seit Ende 2020 hatte die chinesische Regierung strenge Maßnahmen zum Verschuldungsabbau im Immobiliensektor ergriffen, um eine Immobilienkrise wie 1992 in Japan und 2008 in den USA zu vermeiden. Daraufhin brachen Vertragsverkäufe und die Refinanzierung von Immobiliengesellschaften im zweiten Halbjahr 2021 ein und die meisten Bauträger, hauptsächlich Privatunternehmen, gerieten in eine Liquiditätskrise. Der prominenteste Fall war die Zahlungsunfähigkeit von Evergrande Ende 2021. Ab März 2022 versuchte die Regierung, ihre restriktive Politik wieder zu lockern, um einen weiteren Einbruch des Sektors oder ein Übergreifen auf andere Sektoren zu verhindern. Dies wurde allerdings durch die strengen Lockdowns in verschiedenen Regionen erschwert.
Die Maßnahmenpakete, die nun angekündigt wurden, sind wesentlich wirkungsvoller als frühere Regierungsmaßnahmen. Auch der Kontext hat sich geändert und die Botschaft ist deutlicher. So wurden die Maßnahmen im Anschluss an eine hochrangige Ausschusssitzung angekündigt, zu der Staatspräsident Xi Jinping geladen hatte. Das zeigt, dass die Regierung entschlossen ist, eine weitere Schwächung des Sektors zu verhindern.
Im Anschluss an den Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas erklärten die Regulierungsbehörden im Rahmen eines gemeinsamen Dokuments („Joint Policy Document Nr. 254“), ausgewählte Bauträger mit guter Unternehmensführung unterstützen zu wollen. Dazu sollen ausstehende kurzfristige Bankkredite mit Fälligkeit von bis zu sechs Monaten um bis zu ein Jahr verlängert werden. So werden die Bauträger in der Lage versetzt, verzögerte Projekte abzuschließen, was auch die Hauskäufer schützt.
In den folgenden Wochen legten die Regulierungsbehörden ein als „Drei Pfeile“ bekanntes Finanzprogramm auf, um den „überlebenden“ Unternehmen den Zugang zu Liquidität zu erleichtern. Zu den Maßnahmen gehören eine zinsfreie Darlehensfazilität für sechs staatliche Unternehmen (SOEs) zur Wiederaufnahme von auf Eis gelegten Wohnungsbauprojekten. Außerdem wurden strategische Kooperationen zwischen SOEs und großen Immobilienentwicklern zur Gewährung von Krediten in Höhe von mehr als 1,65 Bill. Renminbi (rund 223 Mrd. Euro) beschlossen. Die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde lockerte darüber hinaus die Eigenkapitalanforderungen für qualifizierte Immobilienentwickler, was die Wiederaufnahme von Fusionen und Übernahmen ermöglicht und die Entwickler dazu ermutigen soll, Infrastruktur-Real-Estate-Investment-Trusts (Reits) zu emittieren oder Vermögenswerte an bestehende börsennotierte Infrastruktur-Reits zu verkaufen.
Covid als Unsicherheitsfaktor
Die jüngste Rally zeigt den positiven Effekt auf die Stimmung. Der chinesische Immobiliensektor könnte sich stetig erholen und die Preise in Zukunft relativ stabil bleiben. Die Verkäufe müssen deutlich anziehen, was auch vom Appetit und der Kaufkraft der Immobilienkäufer abhängt. Der wichtigste Unsicherheitsfaktor war der Fortschritt bei der Lockerung der Null-Covid-Politik als Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche Erholung und auch für den Immobiliensektor. Die letzte Woche vom Staatsrat beschlossenen Maßnahmen zur weiteren Lockerung der strengen Covid-Politik des Landes stellen hier einen Wendepunkt für die Wirtschaft dar, die sich früher als erwartet erholen könnte, da die Marktteilnehmer mit einer allmählichen Wiedereröffnung erst im März 2023 gerechnet hatten. Obwohl wir in nächster Zeit sehen werden, ob die Zahl der Coronafälle steigt, bevor sie sich normalisiert, ist diese Entwicklung höchstwahrscheinlich irreversibel.
Tiefpunkt bald überstanden
Wir gehen davon aus, dass der Tiefpunkt der gegenwärtigen Immobilienkrise bald überstanden sein wird. Allerdings wird die Erholung des Immobiliensektors nur allmählich erfolgen und im Jahr 2023 eher einen L-förmigen Verlauf annehmen. Der Sektor wird sich zunächst stabilisieren und dann auf einem flachen, aber stabileren Niveau bleiben. Wir gehen nicht davon aus, dass die Vertragsverkäufe in naher Zukunft wieder auf den historischen Höchststand von 2021 steigen werden.
Wir erwarten vielmehr, dass die Wohnungsverkäufe im Jahr 2023 um weniger als 10% zurückgehen werden, nach einem Einbruch um 30% im Jahr 2022. Zeitgleich wird sich die Konsolidierung des Sektors beschleunigen, wobei der Marktanteil der staatlichen Unternehmen von derzeit 30 bis 40% auf 50 bis 70% steigen wird. Erschwinglichere Wohnungspreise in Verbindung mit einem nachhaltigen Verschuldungsniveau werden den Sektor widerstandsfähiger machen. Wir rechnen außerdem mit weiteren unterstützenden Maßnahmen bis zum Amtsantritt der neuen Regierung im März nächsten Jahres.
Vor diesem Hintergrund sehen wir weiterhin positive Aussichten für Anleihen aus dem chinesischen Immobiliensektor. Auf Sicht der nächsten zwölf Monate sind wir der Meinung, dass ausgewählte Emittenten aus dem Stressed- und Distressed-Segment auch nach der jüngsten starken Rally einen attraktiven Wert bieten.
Zuletzt erschienen:
Nicht alle Tech-Werte über einen Kamm scheren (255), Comgest
Inflationsschutz zu historisch niedrigen Bewertungen (254), Skagen
Die Märkte stecken inmitten einer Neuausrichtung (253), Credit Suisse
Entlastung, aber keine Entwarnung bei US-Inflation (252), Assenagon