Das Umfeld trübt sich ein
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
In der gerade beendeten Handelswoche hat sich der Dax gut gehalten und praktisch keinen Boden preisgeben müssen. Allerdings hat er im April bereits rund 350 Indexpunkte eingebüßt. Dies spiegelt die sich eintrübenden Perspektiven wider.
Auch wenn die fundamentalen Daten der Unternehmen weiterhin robust erscheinen, nehmen im Umfeld der Märkte die Gefahren wieder deutlich zu. So müssen sich die Marktteilnehmer darauf einstellen, dass der Ukraine-Krieg noch lange nicht zu Ende sein wird. Mit einer Verlängerung des Krieges und den damit verbundenen militärischen Niederlagen der ukrainischen Armee dürfte auch der Druck auf die europäischen Regierungen zunehmen, zu weiteren harten Sanktionen zugreifen.
Damit rückt auch wieder ein westliches Gasembargo in den Mittelpunkt der Diskussion. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg jetzt berichtet hat, legte die EU-Kommission ein internes Gutachten vor, gemäß dem die Bezahlung von Erdgas gemäß den neuen russischen Zahlungsanweisungen einen Verstoß gegen die von der EU beschlossenen Sanktionen darstelle. Damit stellt sich die Frage, inwieweit sich vor allem die Bundesregierung dem politischen Druck der osteuropäischen Länder und der EU-Kommission entziehen und weiterhin russisches Gas beziehen und bezahlen kann.
Ein Ausfall der Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft und den deutschen Aktienmarkt zu einem Zeitpunkt treffen, in dem nach Einschätzung der Ökonomen der Landesbank Baden-Württemberg LBBW die Erwartungen der Kapitalmarktakteure gemäß den aktuellen Konjunkturumfragen von ZEW und Sentix bereits wieder so pessimistisch ausgefallen sind wie beim Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020.
Dabei scheinen die Ökonomen aber noch nicht aller Risiken gewärtig zu sein. So gehen die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute für den Fall eines Ausfalls von russischem Gas für 2022 noch von einem Anstieg des deutschen Bruttoinlandsproduktes von 1,9% und für 2023 von einem Rückgang um 2,2% aus. Da allerdings im Fall einer solchen Eskalation nicht nur Gas, sondern auch Öl und weitere Rohstoffe aus Russland ausfallen dürften, erscheint dieses Szenario wenig realistisch, so dass mit einem deutlich höheren Rückgang zu rechnen ist, der dann auch auf die Märkte stark durchschlagen dürfte. Die Trefferquote von Deutschlands führenden Ökonomen ist übrigens nicht sehr hoch, so waren auch die Inflationsgefahren unterschätzt worden – wobei allerdings anzumerken ist, dass durch den Kriegsausbruch ein externer Faktor in einem hohen Maß mitverantwortlich ist.
Als ein weiteres Risiko für die Märkte erweist sich die US-Notenbank Federal Reserve, die die Leitzinsen dieses Mal wohl um ein Vielfaches schneller anheben werde als zuletzt, wie die Ökonomen der LBBW anmerken. Hinzu kommt die schwierige Rohstoffsituation, wobei nach Meinung der Ökonomen die Euro-Abwertung die Rohstoffkosten in Deutschland weiter erhöht.
Nach Einschätzung von Philipp Bärtschi, Chief Investment Officer von J. Safra Sarasin, bleibt die Lage an den Finanzmärkten fragil. Die Fed sei gewillt, stärker auf die Bremse zu treten, als das noch Anfang des Jahres erwartet worden sei. Dabei handelten an den Aktienmärkten die meisten Regionen höher als noch vor der Invasion Russlands in der Ukraine, obwohl sich die makroökonomischen Rahmenbedingungen verschlechtert und die Risiken mittelfristig zugenommen hätten. Wichtige Frühindikatoren hätten sich deutlich abgeschwächt und signalisierten eine Wachstumsverlangsamung.
Belastung für Aktien
Die jüngsten Gewinnrevisionen sowie die steigenden Realzinsen werden nach Ansicht Bärtschis in den nächsten Monaten ebenfalls die Aktienkurse belasten. Unterdessen bleibe auch das wirtschaftliche Umfeld in China schwierig. Mittlerweile habe Peking für 73 der 100 größten Städte Chinas, auf die mehr als die Hälfte der nationalen Wirtschaftsleistung entfalle, Beschränkungen hinsichtlich der Bewegungsfreiheit und Aktivitäten verhängt. J. Safra Sarasin habe daher das Untergewicht in Aktien erhöht, um das Portfoliorisiko weiter zu reduzieren. Grundsätzlich rät die Privatbank zu einer defensiven Positionierung innerhalb der Anlageklassen.