InterviewWolfgang Fickus, Comgest

„Das konnte in dem Tempo nicht weitergehen“

Der Comgest-Spezialist Wolfgang Fickus ist weiter von den Schwergewichten Novo Nordisk und ASML überzeugt. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt der Experte, für welche Sektoren es aktuell nicht gut aussieht und welches Unternehmen ihm zuletzt viel Freude bereitet hat.

„Das konnte in dem Tempo nicht weitergehen“

Im Interview: Wolfgang Fickus

„Das konnte in dem Tempo nicht weitergehen“

Comgest-Experte setzt auf Compounder – China-Schwäche belastet Luxussektor – Schneider Electric und Novo Nordisk überzeugen

Der Comgest-Spezialist Wolfgang Fickus ist weiter von den Schwergewichten Novo Nordisk und ASML überzeugt. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt der Experte, für welche Sektoren es aktuell nicht gut aussieht und welches Unternehmen ihm zuletzt viel Freude bereitet hat.

Herr Fickus, Sie setzen am Aktienmarkt besonders auf Compounder. Welche Vorteile sehen Sie darin?

Wir haben einen Portfoliomanagementansatz, der versucht, Unternehmen zu finden, die sehr langfristig wachsen. Diese Titel sind konjunkturell und makrowirtschaftlich weniger anfällig. Natürlich haben auch sie eine gewisse Sensitivität, aber wenn man z.B. Diabetesmedikamente nimmt, ist es relativ egal, ob Harris oder Trump Präsident ist.

Also kein großer Handlungsbedarf nach diesen politisch bewegten Tagen?

Wir haben keine große Portfolioänderung gehabt. Ein bisschen schon, weil man immer frisches Blut haben muss. Wenn das Wachstum bei einem Unternehmen nachlässt, gehen wir raus. Was wir nach den US-Wahlen gesehen haben, ist, dass Unternehmen mit besonders starkem US-Exposure gut performt haben wie etwa Schneider Electric.

Sie setzen besonders auf europäische Schwergewichte. Da fallen mir aber auch einige Branchengrößen wie ASML oder Novo Nordisk ein, die im dritten Quartal bzw. im Sommer am Markt enttäuscht haben. Ist das eine Momentaufnahme, oder sollten Anleger sich Sorgen machen?

Novo Nordisk hat aus unserer Sicht nicht enttäuscht. Sie haben zwei Jahre hintereinander jedes Quartal mehr als 24% organisches Wachstum geliefert. Das ist sehr gut. Die Guidance wurde bestätigt.

Dennoch war die Marktreaktion nach den letzten Quartalszahlen enttäuschend.

Die erste Marktreaktion war ein Plus von 7%. Dann gibt es einen Conference Call, es fällt irgendeine Aussage zu 2025 und danach verliert die Aktie 6%. Zum Schluss ist die Aktie mit einem Plus aus dem Handel gegangen. Die Volatilität ist im Moment extrem hoch.

Sie setzen andere Schwerpunkte.

Wir gucken uns die Resultate an, hören ganz genau zu, wie das Management langfristig investiert. Bei einer Aktie wie der von Novo Nordisk, die nicht billig ist und bei der alle sehr hohe Erwartungen haben, sehen wir als langfristige Investoren fundamental keine Gründe zu sagen, da müssen wir jetzt irgendwie raus. Wir sind seit fast 20 Jahren investiert und sind bis jetzt zufrieden mit dem Investment.

Wie geht es dort weiter?

Bei der neuesten Generation an GLP1-Medikamenten geht es auch darum, wie stark die positiven Nebeneffekte auf Herz-Kreislauf-Probleme und Nierenprobleme sind. Das sind Krankheitsbilder, die oft zusammen mit Diabetes entstehen, und da sehen wir Novo Nordisk im Vorteil gegenüber Eli Lilly. In diesen Markt werden sicher noch weitere Wettbewerber kommen und das wird auch zu Preisverfall führen – wir gehen davon aus, dass GLP1-Medikamente jährlich 10 bis 15% im Preis nachlassen, damit es zum Massenmarkt wird. Das war im Markt für Insulin nicht anders. Aber für die nächsten fünf Jahre sehen wir das Duopol bei den Medikamenten von Eli Lilly und Novo Nordisk als gut gesichert an.

