„Erste Anleihen erfolgreich mit großen Orderbüchern emittiert“
Herr Anev Janse, wie hoch ist das Finanzierungsvolumen für den ESM und die EFSF in diesem Jahr und wie sieht es im Vergleich zu 2024 aus?
Für 2025 planen wir eine Gesamtrefinanzierung von 28,5 Mrd. Euro, davon 21,5 Mrd. Euro für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität – EFSF – und 7 Mrd. Euro für den Europäischen Stabilitätsmechanismus – ESM. Dieses Volumen ist aufgrund des höheren Refinanzierungsbedarfs etwas über den 26 Mrd. Euro des vorigen Jahres. Neben dem langfristigen Anleiheprogramm haben wir auch unser Bill-Programm, mit dem wir drei- und sechsmonatige Laufzeiten emittieren und welches voriges Jahr 24,6 Mrd. Euro umfasste. Darüber hinaus haben wir 2024 ein neues Finanzierungsinstrument eingeführt: Euro Commercial Paper – ECP –, um den kurzfristigen Liquiditätsbedarf noch besser abzudecken. Im Jahr 2024 emittierten wir ECP über ca. 3,5 Mrd. Euro mit einer durchschnittlichen Laufzeit von drei Wochen. Wir planen auch 2025 die gesamte Palette unserer Finanzierungsinstrumente zu nutzen und unsere Präsenz auf dem Markt von sehr kurzfristigen bis hin zu langfristigen Bonds sicherzustellen.
Wie hoch ist das derzeit ausstehende Bondvolumen der beiden Institutionen?
Derzeit haben wir insgesamt 271,1 Mrd. Euro an ausstehenden Anleihen, 192,7 Mrd. von der EFSF und 78,4 Mrd. vom ESM, einschließlich 6 Mrd. auf US-Dollar lautende Anleihen. Zusätzlich haben wir 8,7 Mrd. Euro an ausstehenden Bills. Damit entsprechen wir auf dem Anleihemarkt einer ähnlichen Größenordnung wie Österreich.
Derzeit wird auf den Märkten verstärkt diskutiert, dass die Platzierbarkeit von Anleihen in diesem Jahr zurückgehen könnte. Teilen Sie diese Ansicht?
Ich glaube, wir haben einen gesunden Markt. Wir sind von der schnellsten Zinserhöhungsphase zu Zinssenkungen im Jahr 2024 übergegangen. Die Anleger versuchen nun, sich höhere Zinssätze zu sichern. Die hoch benoteten Anleihen von ESM und EFSF, der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank – EIB – bieten gute Renditen und sind sehr sichere und zuverlässige Instrumente. Die ersten Anleihen dieses Jahres wurden erfolgreich mit großen Orderbüchern emittiert. Es ist auch zu bedenken, dass viele Emittenten voriges Jahr ihre Emissionsaktivitäten bereits früh abgeschlossen haben – wir haben unser Funding-Programm bereits im September 2024 abgeschlossen. Daher gibt es nun eine beträchtliche Anzahl von Investoren, die darauf warten, dass die Emittenten dieses Jahr bald auf den Markt kommen.
Experten zufolge könnten die ausufernden Staatsschulden und wachsenden Haushaltsdefizite der Regierungen zu einem ernsthaften Problem für die Märkte werden und zu einer Krise führen. Diese Diskussion wird bereits seit mehreren Jahren geführt. Teilen Sie diese Bedenken?
Europa steht vor Herausforderungen. Ich sehe jedoch derzeit keine Krise aufgrund ausufernder Staatsverschuldung. Die Märkte erwarten für 2025 einen leichten Rückgang des Bruttoemissionsvolumens, allerdings begleitet von einem weiteren Anstieg des Nettoanleiheemissionsvolumens durch die Staaten des Euroraums im Vergleich zu 2024 und 2023. Allerdings werden sich solche Entwicklungen in den einzelnen Ländern des Euroraums unterschiedlich gestalten.
Der Bund-Swap-Spread ist im November zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren negativ geworden. Wie sieht es mit dem ESM/EFSF aus, ist der Swap-Spread auch für Sie negativ?
Wir beobachten diese Entwicklung genau. Die Verbilligung von Bundesanleihen – und damit auch im weiteren Sinn von den Anleihen der EFSF und des ESM gegenüber Swaps, wenn auch in geringerem Maße – lässt sich durch den stetigen Anstieg des Streubesitzes von Bundesanleihen aufgrund der verstärkten Anleiheemissionen durch Regierungen und das Auslaufen der Anleihekäufe durch die Zentralbank erklären. Wir sehen dies für europäische supranationale Emittenten wie EFSF und ESM als weniger besorgniserregend an, aber es ist ein Warnsignal für Mitgliedstaaten mit großem Finanzierungsbedarf. ESM/EFSF blieben gegenüber Swapgeschäften positiv. Gegenüber dem Bund engte sich der Spread im zehnjährigen Laufzeitenbereich innerhalb eines Jahres von 55 auf 36 Basispunkte ein.
