„Das Monetäre hat die Börse im Griff“
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Vor 35 Jahren, im Sommer 1987, ist der FMM-Fonds als wohl erster unabhängiger Vermögensverwalter-Fonds Deutschlands gestartet. Über die Jahre hat der Fonds deutlich besser abgeschnitten als vergleichbare Produkte und weist per 5. Mai 2022 einen Wertzuwachs von 1223% auf. Gesteuert wird der Fonds seit Beginn von Jens Ehrhardt, der gerade seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert hat. „Der Fonds hat sich in 35 Jahren mehr als verzwölffacht, das ist ja eigentlich keine schlechte Sache“, sagt der gebürtige Hamburger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung trocken. „Er kam zu einem Preis von 100 Mark heraus und steht heute bei 633 Euro.“ Ehrhardt erläutert: „Ich habe damals zum gleichen Zeitpunkt meine Immobilie in München gekauft, aber die hat sich im Wert nicht so vermehrt wie der FMM-Fonds, obwohl sie sich in guter Lage befindet.“
Gemanagt wird der Fonds nach der von Ehrhardt selbst entwickelten FMM-Methode, die für Fundamental, Monetär und Markttechnisch steht. Durch diesen Ansatz ist es Ehrhardt gelungen, bei den großen Einbrüchen am Aktienmarkt wie im Oktober 1987, beim Platzen der Dotcom-Blase ab dem Frühjahr 2000 oder bei der Banken- und Subprime-Krise von 2007 bis 2009 erheblich weniger zu verlieren als die großen Aktienindizes oder auch die meisten vergleichbaren Fonds. „Was die gute Performance des FMM-Fonds auf lange Sicht ausmacht, ist, dass wir möglichst wenig verloren haben in Baissephasen“, sagt Ehrhardt. „Als es dann wieder hochging, und insbesondere die monetäre Situation wieder besser aussah, habe ich versucht, wieder dabei zu sein. Und das hat auch gut funktioniert.“
Wissenschaftlicher Anspruch
Doch wie funktioniert eigentlich die FMM-Methode, und wie ist der deutsche „Mister Börse“ dazu gekommen? „Ich war 1974 Gründer des ersten deutschen Vermögensverwalters namens Portfolio Management und habe dort einen Börsenbrief verfasst, den Münchner Börsenbrief. Börsenbriefe waren damals bei Anlegern groß in Mode, von den Banken kam relativ wenig Research an die Öffentlichkeit“, erzählt Ehrhardt. „Die anderen Börsenbriefe waren eigentlich ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich kam von der Uni und habe versucht, Entwicklungen wissenschaftlich zu begründen. Die beiden damals großen Börsenbriefe, die waren eher so ausgestaltet: ‚Ich höre vertraulich aus Frankfurt, dass Insider dies und jenes kaufen…‘ und so weiter, reine Börsentipps eben.“ Auch zur Analyse von Einzelaktien sei wenig geschrieben worden, Charts seien nicht verwendet worden. „Ich war damals der erste, der Charts in einem Börsenbrief veröffentlich hat, die zeigen, wie der Aktienkurs sich entwickelt hat beziehungsweise wie der Trend verläuft“, berichtet Ehrhardt. Übrigens publiziert der Börsenprofi noch immer regelmäßig die bei Anlegern sehr beliebte „Finanzwoche“. „Manche Leser sind seit 50 Jahren dabei, das ist erstaunlich“, sagt der gebürtige Hansestädter, der seit seinem Studium in München lebt.
„Ich habe mit meinen Unikenntnissen versucht, das Ganze etwas wissenschaftlich aufzubauen: Wo geht die Börse hin und auf welchen Faktoren beruht dies?“, führt Ehrhardt aus. „Und ich habe auch in den ersten fünf Jahren meiner Berufstätigkeit meine Doktorarbeit geschrieben und dort auf 267 Seiten insbesondere den Zusammenhang zwischen Börsenkursen und monetären Faktoren aufgezeigt.“ Natürlich gebe es auch andere Faktoren, die das Börsengeschehen beeinflussen. „Doch am Wichtigsten ist der monetäre Faktor, der bis in die siebziger Jahre aber kaum beachtet wurde“, sagt Ehrhardt. In der wissenschaftlichen Literatur seien in der Nachkriegszeit fast ausschließlich Werke zu finden gewesen, in denen es allein um Fundamentalfaktoren wie Gewinne und Cashflows gegangen sei.
Das habe auch daran gelegen, dass in den sechziger Jahren die Zinsen durchweg relativ niedrig gewesen seien. In den siebziger Jahren habe sich das geändert, als die Inflation deutlich anstieg und auch die Zinsen hochschossen. „Dadurch hatte der monetäre Faktor dann erheblichen Einfluss auf die Börse“, betont Ehrhardt.
Das „F“ in seiner Methode, Fundamental, stehe für die traditionelle Analyse – also dafür, wie sich die wirtschaftliche Situation in einem bestimmten Land oder Währungsraum entwickle. Bei Einzelunternehmen stünden die Analyse der Bilanzen, des Wachstums sowie der Gewinnentwicklung und damit Größen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs zu Cashflow und freie Cashflow-Rendite im Vordergrund.