Wie sieht es bei ASML aus?

Bei ASML hat man die Guidance für 2025 angepasst. Die Konsenserwartungen waren sehr hoch. Wir waren selbst ein bisschen überrascht, dass die Aktie daraufhin 15% verlor. Es sieht für uns so aus, als ob TSMC immer mehr die Oberhand bekommt im Foundry-Markt und Intel und Samsung ein Stück weit abgehängt hat. Für ASML ist jetzt die Frage, wie schnell TSMC auf die neueste Generation von Maschinen, v.a. sogenannte EUV- und High-NA-Maschinen, umstellt.

Im Tech-Bereich hat man manchmal das Gefühl, dass die Erwartungen noch stärker in den Himmel gewachsen sind als die Kurse. Das konnte man zuletzt bei wirklich guten Quartalszahlen der Big-Tech-Konzerne sehen, die vom Markt nicht weiter gewürdigt wurden.

Bei so dynamisch wachsenden Unternehmen besteht immer die Gefahr, dass Investoren zu starke Wachstumsraten extrapolieren. Bei unseren Compounder-Unternehmen erwarten wir jedes Jahr hohe einstellige Zuwächse beim EPS (Earnings per Share, Anm. d. Redaktion). Compounder wie Novo Nordisk haben über die vergangenen 18 Jahre, d.h., seitdem wir sie halten, um die 16–17% EPS-Wachstum geliefert. Trotzdem muss man am Ball bleiben und, wenn die Bewertungen zu hochlaufen, ein bisschen Geld rausnehmen.

Einen Vorteil, den Sie bei den großen europäischen Unternehmen im Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants sehen, ist die größere Differenzierung.

Das stimmt. Ein weiterer Unterschied ist aber, dass Amerika viel stärker binnenorientiert ist. Es ist keine Exportnation. Das sieht für Europa anders ist. Dort haben wir eine sehr starke Export-Exposure. Wenn jetzt der Merkantilismus von Trump voll durchschlägt und Zölle aller Art erhoben werden, dann ist das für Europa eher eine Achillesferse.

Rechnen Sie denn damit, dass diese Strafzölle kommen? Was ist von der Präsidentschaft Trump 2.0 zu erwarten?

Die Republikaner haben im Senat und im House of Representatives die Macht. Salopp formuliert bedeutet das, dass Trump anders als vor acht Jahren ziemlich viel durchsetzen kann, vorausgesetzt, seine Partei steht hinter ihm. Wir haben in unserem Portfolio allerdings keine Exporteure wie zum Beispiel Automobilhersteller, die es bei Zöllen dann als Erstes treffen kann. Was Trump will, ist, dass Unternehmen, die in Amerika ihre Produkte verkaufen, auch in Amerika produzieren. Wir sehen uns da gut aufgestellt, aber Europa ist, was diese Handelsströme anbelangt, schon ein bisschen anfällig.

Wie beurteilen Sie den Luxussektor? Der Bereich ist lange sehr gut gelaufen, zeigt in diesem Jahr aber auch Schwächen, vielleicht einmal abgesehen von Hermès, das sich auf die Superreichen konzentriert.

