Jan Ulrich und Frank Mohr, Société Générale

Der ETF gibt bei Anleihen jetzt die Richtung vor

Am wenig liquiden Fixed-Income-Markt sind Anleihe-ETFs nach Ansicht der Société Générale inzwischen ein wichtiger Stimmungsindikator.

Der ETF gibt bei Anleihen jetzt die Richtung vor

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Bei den börsennotierten Indexfonds haben zunächst lange Zeit die Aktienprodukte dominiert. In den vergangenen Jahren sind Anleihe-ETFs aber sehr stark gewachsen und haben somit zu dem Boom dieser passiven Investments beigetragen. So betragen die verwalteten Gelder der europäischen Bond-ETFs inzwischen 271 Mrd. Euro per Ende 2020 nach Zuflüssen von 179 Mrd. Euro von 2015 bis 2020 (nach Angaben von Lyxor). Insgesamt hat die Bedeutung von Anleihe-ETFs für den Fixed-Income-Markt also deutlich zugenommen.

Echte Anleihe- und ETF-Experten der Société Générale sind Jan Ulrich, Head of Credit Sales für Deutschland und Österreich, und Frank Mohr, Global Head of ETF Sales Trading. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutern sie, was sie in der Praxis beobachtet haben: „ETFs sind ein Indikator für den wenig liquiden Fixed-Income-Markt.“ Anleiheinvestoren können daher nach Meinung der beiden Profis ETFs als Stimmungsindikator und Signal nutzen. „Denn der ETF reagiert schneller als seine Zutaten. Der ETF eilt dem Credit-Markt voraus.“ Anleihen reagierten langsamer auf Markt- und Stimmungsveränderungen als die stets handelbaren und hoch liquiden ETFs. „Bonds folgen den ETFs zeitverzögert.“

Doch das Ganze noch einmal im Detail erklärt. Ein Problem des Anleihemarktes insbesondere bei Corporates, High Yields und Credits ist die geringe Liquidität beziehungsweise die Illiquidität von einzelnen Papieren. Daher benutzt der wenig liquide Credit- und Fixed-Income-Markt laut Ulrich und Mohr traditionell vor allem drei Richtungsweiser:

Bundesanleihen (Rendite), Bund-Future und die Bund-Kurve

Aktien

Credit Default Swaps und deren Indizes: iTraxx/CDX.

Natürlich hätten alle drei Richtungsweiser nur eine begrenzte Aussagekraft. So verhielten sich zum Beispiel Bunds teilweise anders als Credits. Und Aktien hätten als „first loss“ einen anderen Charakter als Anleihen. Nun würden diese drei Richtungsweiser durch die Informationen von großen richtungsweisenden ETFs abgelöst bzw. ergänzt.

ETFs sind laut den beiden Société-Générale-Experten jederzeit handelbar und extrem liquide. Mohr erklärt: „Auch im März 2020, beim Corona-Crash am Aktienmarkt, waren ETFs jederzeit handelbar. Diese Herausforderung haben ETFs mit Bravour bestanden.“

Ein wichtiges Signal für Investoren sei nun der sogenannte „Skew“. Denn ETFs handelten selten ohne einen Auf- oder Abschlag zu ihrem Net Asset Value (NAV). Diese Differenz wird von Profis Skew genannt. Bei einem positiven Skew sei der ETF teurer als der NAV und ETFs suchten eher Bonds. Bei einem negativen Skew sei der ETF günstiger als der NAV und ETFs würden eher Bonds verkaufen. „Anleiheinvestoren können nun die Informationen aus den ETFs dazu nutzen, um zu erkennen, wohin der Markt tendiert“, sagt Ulrich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ETFs manchmal überschießen würden. „Dadurch, dass der ETF oft den einzelnen Anleihen in ihren Bewegungen voraneilt, können Investoren ihre Investitionen oder Abverkäufe besser terminieren.“

Liquidität für Portfolio Trades

Der Bereich ETF-Marketmaking, in dem Frank Mohr tätig ist, ging übrigens 2020 von der Commerzbank zur Société Générale über. Betreut werden hier als Marketmaker und Designated Sponsor zurzeit rund 4500 ETFs von 23 Emittenten. Durch die Zusammenarbeit von ETF-Handelstisch und Sales könne die Société Générale Investoren eine hohe Liquidität für Portfolio Trades zur Verfügung stellen. Dies betreffe dann institutionelle Investoren.