Bei Martin Zweig gelernt
Als Drittes komme der markttechnische Faktor hinzu. „Dieser war damals in Deutschland unbekannt“, erzählt Ehrhardt. „Bei vielen galt das damals als reine Kaffeesatzleserei.“ Gelernt hat Ehrhardt die Markttechnik vom US-Investor Martin Zweig. „Da bin ich dann nach New York geflogen zu Martin Zweig, dem damals führenden Markttechniker, habe mich neben ihn gesetzt und habe geschaut, wie er diese Indikatoren errechnet. Er hatte so einen karierten Block und hat mit einem spitzen Bleistift notiert, ob die Börsenbriefe pessimistisch oder optimistisch waren, wie sich das Put-Call Ratio entwickelte oder wie die Höhe der Barreserven der Fonds war und viele andere Dinge.“
Ehrhardt habe dann die Markttechnik auch in Deutschland eingeführt und sie immer mehr verfeinert. „Die Daten von früher – 1969 habe ich angefangen, Börsenbriefe zu schreiben – habe ich noch heute“, berichtet der Börsenprofi.
Auf Trends setzen
Doch was bewegt die Börse vor allem? „An der Börse sollten Investoren auf Trends setzen, und meistens dauern Trends länger, als man denkt“, sagt der Börsenprofi. „Und wenn dann die Stimmung kippt, dann ändern sich die Trends, die Hausse geht also in die Baisse über, wie wir es vielleicht jetzt sehen.“ Bei Trendwenden sei oft das Monetäre der stärkste Faktor, wenn zum Beispiel die Liquidität von den Notenbanken zurückgefahren wird.
Vor allem war Ehrhardt in Crash-Zeiten relativ erfolgreich. „1987 war die Geldmengenzuwachsrate von Januar bis September von 18% auf 3% gesunken. Da gingen bei mir die Alarmglocken los – und ich habe die Barquote aufgestockt sowie einige Verkaufsoptionen gekauft“, erläutert Ehrhardt. „Das war von der monetären Seite eben sehr gut zu sehen.“ Die ganz großen Baissen, wie 2000 oder auch 2007 bis 2009, habe er durch die FMM-Methode zwar nicht vermieden, aber deutlich abfedern können. So habe der Fonds in diesen Krisen deutlich weniger verloren als die Aktienmarktindizes.
Aktuell sei die Ungewissheit an der Börse groß. Sowohl monetär als auch durch den Krieg in der Ukraine sei die Situation für Aktien schwierig. Auch drohe ein Gasembargo, das die deutsche Wirtschaft schwer treffen würde. „Vor diesem Hintergrund bin ich in der Anlagestrategie relativ vorsichtig und versuche, nur Aktien im Portfolio zu haben, die von der aktuellen Situation profitieren“, sagt Ehrhardt. Dazu zählten zum Beispiel Agrar- und Düngemittelaktien. Auch europäische und amerikanische Ölaktien sollten Investoren nach Ansicht des Börsenprofis weiter halten. „Von großen US-Technologieaktien, dem Most Crowded Trade der vergangenen Jahre, haben wir uns temporär überwiegend verabschiedet.“
Zudem gilt es in der aktuellen Situation, die geldpolitische Entwicklung zu beachten. „Laut meiner Doktorarbeit muss man ohnehin vorsichtig sein, wenn die Notenbanken die Zinsen erhöhen und auch noch ein sogenanntes Quantitative Tightening vornehmen“, sagt der Börsenexperte. „Auch scheinen Leitzinsanstiege um 0,5% mehr zu bremsen als um 0,25%. Das Monetäre scheint dieses Mal recht stark zu sein und die Börse gut im Griff zu haben.“
Eine Alternative zu Aktien seien inzwischen zweijährige US-Staatsanleihen mit einer Rendite von ungefähr 2,6%. „Die haben wir auch gekauft, ich glaube nicht, dass die Zinsen da noch wesentlich steigen“, erläutert Ehrhardt. „Außerdem haben wir den Dollar im Moment nicht abgesichert. Dieser dürfte sich aufgrund der Zinsdifferenz gegenüber dem Euro weiter befestigen.“
„Ich strenge mich sehr an“
Nun managt Jens Ehrhardt seit 35 Jahren den FMM-Fonds und ist seit wenigen Wochen 80 Jahre alt. Denkt er da nicht ans Aufhören? „Bisher kann man noch kein Nachlassen meiner Leistung sehen, auch dieses Jahr liegt der Fonds per Anfang Mai im Plus, da bin ich wirklich sehr stolz. Das hat, glaube ich, so gut wie kaum jemand geschafft“, sagt Erhardt. „Und ich strenge mich nach wie vor sehr an, dass der Fonds ein gutes Ergebnis erzielt.“ Sein Lebenssinn sei jetzt vor allem sein Beruf. „Und der füllt mich aus und macht mir Spaß, und ich kann mir gar nicht vorstellen, nur noch auf mein Segelboot zu gehen.“ Mister Börse wörtlich: „Also aufhören will ich noch nicht, ich bin auch gesundheitlich ganz gut in Schuss.“