Der Luxusgüter-Markt ist dank der chinesischen Mittelschicht sehr stark gewachsen. Das war der wesentliche Wachstumstreiber. Burberry hat zuletzt Verluste hinnehmen müssen, Hermès wächst weiter zweistellig und Louis Vuitton stagnieren im Moment. Wir haben uns Anfang letzten Jahres entschieden, Gewinne in Einzeltiteln mitzunehmen, weil sie zwischen 2019 und 2023 schon sehr stark zugelegt haben. Das konnte in dem Tempo nicht weitergehen. Aber wir sind schon ein bisschen überrascht worden, wie schnell sich alles abgeschwächt hat. Der chinesische Markt ist der Markt, in dem es im Moment am meisten hakt. Wenn man im Luxusbereich aber die Unternehmen hat, die die Spitze der Vermögenspyramide bedienen, wie Hermès oder Ferrari, dann ist man relativ sicher.

Da Sie China gerade ansprechen, wie schätzen Sie die Konjunkturstimuli der Regierung dort ein? Ist das nur ein Strohfeuer, oder geht es in China jetzt wieder aufwärts?

Natürlich sind diese Stimulus-Programme erstmal eine Erleichterung. Der Aktienmarkt hat so positiv darauf reagiert, weil er komplett überverkauft war. Bei Comgest setzen wir aber auf langfristige strukturelle Trends und nicht auf Konjunkturprogramme. Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob das jetzt der Wendepunkt ist.

Können Sie uns ein paar Namen nennen, die Sie im Portfolio haben? Oder Bereiche, von denen Sie sagen, da sehe ich in nächster Zeit Potenzial?

Wir versuchen mit unseren Aktien langfristige Megatrends abzubilden, die ein Rückenwind für das langfristige Gewinnwachstum sind. Was uns derzeit sehr viel Freude macht, ist Schneider Electric. Das ist ein Unternehmen, das sich über die letzten 20 Jahre auch durch Akquisitionen komplett neu aufgestellt hat. Schneider Electric ist ein Komplettanbieter für Energiemanagement und Industrieautomatisierung. Es begleitet Unternehmen bei der Dekarbonisierung großer Industrieanlagen und der Infrastruktur. Es bietet mit Software, Hardware und Consultingkompetenz alles, was solche Unternehmen auf ihrem Weg zur Dekarbonisierung benötigen. Außerdem kümmert sich Schneider Electric um die anspruchsvolle Infrastruktur von Hyperscalern, ein sehr dynamisch wachsender Markt. Schneider hat eine operative Profitabilität von 16% und wächst derzeit organisch mit 8%.

Und wer hat Ihnen noch viel Freude gemacht?

Über die letzten drei Jahre waren das Novo Nordisk und mit Abstrichen ASML. Wir haben schon über die kurzfristigen Probleme geredet. Letztlich sind es Unternehmen, die über drei, fünf oder zehn Jahre ganz erhebliche Performancebeiträge geliefert haben. Wir sind auch bei Novo Nordisk nach wie vor positiv, da Diabetes und Übergewichtigkeit zur Volkskrankheit geworden sind. Ein anderes Unternehmen, das stark performt hat, ist der Datenbankanbieter Reed Elsevier (börsennotiert als RELX Group, Anm. der Redaktion).

Was halten Sie von SAP, die im Dax mal wieder eine starke Rolle spielen?

SAP hatte lange Probleme. Unter dem alten Management mit McDermott haben wir unheimlich viele Akquisitionen gesehen. Viele Dinge wurden versprochen und zum Schluss nicht gehalten. Die Cloud Transition hat nicht funktioniert. Das wollte man zuerst mit eigener Infrastruktur machen, bevor man sich dazu entschieden hat, mit den großen Amerikanern zu arbeiten. Das derzeitige deutsche Management hat viele Baustellen erfolgreich in Angriff genommen. Von den Integratoren, die wirklich mit der Software arbeiten, bekommen wir gutes Feedback. Die Cloud Transition wird das Wachstumstempo noch für die nächsten vier, fünf Jahre treiben.

Blickt man auf die Aktienmärkte insgesamt, so fällt auf, dass der Dax dieses Jahr stark gelaufen ist. MDax und SDax verbuchen dagegen seit Jahresbeginn sogar Verluste. Liegt das daran, dass die Dax-Unternehmen weniger abhängig sind vom heimischen Markt?

