US-Währung

Der Dollar zeigt anhaltende Stärke

Der Dollar hat seit Mitte vergangenen Jahres um rund 10 Prozent an Handelsgewicht zugelegt. Es sieht so aus, als wäre damit noch lange nicht das Ende erreicht.

Der Dollar zeigt anhaltende Stärke

Von Stefan Hofrichter*)

Der handelsgewichtete Dollar-Kurs ist seit Mitte 2021 um etwa 10% gestiegen, wobei der Großteil der Aufwertung seit Anfang 2022 erfolgte. Die konventionelle Erklärung hierfür verweist auf die Geldpolitik der US-Notenbank. Als Startpunkt der Stärke nach dem Covid-19-Schock lässt sich nämlich der Mai 2021 ausmachen, als die eingepreisten Zinsdifferenzen zwischen dem Dollar und anderen Währungen sich auszuweiten begannen. Ab September 2021 – und damit bevor Fed-Chef Jerome Powell am 30. November letzten Jahres erklärte, dass die Inflation nicht nur ein vorübergehendes Phänomen sei („It’s time to retire the word transitory.“) – fingen die Finanzmärkte an, deutliche Zinserhöhungen der Federal Reserve einzupreisen. Daraufhin hat die Aufwertung des Dollar richtig an Fahrt aufgenommen. Auch am aktuellen Rand spricht der Ausblick für die US-Geldpolitik im Vergleich zu anderen Zentralbanken für eine anhaltende Stärke des Greenback. Aber wie lange könnte dieser Aufwertungstrend andauern? Sprechen die aufkommenden Rezessionsängste in den USA nicht für eine baldige Trendumkehr? Und was bedeutet der Kursverfall an den Aktienbörsen für den Währungsmarkt? Erfahrungen aus der Vergangenheit können uns Antworten auf diese Fragen geben.

Konventioneller Vorbote

In den USA beobachten wir zum einen „konventionelle“ Vorboten einer bevorstehenden Rezession, wie etwa die jüngste Inversion der Zinsstrukturkurve. Aber eine andere Entwicklung ist für uns an dieser Stelle noch wichtiger: Im Unterschied zu anderen entwickelten Märkten scheint der sogenannte Finanzzyklus in den USA auf Basis unserer Schätzungen Mitte 2021 den Höhepunkt überschritten zu haben. Gemäß Definition der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) misst der Finanzzyklus die gemeinsame Dynamik des Immobilienmarktes und der Verschuldung von Privathaushalten und Unternehmen. Plakativ ausgedrückt bedeutet dies für die USA aktuell: Der US-Häusermarkt verliert allmählich an Dynamik, während gleichzeitig die Verschuldung auf einem sehr hohen Niveau liegt. Dies ist insofern von Bedeutung, als eine Abschwächung des Finanzzyklus nicht nur mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Rezession bis spätestens 2024 hindeutet, sondern auch ein signifikantes Risiko für zunehmenden Stress im Finanzsystem birgt. Studien der BIZ wie auch unsere eigenen Analysen für mehr als 20 Länder zeigen dies ganz deutlich.

Welche Schlussfolgerungen sind hieraus für den Dollar zu ziehen? Vor 2021 waren in den USA in den letzten 50 Jahren vier Hochpunkte im Finanzmarktzyklus zu identifizieren: 1973, 1979, 1989 und 2006. Im Mittel und im Median zeigte sich der Dollarindex dabei im ersten Jahr nach einem Gipfel im Finanzzyklus zumeist wertstabil, im zweiten Jahr konnte er mitunter sogar leicht an Wert gewinnen. Auf Sicht von fünf Jahren wertete der Dollar dann aber in der Breite ab. Bezogen auf die Gegenwart könnten wir basierend auf diesem historischen Muster somit für einige Zeit mit einer weiteren, breit basierten Dollarstärke rechnen, bevor die Währung mittelfristig nachhaltig an Wert verliert.

Mehrjähriger Anstieg

Interessant waren in dem Zusammenhang übrigens die historischen Bewegungen des Schweizer Franken und des Yen gegenüber dem Dollar – beide gelten ja als klassische „Risk-off“-Währungen. So schwächelte der Franken zumeist im ersten Jahr nach einem Gipfel im US-Finanzzyklus, ab dem zweiten Jahr konnte er aber eine mehrjährige deutliche Stärke gegenüber dem Dollar aufbauen. Der Yen hingegen verlor in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen zunächst einige Jahre massiv an Wert, bevor er sich dann sehr deutlich erholen konnte. Für den Euro-Kurs gegenüber dem Dollar gibt es lediglich die Beobachtung nach dem 2006er Hoch im US-Finanzzyklus. Vor dem Hintergrund der europäischen Finanz- und Schuldenkrise ist die anfängliche, bis 2008 dauernde Euro-Stärke und anschließende mehrjährige Abwertung gegenüber dem Dollar allerdings nur bedingt aussagekräftig für die Gegenwart.

Eine andere Betrachtungsweise führt zu uns zu ähnlichen Schlussfolgerungen für den Dollar. Genauso wie Anfang 2000 zeigte der US-Aktienmarkindex­ S&P500 auch Anfang 2021 viele Anzeichen einer typischen Blasenbildung, wie sie der Finanzmarkthistoriker Charles Kindleberger identifiziert hat. Auf die „Euphorie“ folgt demgemäß eine Phase der „Gewinnmitnahmen“ – aus unserer Sicht zwischen Frühjahr und Herbst 2021. Spätestens seit Anfang dieses Jahres befinden wir uns aber wohl in der „Liquidationsphase“, die gekennzeichnet ist durch Kursrückgänge in der Breite.

Ein wahrer „Ausverkauf“ – die mögliche nächste Phase, die durch extremen Pessimismus der Investoren gekennzeichnet ist – ist bis dato allerdings noch nicht auszumachen. Die Lehren dieser Betrachtungsweise für den Dollar? Nach Platzen der Technologieblase vor gut 20 Jahren wertete der Dollar zunächst sogar noch auf und zeigte erst ab Mitte 2001 Schwäche, als sich der Aktienmarkt bereits einige Monate in der „Ausverkaufsphase“ befand.

Problem der anderen

Conclusio: Auch wenn der Greenback bereits schwindelerregende Höhen erreicht hat, deutet vieles zunächst auf eine Fortsetzung der Dollar-Stärke hin. Es wird vermutlich noch einige Monate oder Quartale dauern, bis es wieder wie im Zitat des damaligen US-Finanzministers John Connally aus dem Jahr 1971 heißen könnte: „The dollar is our currency, but your problem.“

*) Stefan Hofrichter ist Head of Global Economics & Strategy bei Allianz Global Investors.

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