China

Drache im Porzellanladen

In Chinas Finanzkapitale Schanghai rüttelt dieser Tage nicht nur der Taifun „In-Fa“ an den Hochhausfassaden, auch das Marktgeschehen zeigt sich von einem schweren Sturmtief erfasst. Chinas hyperaktive Technologiefirmen werden von einer ganzen Armada...

Drache im Porzellanladen

In Chinas Finanzkapitale Schanghai rüttelt dieser Tage nicht nur der Taifun „In-Fa“ an den Hochhausfassaden, auch das Marktgeschehen zeigt sich von einem schweren Sturmtief erfasst. Chinas hyperaktive Technologiefirmen werden von einer ganzen Armada Pekinger Regulierungsbehörden mit immer neuen Restriktionen belegt, die Aktionäre und Finanzinvestoren schier verzweifeln lassen und eine exorbitante Marktwertvernichtung nach sich ziehen.

Chinas Regierung hat sich dazu aufgeschwungen, die Marktmacht der heimischen Techriesen zu begrenzen, sie in den Dienst einer schwammig umrissenen „sozialen Verantwortung“ zu stellen. Im Jahr des 100. Geburtstags der Kommunistischen Partei fährt China nicht nur einen immer aggressiveren außenpolitischen Konfrontationskurs, sondern versucht auch die Privatwirtschaft mit den agilen Techfirmen als ultrakapitalistische Speerspitze gewaltsam ins Parteidiktat einzubinden. Damit werden ihre Geschäftsmodelle einer Zerreißprobe ausgesetzt, die Wachstumsfantasie wird kompromittiert und die Aktienmarktbewertung einem völlig unkalkulierbaren politischen Risiko ausgesetzt.

Kein Wunder, dass dies an den Börsen wie eine Bombe einschlägt. Chinesische Techwerte reißt es in Hongkong, Schanghai, Shenzhen und nicht zuletzt an der Wall Street in den Abgrund. Letzteres stört Peking freilich wenig, doch müssen sich die Tech-Bändiger die Frage stellen, wie es mit begleitenden Kollateralschäden aussieht. Denn auch die auf dem Festland tonangebende Hundert-Millionen-Schar von Kleinanlegern kriegt es mit der Angst zu tun und schaltet auf Baisse. Entsprechend fallen Leitindizes und breite Marktbarometer in den Korrekturmodus, auch wenn sie wie der CSI300 und der Shanghai Composite kaum wichtige Techwerte umfassen.

Niemand weiß, welcher Sektor als nächster der Parteiwillkür unterworfen wird. Das ist eine Risikokonstellation, auf die insbesondere institutionelle ausländische Anleger nicht gut zu sprechen sind. Nicht nur gilt es, die Bewertung von Corporate China am Aktienmarkt zu überdenken, sondern auch die Vertrauensfrage gegenüber China-Investments im Allgemeinen zu stellen. Erste Rückzugsgefechte zeigen bereits mit einem Renditeauftrieb bei Staatsanleihen und einer Schwächung des Yuan ihre Wirkung. Dem Drachen mangelt es an Feingefühl für Kapitalmarktmechanismen. Mit der Tech-Kampagne ist viel Porzellan zerschlagen worden, und der Vertrauensschaden wird schwer zu kitten sein.

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