Diese großkapitalisierten globalen Marktführer haben eine extrem starke regionale Diversifizierung. Wir sehen das eben bei Schneider Electric, die jetzt vom Bau von Hyperscalern in den USA profitieren, aber auch in Europa und Asien stark sind. Wir haben zwar auch im Mid-Cap-Portfolio den einen oder anderen Wert, der von der Diversifizierung profitiert, aber da muss man dann schon gezielt suchen. Natürlich hilft es, wenn Unternehmen in den Wachstumsmärkten präsent sind. Wenn man zu sehr vom europäischen Absatzmarkt abhängt, gerade was den Konsumenten anbelangt, dann ist das im Moment einfach schwierig. Der größere operative Hebel verbunden mit der oftmals schwierigen Umsatzentwicklung führt bei diesen Small und Mid Caps zu größeren Gewinnenttäuschungen. Wenn das Umfeld stark ist, wachsen sie dann in aller Regel aber auch erheblich stärker.

Was erwarten Sie für Deutschland, nachdem jetzt die Ampel geplatzt ist? Kann das eine Erlösung sein und die nötigen Reformen bringen? Oder ist jetzt erst recht erstmal Stillstand angesagt?

Wir erwarten gar nichts. Wir haben aber auch vorher keine Erwartung zur Ampel gehabt. Man kann sagen, politische Märkte haben kurze Beine. Auf jeden Fall sind das nicht die Faktoren, die ein langfristig wachsendes Qualitätsunternehmen von der Bahn abbringen sollten.

Gilt das für die USA und Trump auch?

Ich habe ja eben den Wachstumstrend mit den Hyperscalern genannt. Das wird für die nächsten drei bis vier Jahre weitergehen. Das hat aber nichts mit Trump zu tun, sondern einfach damit, dass wir im Zeitalter der künstlichen Intelligenz angekommen sind und Software in die Cloud funktioniert. Dieser Trend wird nicht von Trump beeinflusst werden. Wir stellen uns so auf, dass wir von Handelspolitik nicht zu stark getroffen werden können. Bei Trumps Politik muss man sehen, was wirklich umgesetzt wird.

Sie sagten, die angedrohten Zölle könnten die Autobauer treffen?

In den USA wird sicherlich ein bisschen Reshoring von Industrie stattfinden. Das trifft vielleicht auch den einen oder anderen deutsche Autobauer. Wir sind dort nicht investiert. Zwar sind die Marken in Deutschland alle sehr stark, aber Automobilbau ist ein hartes Geschäft. Da wird sicherlich der eine oder andere auch so einen Schritt machen, um Trump zufriedenzustellen. Was wir im Portfolio haben, ist Dassault Systèmes, den Weltmarktführer für Software zum Bau von Autos und Flugzeugen. An dem Unternehmen sieht man, dass das regionale Diversifikationskonzept bei Computern sehr gut funktioniert. Die US-Autobauer und die europäischen Autobauer stehen im Moment unter Druck, aber die Chinesen bauen ihre Autos ja auch mit der Systemsoftware von Dassault, und da läuft das Geschäft sehr gut. Das ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie man geopolitische Störfeuer ganz gut umschiffen kann.

Zur Person: Wolfgang Fickus kam im September 2012 zu Comgest und ist Produktspezialist sowie Investor Relations Manager. Fickus begann seine Karriere 1995 bei Paribas Asset Management Paris als Fondsmanager für europäische Aktien. Im Jahr 2000 wechselte er zur WestLB, wo er als Analyst für europäische Technologiewerte tätig war, bevor er 2005 die Leitung des Mid- und Small-Cap-Research übernahm.

Das Interview führte Tobias Möllers. Das vollständige Interview finden Sie unter www.boersen-zeitung.de.

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