Die Transformation von BP ist auf dem Weg
Von Achim Wittmann *)
Im Zuge der Turbulenzen um Kreditinstitute in den USA und der Schweiz ist der Brent-Ölpreis Anfang vergangener Woche fast bis auf 70 Dollar je Barrel gefallen. Zuletzt ging es mit den Preisen allerdings wieder etwas nach oben. Eine neue Finanzkrise und ein damit verbundener Konjunktureinbruch würde auch die Ölnachfrage einbrechen lassen. Sofern der geplante Zusammenschluss von UBS und Credit Suisse und die Übernahme der Silicon Valley Bank aber dazu führen, dass die Ängste um die Stabilität des Finanzsektors in den nächsten Wochen abebben, stehen die Chancen ganz gut, dass auch der Ölpreis wieder zulegen wird. Denn tatsächlich sprechen einige Faktoren für tendenziell steigende Ölpreise. So mehren sich die Zeichen, dass die Wirtschaft in China wieder an Fahrt aufnimmt. Damit sollte auch die Ölnachfrage anziehen. Auf der Angebotsseite hat Russland angekündigt, den Output zu kürzen. Darüber hinaus hinkt die Opec weiter ihren Produktionszielen hinterher, und auch die US-Ölförderung wächst nur verhalten. Insgesamt würde es daher nicht überraschen, wenn Brent bald wieder über der Marke von 80 Dollar notiert.
Volatiler Verlauf der Spreads
Die Anleihespreads der Branchenunternehmen, gemessen am iBoxx Oil & Gas, sind infolge der Marktturbulenzen und des rückläufigen Ölpreises gestiegen. Zugleich hat sich die Differenz der Spreads zum Gesamtmarkt (iBoxx Non-Financials) ausgeweitet. Sie befindet sich weiterhin auf hohem Niveau, was angesichts der gegenwärtig sehr guten Finanzkennzahlen der Branchenunternehmen bemerkenswert ist. Vermutlich stellt der Markt die Nachhaltigkeit des hohen Preisniveaus an den Öl- und Gasmärkten in Frage. Darüber hinaus preist der Markt hier offensichtlich bereits ein Stück weit die enormen strategischen Herausforderungen ein, vor der die Branche angesichts der Transformation in der Energiewirtschaft steht. Die Spreads der BP-Bonds haben im vergangenen Jahr die hohe Volatilität der Energiepreise nachgezeichnet. Im letzten Vierteljahr sind die Schwankungen wesentlich geringer geworden, bevor sie mit den Unsicherheiten an den Märkten in den letzten Tagen wieder zugenommen haben. Insgesamt bewegen sich die Risikoaufschläge sowohl im mittel- wie auch im längerfristigen Bereich gegenwärtig wieder auf dem Niveau von vor einem Jahr. Der Spread für den Bond mit Laufzeit 04/28 startete mit knapp 70 Basispunkten ins Jahr 2023 und liegt gegenwärtig bei rund 73 Basispunkten. Die Bandbreite im vergangenen Jahr verlief von 39 Basispunkten im April bis 108 Basispunkte im Juli. Der als Indikation für das aktuelle Marktrisiko dienende Spread für einen CDS (Credit Default Swap) mit einer Laufzeit von fünf Jahren beträgt gegenwärtig rund 95 Basispunkte. BP hat achtzehn festverzinsliche Bonds mit Volumina von jeweils mehr als 500 Mill. Euro am Euro-Bondmarkt ausstehen. Das durchschnittliche Rating der externen Agenturen liegt bei „A“ mit positiven Ausblicken.