Was schließen Sie aus dem negativen Swap-Spread? Erwarten Sie, dass er in diesem Jahr anhält oder sich normalisiert?
Der negative Swap-Spread kann auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden. Im Jahr 2022, als die Geldpolitik gestrafft wurde, befanden sich die Anleihebestände des Eurosystems noch auf ihrem Höchststand, was zu einer Divergenz zwischen den höheren Swap-Sätzen und den niedrigeren Anleiherenditen führte. Bis 2024 hat sich dies umgekehrt: Die Geldpolitik befindet sich im Lockerungsmodus, was die Swap-Sätze senkt, während das steigende Anleiheangebot die Anleiherenditen nach oben drückt. Höhere Swap-Spreads können manchmal ein systemisches Risiko widerspiegeln, aber das scheint dieses Mal nicht der Fall zu sein. Wir sehen auch keine Anzeichen für ein steigendes Redenominierungsrisiko.
Welche Veränderungen erwarten Sie in diesem Jahr auf den Anleihemärkten, auch unter Berücksichtigung der neuen US-Präsidentschaft von Donald Trump?
Am Tag von Trumps Amtseinführung sind wir im Euro SSA-Markt aktiv gewesen. Es stellte sich heraus, dass es eines der größten Orderbücher in der Geschichte des EFSF war. Die Unterstützung der Investoren für Europa und den Euro ist stark. Für die Anleihemärkte kommt hinzu, dass die strategische Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre die Stärkung der europäischen Sicherheit und Verteidigung, der Wettbewerbsfähigkeit und die Vertiefung des Binnenmarktes vorsieht. Investoren müssen die neue Ausrichtung der EU und die neuen finanziellen Möglichkeiten im Auge behalten. Wir haben auch einige interessante Verschiebungen in der Investorenbasis beobachtet: 2024 haben asiatische Investoren fast ein Viertel der ESM/EFSF-Anleihen erworben, was ihre größte Beteiligung seit 2011 markiert. Auch das Interesse von Zentralbanken weltweit an EFSF/ESM-Anleihen ist gestiegen.
Welchen Einfluss wird KI Ihrer Meinung nach 2025 auf den elektronischen Anleihehandel haben?
Der elektronische Handel mit EFSF/ESM-Anleihen hat in den vorigen zehn Jahren zugenommen: von 40% auf 60% des Volumens und von 55% auf 80% bei der Anzahl der Transaktionen. Dieser Trend unterstreicht die zunehmende Abhängigkeit von elektronischen Plattformen für den Anleihehandel. Ich gehe davon aus, dass künstliche Intelligenz – KI – dieses Jahr eine immer wichtigere Rolle bei der Emission von Anleihen und bei Investitionsentscheidungen spielen wird. Beim ESM untersuchen wir ebenfalls, wie KI in verschiedene Bereiche integriert werden kann.
Die Anleiheemissionen der EU, der EIB und Ihrer Institution zusammen überstiegen 2024 die Marke von 1 Bill. Euro. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung dieser europäischen sicheren Vermögenswerte in diesem Jahr?
Wir sind bei der Emission europäischer sicherer Vermögenswerte von der EU-Kommission, der EIB und sowohl der EFSF als auch dem ESM von Milliarden auf Billionen gestiegen. Man sollte bedenken, dass der ESM auf dem Markt zu günstigeren Zinssätzen Kredite aufnimmt als 16 der 20 Länder des Euroraums, wobei die Finanzierungskosten unter dem BIP-gewichteten Durchschnitt der Finanzierungskosten des Euroraums liegen. Gleichzeitig verfügt der ESM über eine Darlehenskapazität von fast 430 Mrd. Euro, die weiter wächst, da die Länder, die während der Euro-Schuldenkrise Hilfe von der EFSF und dem ESM erhalten haben, ihre Kredite weiter zurückzahlen. Die Finanzierung öffentlicher Güter durch europäische Institutionen kann Ländern dabei helfen, ihre öffentlichen Finanzen zu konsolidieren, Raum für Investitionen zu schaffen und sich vor zukünftigen Schocks zu schützen. In Anbetracht der strategischen Agenda Europas und der Analyse in den Berichten von Mario Draghi und Enrico Letta haben die europäischen Institutionen das Potenzial, noch viel mehr zu tun. Das Geld ist da, wenn der politische Wille vorhanden ist.
IM INTERVIEW: KALIN ANEV JANSE
„Erste Anleihen erfolgreich emittiert“
CFO des ESM über Funding-Bedarf 2025 und die Aufnahmefähigkeit der Bondmärkte – Investoren warten auf Emittenten – Bund-Swap-Spread im Blick
Kalin Anev Janse, CFO des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und des Euro-Rettungsfonds, erachtet die Platzierungsfähigkeit von Bonds an den Märkten als gut. Die ersten Papiere seien erfolgreich an den Markt gebracht worden – mit hohen Orders. Genau verfolgt wird die Entwicklung des Bund-Swap-Spreads.
Das Interview führte Kai Johannsen. Das vollständige Interview können Sie auf www.boersen-zeitung.de lesen.