„Extrem positiver Effekt“
Wolf Brandes.
Frau Bänninger, die meisten Staatsanleihen der entwickelten Länder liegen beim Zins unter null. Daran hat sich durch den Anstieg der Renditen wenig geändert. Wofür braucht man noch Staatsanleihen?
Durch den deutlichen Zinsanstieg mussten US-Staatsanleihen seit Beginn des Jahres einen negativen Return hinnehmen. Die Frage ist jetzt, ob eine Rendite von 1,6% bei zehnjährigen Treasuries attraktiv ist oder nicht. Wenn Sie als Investor nicht glauben, dass die Zinsen weiter schnell ansteigen, dann können US-Staatsanleihen in einem gut diversifizierten Anleihen-Portfolio durchaus reizvoll sein, auch in Erwartung steigender Volatilität.
Wie sieht Ihre Einschätzung bei Bundesanleihen aus?
Die Frage haben wir uns natürlich in den vergangenen fünf Jahren immer wieder gestellt, denn damals waren die Renditen sehr niedrig und zum Teil auch schon mal negativ. Es wäre meistens falsch gewesen, nicht in Bundesanleihen oder Schweizer Obligationen zu investieren. Die Situation hat sich aber grundsätzlich geändert. Wir rechnen nicht mehr mit einem weiteren Rückgang der Renditen, und daher sind heute schweizerische Staatsanleihen und Bundesanleihen unattraktiv.
Welche Staatsanleihen sind aus Ihrer Sicht noch attraktiv?
Das sind australische Anleihen sowie inflationsgesicherte Anleihen. Aber insbesondere chinesische Staatsanleihen lohnen einen Blick. Wenn Sie diese Titel dem Portfolio beimischen, hat es einen extrem positiven Effekt auf die Diversifikation. Zudem rentieren chinesische zehnjährige Anleihen derzeit immerhin mit 3,2%.
Ist es nicht ein starkes Risiko, in ein traditionelles Bondportfolio chinesische Staatstitel zu kaufen?
China ist kein exotischer Markt mehr. Seit 2010 hat er sich verfünffacht und ist nun der zweitgrößte nach den USA. Der Markt ist nicht mehr zu ignorieren und wird deshalb auch für Bondinvestoren immer wichtiger. Besonders hervorzuheben ist aber, dass die Korrelation zwischen dem chinesischen Anleihenmarkt und den anderen Märkten sehr klein, wenn nicht sogar negativ ist. Interessant ist auch, dass der Renditeanstieg seit Jahresanfang in China nur 15 Basispunkte bei zehnjährigen Staatsanleihen betragen hat, während bei US-Papieren die Rendite um 70 Basispunkte nach oben geschnellt ist.
Und das Währungsrisiko?
Wir sprechen über lokale Währung. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, dann muss man konstatieren, dass der Renminbi relativ stabil ist. China ist ganz klar einer unserer Favoriten, wobei man auch sagen muss, dass Asien generell aus unserer Sicht die Wachstumsregion ist.
Zurück zum Zinsanstieg in Europa und den USA. Hat Sie die Entwicklung an den Bondmärkten in den letzten Wochen überrascht?
Ich hatte den Eindruck, dass die Finanzmärkte die Zentralbanken testen wollten, ab welchem Punkt diese ihre Politik nicht mehr verteidigen. Das erklärt aus meiner Sicht nur teilweise, warum die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs so enorm war. Es gibt natürlich noch andere Faktoren, die dazu beigetragen haben, wie zum Beispiel die Befürchtung, dass die enormen fiskalischen und monetären Maßnahmen insbesondere in den USA zu einer Überhitzung der Konjunktur und einer damit einhergehenden höheren Inflation führen könnten. Das wiederum könnte in einem weiteren Schritt die US-Notenbank zu sukzessiven Leitzinserhöhungen verleiten.
Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, denn die Fed hat immer wieder gesagt, dass sie sehr flexibel auf die Entwicklungen reagieren wird und dass sie die Zinsen längere Zeit nicht erhöhen würde. Jerome Powell hat zudem bei einer Anhörung vor dem US-Senat noch einmal bekräftigt, dass die US-Wirtschaft weit von ihrem Inflationsziel entfernt und noch für geraume Zeit auf Hilfen der Währungshüter angewiesen sei. Zudem dürfte die Fed vorerst an der Aussage festhalten, dass auch die Inflation einige Zeit über dem Zielkorridor liegen kann und man sich auf einen längerfristigen Durchschnitt konzentrieren wird.
Und wie sieht es mit der konjunkturellen Überhitzung aus?
Das ist schon ein gewaltiges Paket, was da beschlossen wurde. 1,9 Bill. Dollar entsprechen rund 10% des BSP der USA, und wenn davon 70% in den Konsum fließen, wird dies zu einem zusätzlichen Wachstumsschub führen. Der Zinsanstieg ist daher auch auf diese Wachstumsaussichten zurückzuführen. Als positiver Faktor kommt für die USA – und auch für Großbritannien – hinzu, dass die Impfkampagnen in diesen Ländern enorm effizient laufen. Die Konjunkturerholung wird also auch von dieser Seite unterstützt.
Wo sehen Sie im Bereich der Anleihen weitere Chancen ?
Einer unserer Favoriten sind asiatische Unternehmensanleihen und dabei insbesondere Titel aus dem High-Yield-Segment. Diese Papiere überzeugen mit einer geringen Zinssensitivität und einer Rendite von mehr als 6%. Auch Investment-Grade-Emissionen im Emerging-Market-Segment sind weiter attraktiv. Dort kann man immer noch mit einer Rendite von ungefähr 4% rechnen. Anders als bei chinesischen Staatsanleihen investieren wir hier grundsätzlich in US-Dollar-denominierte Anleihen. Aber um es klar zu sagen: Es gibt keinen „free lunch“; wenn man für US-Treasuries 1,6% Rendite bekommt und für asiatische High-Yield-Anleihen gut 6%, dann ist der relative Qualitätsunterschied offensichtlich. Daher sollte man besonderen Wert auf Credit-Research legen. Dann ist das Risiko überschaubarer.
Wie schätzen Sie den Dollar ein?
Wir glauben wie gesagt, dass wir in Amerika einen starken Konsum sehen werden. Und wenn der Lockdown einmal vorbei ist, wird es einen enormen Wachstumsschub geben. Auch das gestiegene Zinsniveau macht den Dollar wieder attraktiver. Der Dollar kann dabei noch an Stärke gewinnen. Allerdings sind wir momentan eher neutral positioniert.
Wie schätzen Sie die Risiken bei Unternehmensanleihen ein?
Generell sind die Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen gering und teilweise auf Levels, die wir vor dem Corona-Ausbruch gesehen haben. Außerdem gehen wir davon aus, dass Konkurse eher wieder zunehmen werden. Andererseits gibt es mehrere Branchen, in denen sich die Unternehmen noch nicht vollständig von der Coronakrise erholt haben, beispielsweise die Reisebranche. Dort finden sich jetzt Opportunitäten. Aber auch hier sollte ein Experte die Titelselektion vornehmen.
Worauf kommt es in diesen Tagen beim Bondmanagement an?
Credit-Research wird immer wichtiger. Wenn man im Bereich von Sub-Investment-Grade investieren will, geht das nur mit gutem Know-how. Die Titelselektion steht dabei im Vordergrund. Davon kann man nur mit aktivem Bond-Management profitieren, da bei einem passiven Portfolio einfach der gesamte Vergleichsindex abgebildet wird.
Wie global muss man dazu aufgestellt sein?
Unser Portfoliomanagement geht von New York, Chicago, London, Zürich bis nach Schanghai, um nur einige Standorte zu nennen. Kaum ein anderer Assetmanager ist wirklich so global aufgestellt. Manche sagen es, aber am Ende werden die meisten Entscheidungen doch zum Beispiel nur in Kalifornien getroffen.
Das Interview führte