„Vom internationalen Ölkonzern zum integrierten Energiekonzern“: Unter diese Devise hatte BP vor drei Jahren ihre neue strategische Ausrichtung gestellt. In den Segmenten, die die Transformation voranbringen sollen, hat der Konzern seitdem einige Fortschritte erzielt. So wurde im Bereich Bioenergie mit Archea einer der führenden Biogasproduzenten in den USA übernommen. Bis zum Jahr 2030 plant BP, sein Angebot an Biogas um das Sechsfache zu steigern, die Produktion von Biokraftstoffen soll um das Dreifache zunehmen. Der Ausbau des Retail-Netzes in Wachstums-märkten sowie der Infrastruktur für die Elektromobilität schreitet plan-mäßig voran. Im Bereich erneuerbare Energien konnte das Unternehmen seine Projektpipeline im vergangenen Jahr um 14 GW auf 37 GW erhöhen. Schließlich wurden beim Thema Wasserstoff Projekte in den USA und Europa angestoßen, die BP zu einem der führenden Anbieter machen sollen. Bis zum Jahr 2030 will BP zusätzlich bis zu 8 Mrd. Dollar in die Transformationsfelder investieren. Um die gleiche Größenordnung wurde allerdings auch das Investitionsbudget für die Öl- und Gasproduktion erweitert. Dadurch wird der prognostizierte Rückgang der Förderung bis 2030 nicht wie bislang erwartet 40%, sondern nur rund 25% betragen.
Ein Schritt zurück
Der Konzern begründet dies damit, dass die Bereitstellung bezahlbarer Energie unter den gegenwärtigen geopolitischen Entwicklungen weiter an Bedeutung gewonnen hat. Zugleich verweist der Konzern auf die hohe Profitabilität seines Projektportfolios. Die Ertrags- und Rentabilitätsperspektiven sollten von den höheren Investitionen in die Förderung profitieren. Bezüglich des Themas Nachhaltigkeit können die neuen Planungen allerdings als ein Schritt zurück gewertet werden, was auch an der Reduktion einzelner Emissionsziele (Scope 3) abzulesen ist.
Für das Gesamtjahr 2022 weist BP einen bereinigten Konzerngewinn von 27,7 Mrd. Dollar aus. Aufgrund des äußerst günstigen Marktumfeldes und einer sehr guten operativen Performance konnte der Vorjahreswert damit mehr als verdoppelt werden. Die Nettofinanzschulden wurden von 30,6 Mrd. auf 21,4 Mrd. Dollar (ohne Leasing) reduziert, der niedrigste Wert seit fast einem Jahrzehnt. Als Folge der hohen Wertberichtigungen auf das Russlandgeschäft und des daraus resultierenden Rückgangs des Eigenkapitals reduzierte sich das Gearing nur von 25,3% auf 20,5%. BP hat die seinen Planungen und Bewertungen zugrunde liegenden längerfristigen Prognosen (bis 2030) für den Öl- bzw. Gaspreis auf 70 Dollar/bbl (Brent) bzw. 4,00 Dollar/mmBtu (Henry Hub) angehoben. Das Investitionsbudget bis 2030 wurde ebenfalls von 14 bis 16 Mrd. Dollar p. a. auf 14 bis 18 Mrd. Dollar p. a. erweitert. Unter diesen Prämissen stellt der Konzern für 2030 ein Ebitda von 51 bis 56 Mrd. Dollar in Aussicht.
Blick auf mittlere Laufzeiten
Als Emittent von Eurobonds war BP zuletzt im September 2021 am Markt. Im laufenden Jahr steht noch ein Volumen von rund 1,5 Mrd. Dollar zur Refinanzierung an. Rund 58% der Finanzschulden wurden in Dollar und rund 35% in Euro aufgenommen. Insgesamt sind die Fälligkeiten relativ ausgewogen verteilt. Die langfristigen Anleihen mit einer Laufzeit von elf Jahren rentieren derzeit mit rund 4,2%. Da die Branche aufgrund des sich verändernden Energiemix mittel- bis längerfristig vor größeren strukturellen Veränderungen steht, sind diese Laufzeiten jedoch mit größeren Risiken verbunden. Daher lohnt sich eher ein Blick auf Laufzeiten von fünf und sechs Jahre. Hier liegen die Renditen gegenwärtig bei rund 3,7%. Die Spreads der entsprechenden Bonds notieren über der Marktkurve, die dem durchschnittlichen Rating der Agenturen entspricht, und sind da-her attraktiv gepreist. Wieder anziehende Ölpreise sowie Fortschritte im Rahmen der eingeschlagenen Nachhaltigkeitsstrategie könnten zu Spread-Einengungen führen.
*) Achim Wittmann ist Senior Analyst für den Sektor Öl & Gas bei der Landesbank Baden-Württemberg.