„Der Goldpreis sollte noch deutlich höher steigen“
IM INTERVIEW: Guy Wagner
„Der Goldpreis sollte noch deutlich höher steigen“
Chief Investment Officer der BLI: US-Rezessionsszenario noch nicht komplett ausschließen – Japans Aktienmarkt lohnt einen Blick
Für die US-Konjunktur will Guy Wagner, Chief Investment Officer und Geschäftsführer der Banque de Luxembourg Investments (BLI), die Rezession noch nicht ganz ausschließen. Er teilt damit nicht die Meinung der Finanzmärkte. Positiv gestimmt ist Wagner derzeit für den japanischen Aktienmarkt. Und den Goldpreis sieht er künftig noch deutlich steigen.
Herr Wagner, vermutlich kommt die US-Konjunktur an einer heftigen Rezession vorbei. So sehen es die Finanzmärkte. Wie schätzen Sie die weiteren Aussichten für die US-Wirtschaft in diesem Jahr ein?
Der Markt hat das zwar so eingepreist, aber ich würde das Rezessionsszenario noch nicht komplett ausschließen. Am Markt wird darauf gesetzt, dass die Konjunktur nun wieder stärker anspringt, aber ich kann nicht erkennen, wo das nun herkommen sollte. Die Perspektiven beim privaten Konsum, den Investitionen und den Nettoexporten sprechen nicht gerade für eine kräftige Beschleunigung der US-Wirtschaftstätigkeit. Vor diesem Hintergrund stimme ich mit der Marktmeinung, die sich ja insbesondere auf den starken US-Arbeitsmarkt fokussiert, nicht überein.
Was ist für Sie der wichtigste Faktor, der eine US-Rezession bislang verhindert hat?
Das sind die privaten Ersparnisse. Während der Pandemie haben viele Haushalte ihre Einkommen weiter erhalten, konnten während der Lockdowns aber nicht sehr viel ausgeben, was zu einer entsprechenden Ersparnisbildung geführt hat. In den vergangenen zwei Jahren haben viele Haushalte diese sogenannten überschüssigen Ersparnisse zurückgeführt und darüber ihren Konsum unterstützt. Diese überschüssigen Ersparnisse sind nun zum größten Teil abgebaut.
Nach der jüngsten Rhetorik von Fed-Vertretern ist wohl erst in der zweiten Jahreshälfte mit Leitzinssenkungen zu rechnen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Am Jahresanfang erwartete der Markt sechs Zinssenkungen, die Fed sprach hingegen von drei. Jetzt sieht es nach bis zu drei Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte aus. Wir haben die US-Wahlen im November, und normalerweise unternimmt die Notenbank in einem Wahljahr nichts, um sich nicht vorwerfen zu lassen, den Wahlkampf zu beeinflussen. Das sieht diesmal offenkundig anders aus.
Die Aktienmärkte sind getrieben von Zinsspekulationen fast rund um den Globus in den vergangenen Monaten sehr gut gelaufen. Wie schätzen Sie die weiteren Perspektiven für die Aktienmärkte in den USA und Europa ein?
Es handelt sich in erster Linie um einen Bewertungsanstieg und nicht um eine Reflektierung gestiegener Unternehmensgewinne. Die Aktienmärkte sind zum Teil als sehr teuer einzustufen. Es gibt eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was eingepreist wird, und der Realität. Die Aktienmärkte preisen ein, dass die Inflation wieder in Richtung des 2-Prozent-Zielwerts der Zentralbanken gehen wird, und setzen auf ein besseres globales Wirtschaftswachstum. Allerdings zieht in vielen Regionen die Inflation wieder etwas an, die wirtschaftliche Verfassung ist eher schwach und die Zinssenkungserwartungen an die Fed wurden erstmal enttäuscht. Die Gewinnschätzungen werden derzeit für die meisten Märkte und Sektoren wieder nach unten korrigiert. Das Risiko einer größeren Korrektur ist daher gegeben – sei es für die USA oder für die europäischen Märkte, die den USA weitgehend nachlaufen.
In der Eurozone deutet sich der erste Zinsschritt nach unten bei der EZB nun für Juni an. Sollte der anstehende Zinszyklus Europas Aktienmärkten nicht eine gute Stütze bieten?
Qualitativ hochwertige Unternehmen in der Eurozone sind ja bereits sehr gut gelaufen. Der europäische Aktienmarkt hinkt dem US-Markt etwas hinterher, da Banken, Versorger und Telekom schlechter gelaufen sind und diese Branchen im europäischen Index eine stärkere Gewichtung haben als im US-Markt. Dass der europäische Markt billiger scheint als der amerikanische, liegt an der höheren Gewichtung dieser zu Recht tiefer bewerteten Sektoren.
Gute Perspektiven machen Sie am japanischen Aktienmarkt aus. Was überzeugt Sie bei den japanischen Unternehmen?
Bei den japanischen Unternehmen ist eine verbesserte Unternehmensführung hervorzuheben. Viele Jahre haben Firmen eine hohe operative Effizienz an den Tag gelegt, aber ihre Kapitalallokation oft komplett vernachlässigt. Shareholder Value war vielen nicht so wichtig, ebenso wenig wie Rentabilität. Unter dem Abenomics-Programm hat hier vor etwas mehr als zehn Jahren eine Veränderung eingesetzt, deren Prozess sich jetzt beschleunigt. Die Kapitalallokation verbessert sich, Aktionäre stehen stärker im Vordergrund und viele Unternehmen erhöhen ihre Eigenkaptalrendite. Das ist das Hauptargument, das für den japanischen Markt spricht.
Anlegern haben Sie in der Vergangenheit auch Gold als Investment nahegelegt. Der Goldpreis ist mit über 2.400 Dollar auf Rekordniveau geklettert. Sind Sie immer noch optimistisch?
Ja, absolut. Der Anstieg des Goldpreises weist auf eine Reihe von Problemen hin, etwa die weltweit zu beobachtende starke Verschuldung und die hohen Haushaltsdefizite. Mittelfristig sollte der Goldpreis noch deutlich höher steigen. Kurzfristig sind natürlich auch immer wieder Korrekturphasen einzukalkulieren. Der Anstieg des Goldpreises 2023 und in diesem Jahr hat zudem in einem Umfeld steigender Zinsen und Dollarstärke stattgefunden, also in einem Umfeld, das gemeinhin als negativ für Gold angesehen wird. Hinter dem Anstieg des Goldpreises stehen also andere Faktoren, wie vor allem die Käufe von Zentralbanken im östlichen Raum. Ich denke, dass wir diese Käufe auch in Zukunft sehen werden.
Das Interview führte Kai Johannsen.