„Erwartungen an die Fed beflügeln den Goldpreis“
Im Interview: Dominik Sperzel
„Erwartungen an die Fed beflügeln den Goldpreis“
Leiter des Goldhandels von Heraeus: Zinssenkungen, Konjunktursorgen, Inflationsängste und geopolitische Spannungen treiben Notierung auf Rekordhoch
Der Goldpreis hat am Dienstag mit einem Rekordniveau von 2.531,60 Dollar je Feinunze den bisherigen Höhepunkt seiner Rally markiert. Dominik Sperzel, Leiter des Goldhandels des Edelmetallspezialisten Heraeus in Hanau, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung, was die Gründe für die Rekordfahrt sind.
Herr Sperzel, der Goldpreis hat mit rund 2.531 Dollar je Feinunze Rekordniveau erreicht. Was hat kurzfristig für diesen jüngsten Preisschub gesorgt? Was treibt die schon eine ganze Weile laufende Rally des Goldpreises an? Ist es vor allem die Perspektive der Zinssenkungen in den USA?
Kurzfristig haben vor allem die Erwartungen an eine baldige Zinssenkung durch die US-Notenbank Federal Reserve den Goldpreis beflügelt. Sinkende Zinsen machen Gold als Anlage attraktiver, da die Opportunitätskosten entfallen, die bei verzinslichen Anlagen entstehen. Zudem schwächt eine lockere Geldpolitik der Fed tendenziell den US-Dollar, was den Goldpreis in anderen Währungen, wie dem Euro, weiter steigen lässt. Eine schwache US-Devise macht das Metall in anderen Währungen für Käufer günstiger und damit attraktiver. Hinzu kommt eine Kombination aus geopolitischen Spannungen, insbesondere im Nahen Osten und in der Ukraine, sowie der anhaltenden Unsicherheit über die globale Wirtschaftslage, die Investoren dazu veranlasst hat, verstärkt in sichere Anlagen wie Gold zu investieren.
Und was sind die langfristigen Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Goldpreises?
Langfristig betrachtet wird die Goldrally von einer Vielzahl von Faktoren angetrieben. Die anhaltende Inflation in vielen Ländern treibt Anleger in Sachwerte wie Gold, um ihr Vermögen zu schützen. Gold gilt traditionell als guter Inflationsschutz. Die zunehmenden geopolitischen Spannungen weltweit, insbesondere der Ukraine-Krieg und die Spannungen zwischen den USA und China, erhöhen die Nachfrage nach sicheren Häfen wie Gold. Die Bemühungen einiger Länder, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern, könnten die Nachfrage nach Gold als alternativer Währung verstärken. Und die hohe und steigende Staatsverschuldung in vielen Ländern führt zu Bedenken hinsichtlich der Stabilität des Finanzsystems und treibt Anleger in Sachwerte wie Gold.
Aktuell wird gemäß den Fed Funds Futures in den USA mit drei Zinssenkungen der Fed, eine davon sogar mit mehr als 25 Basispunkten, gerechnet. Sind das auch Ihre Erwartungen?
Bezüglich der erwarteten Zinssenkungen in den USA teilen wir die Einschätzung, dass die Fed sehr wahrscheinlich in den kommenden Monaten zu Zinssenkungen übergehen wird. Die Fed Funds Futures signalisieren derzeit drei Zinssenkungen. Diese Erwartungen spiegeln die wachsende Sorge wider, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleiten könnte, was die Fed dazu zwingen würde, ihre Geldpolitik zu lockern, um die Wirtschaft zu stützen.
Wie entwickeln sich derzeit das Goldangebot und die wichtigen Segmente der Goldnachfrage?
Das Goldangebot hat sich in den vergangenen Jahren relativ stabil entwickelt, wobei die globale Produktion von Minen leicht zugenommen hat. Hinzu kommt das Angebot von Altgold. Der steigende Goldpreis hat in den letzten Monaten dazu geführt, dass sich viele Goldbesitzer von Teilen ihrer Bestände getrennt und entsprechende Mengen auf „den Markt geworfen“ haben. Auf der Nachfrageseite sehen wir jedoch eine starke Zunahme, insbesondere von Zentralbanken, die weiterhin in großem Umfang Gold kaufen, um ihre Reserven zu diversifizieren und sich gegen Währungsrisiken abzusichern. Auch die Nachfrage nach Goldbarren und -münzen von Privatanlegern ist angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten trotz des hohen Preisniveaus immer noch relativ hoch. Im Schmucksektor bleibt die Nachfrage robust, insbesondere in Asien. Weithin interessant ist ein wachsender Nutzen von Gold als Technologiemetall etwa in Elektronikanwendungen.
Gold ist traditionell ein sicherer Hafen für Finanzmittel, sei es als Inflationsschutz oder als Wertaufbewahrungsmittel in Zeiten schwerer Krisen. Wie aktuell ist diese Funktion des Goldes in der aktuellen Lage?
Gold erfüllt weiterhin seine traditionelle Rolle als „safe haven“, besonders in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Unsicherheiten. Angesichts der anhaltenden Inflation und der Unsicherheiten bezüglich der globalen Konjunktur bleibt Gold eine bevorzugte Wahl für Investoren, die einen Schutz vor Kaufkraftverlust und Währungsrisiken suchen. Seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel ist aktueller denn je, da die weltweiten Schuldenstände auf Rekordniveaus angestiegen sind und das Vertrauen in Fiat-Währungen zunehmend infrage gestellt wird.
Notenbanken kaufen derzeit, wie Sie ja schon erwähnten, in hohem Maße Gold, es wird auch viel von der De-Dollarisierung des Welthandels gesprochen. Könnte Gold dabei eine Rolle spielen? Ist das aktuell bereits ein Faktor, der auf die Entwicklung des Goldpreises durchschlägt?
Die zunehmenden Bemühungen um eine De-Dollarisierung des Welthandels haben das Interesse an Gold als alternativem Wertspeicher zusätzlich gesteigert. Einige Länder, insbesondere in Asien und im Nahen Osten, haben ihre Goldkäufe ausgeweitet, um ihre Währungsreserven zu diversifizieren und sich von der Abhängigkeit vom Dollar zu lösen. Diese Entwicklung wirkt sich bereits jetzt auf den Goldpreis aus, da die Nachfrage nach dem Edelmetall als Teil dieser De-Dollarisierungsstrategie zunimmt. Es ist möglich, dass Gold in Zukunft eine noch größere Rolle als globaler Wertspeicher spielen wird, wenn der Trend zur De-Dollarisierung anhält. Nennenswert waren hierbei insbesondere auch chinesische Goldkäufe: Mit Beginn im November 2022 hat Chinas Zentralbank mehr Gold als weltweit jede andere Notenbank gekauft – auch wenn die Käufe über die vergangenen zwei Monate ausgesetzt wurden.
Die Fragen stellte Dieter Kuckelkorn.
Die Fragen stellte Dieter Kuckelkorn.