Ethereum macht den nächsten Schritt
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Nach der Euphorie um den Start der ersten Bitcoin-ETFs in den USA hat sich der Kryptomarkt in der laufenden Woche abgekühlt. Doch die mit einer Marktkapitalisierung von über 470 Mrd. Dollar zweitgrößte Cyberdevise Ether hat gegenüber Marktprimus Bitcoin, aber auch den kleineren Konkurrenten Binance Coin und Ada auf Sicht von sieben Tagen eine Outperformance hingelegt. Denn in einem eingetrübten Marktumfeld sind die spezifischen Eigenschaften der Blockchains, die den Digitalwährungen zugrunde liegen, wieder in den Investorenfokus gerückt.
Dabei zieht auch ein für Mittwoch angesetztes Upgrade der Ethereum-Blockchain die Aufmerksamkeit auf sich. Dieses trägt den Namen „Altair“ und ist Teil einer großangelegten Umstellung, die das Netzwerk effizienter und umweltfreundlicher machen soll. Denn in ihrem Zuge wird der bei der Entstehung neuer Ether-Einheiten verwendete Algorithmus von der Proof-of-Work-Variante (PoW) auf das weniger energieintensive Proof-of-Stake-Verfahren (PoS) umgestellt.
Während Miner bei PoW eine zufällige Zahl finden müssen, um der Chain einen Block hinzufügen zu dürfen, entfällt dieses rechenaufwendige Wettrennen bei PoS. Stattdessen frieren Staker einen gewissen Anteil an Kryptowerten der Blockchain ein – sie akzeptieren also, dass sie diese für eine Zeit nicht handeln können und somit keine Möglichkeit zur Reaktion auf Marktbewegungen besitzen. Nach der Höhe dieses Anteils richtet sich, wer den Zuschlag zur Blockvalidierung erhält.
Was technisch klingt, könnte laut Analysten große Wirkung entfalten. Denn institutionelle Investoren schreckten aufgrund von Nachhaltigkeitsbedenken häufig vor Kryptoengagements zurück. Eine Verringerung des Energieverbrauchs könne sie von Anlagen in Ether überzeugen.
Das Altair-Upgrade sehen Marktbeobachter als nächsten wichtigen Schritt von Ethereum auf dem Weg zu PoS. Damit sollen die Regeln für die Betreiber der Knotenpunkte („Nodes“), die alle Teilnehmer von Ethereum miteinander verbinden, gestrafft werden. Ihnen drohen unter anderem erstmals automatisierte Strafzahlungen, wenn sie offline gehen oder missbräuchlich handeln. Halten sich mehr Teilnehmer an die Regeln, funktionieren Abläufe auf der Blockchain auch reibungsloser, so die Logik.
Doch bereits vor den entscheidenden Schritten bei der Umstellung auf das Proof-of-Stake-Verfahren standen die spezifischen Vorteile von Ether gegenüber Bitcoin im Fokus der Investoren, wie auch die Betrachtung der längerfristigen Performance zeigt. So hat die zweitgrößte Kryptowährung ihren Wert auf Jahressicht mehr als verzehnfacht, der Marktprimus kommt in diesem Zeitraum auf einen Kursgewinn von knapp 345%.
First-Mover-Vorteil
Die Diskrepanz dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass Ethereum im Gegensatz zur Bitcoin-Blockchain mit Smart Contracts beschrieben werden kann. Dabei handelt es sich um Computerprotokolle, die Verträge abbilden sowie Transaktionen automatisiert und dezentral ausführen können. Smart Contracts stellen eine wichtige Voraussetzung für das heiße Trendthema Decentralised Finance (DeFi) dar. Der Grundgedanke hinter DeFi besteht darin, klassische Finanzkonzepte und -produkte mit Distributed-Ledger-Technologien zu verbinden und zentrale Intermediäre wie Börsenmakler und Banken abzulösen. Stattdessen soll eine offene, transparente und nutzergeführte Finanzinfrastruktur entstehen. Auch mehrere kleinere Blockchains wie Cardano sind Smart-Contract-fähig, viele Marktstrategen schreiben Ethereum aber einen klaren First-Mover-Vorteil zu.
Dass zahlreiche realwirtschaftliche Projekte an Ethereum angeschlossen sind, macht das Netzwerk zwar zum beliebten Ziel von Cyberkriminellen. Der Nutzeraktivität auf der Blockchain tut dies aber offenbar keinen Abbruch, sie liegt seit Jahresbeginn stabil im Korridor von 1 bis 1,3 Mill. Transaktionen pro Tag – mit einem Ausreißer auf den Rekordwert von über 1,7 Mill. Anfang Mai.
Trotz der Rückbesinnung auf fundamentale Eigenschaften der verschiedenen Cyberdevisen sind im Kryptomarkt noch immer zahlreiche spekulative Elemente unterwegs, wie auch die gewaltige Rally der Digitalwährung Shiba Inu seit Monatsbeginn unterstreicht. Tesla-Chef Elon Musk löste den Hype um die inzwischen elftgrößte Cyberdevise mit aus, als er ein Foto seines Shiba-Inu-Hundewelpen über Social Media verbreitete. Zusätzlichen Auftrieb erhielt der Coin dadurch, dass er inzwischen über die Kryptobörse Coinbase und den Neobroker Public.com handelbar ist. Zudem geht eine Petition für eine Aufnahme von Shiba Inu ins Angebot des Neobrokers Robinhood um.
Auch bei der zweitgrößten Cyberdevise bereiten sich bullishe Investoren offenbar auf den nächsten Hype vor. Laut dem Kryptmarketmaker B2C2 positionieren sich Anleger über den Optionsmarkt für den Start von Exchange Traded Funds auf Ether. Der Gegenwert des Open Interest von Ether-Terminkontrakten ist laut den Analysten von Bloomberg Intelligence zuletzt stark gestiegen. Damit sei eine Einführung futuresbasierter ETFs auf die Cyberdevise nur noch eine Frage der Zeit.
Zuletzt erschienen:
Rekordflut am Kryptomarkt (22. Oktober)
Frauen krempeln die Kryptowelt um (19. Oktober)
Geldwäsche-Regulierung zieht an (15. Oktober)