Volatilität

Frisst die Inflation die Rendite?

Langfristig werfen sowohl Aktien- als auch Renteninvestments positive reale Renditen ab. Allerdings müssen Anleger mit heftigen zwischenzeitlichen Einschlägen leben.

Frisst die Inflation die Rendite?

Die hohe Inflation beschäftigt längst nicht nur die Verbraucher. Auch bei der Geldanlage wird die Inflation zur immer größeren Herausforderung. Die Zinsen für zehnjährige US-Staatsanleihen sind in den vergangenen 25 Monaten um gut 3,5% angestiegen und haben die Rentenmärkte damit auf eine massive Talfahrt geschickt. Dennoch liegen die Renditen noch immer weit unter der Inflationsrate. In den USA hat die Teuerung mit mehr als 9% im Juni ein 40-Jahres-Hoch markiert. In Deutschland lag der Preis­auftrieb zuletzt bei 10% – ein Rekord für das wiedervereinigte Deutschland. Was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger? Bei der Geldanlage geht es schließlich nicht nur darum, das eingesetzte Kapital nominal zu erhalten. Auch die reale Rendite soll langfristig positiv ausfallen.

Die gute Nachricht zuerst: Langfristig haben sowohl Aktien- als auch Renteninvestments diese Anforderung erfüllt. Wer Ende 1973 einen Betrag von 100 US-Dollar in US-Staatsanleihen investierte, durfte sich im September des aktuellen Jahres 2022 über einen Depotwert von 2099 US-Dollar freuen. Aus der Gesamtrendite von fast 2000% in knapp 50 Jahren errechnet sich eine p.a. Rendite von 6,44%. Nach Abzug der Inflation von etwa 4% p.a. verbleibt ein realer Wertzuwachs von 227% bzw. 2,46% p.a. Wer sich zum gleichen Zeitpunkt für ein Aktieninvestment in Höhe von 100 US-Dollar entschied, hat heute 3675 Dollar im Depot. Das entspricht einer Nominalrendite von 7,67% p.a. und einer Realrendite von 3,64% p.a.

Heftige Einschläge

Allerdings brauchen Anlegerinnen und Anleger auf dem Weg zur positiven Realrendite einen langen Atem und starke Nerven. Denn schon nominal sind die zwischenzeitlichen Einschläge heftig. Den höchsten Verlust der vergangenen 75 Jahre verbuchte der S&P 500 während der Finanzkrise mit einem Minus von 53%. Drawdown-Phasen von mehr als sieben Jahren gab es sowohl während der Zeit der Ölkrisen in den 70ern als auch nach dem Platzen der Dotcom-Blase.

Unter Einrechnung der Inflation verloren US-Aktien sowohl während der Zeit der Ölkrisen als auch während der Finanzkrise jeweils mehr als 60% an Wert. Die längste durchgehende reale Verlustphase begann 1968 und endete erst 25 Jahre später.

Auf der Rentenseite dauerte es in den vergangenen 50 Jahren angesichts vieler Jahrzehnte mit hohen Zinsen nominal nie länger als drei Jahre, bis ein Verlust aufgeholt war. Mit einem maximalen Verlust von gut 7% in den frühen 80ern blieben die Verluste zudem überschaubar. Real verloren US-Renten bis in die frühen 80er allerdings 27% ihres Wertes. Bis zur Aufholung vergingen mehr als sechs Jahre.

Am Rentenmarkt ist die aktuelle Marktphase schon jetzt ein Fall für die Geschichtsbücher. Der nominale Drawdown ist mit knapp 17% der höchste der vergangenen 50 Jahre. Mit nunmehr bereits mehr als zwei Jahren ist auch hinsichtlich der Dauer dieser Phase ein neuer Rekord wahrscheinlich. Und auch real lässt sich mit mehr als minus 27% eine neue Höchstmarke vermelden. Die bisherige Rekordmarke wurde im September knapp übertroffen.

Auf der Aktienseite ist die Situation etwas weniger dramatisch. Nominal liegt der aktuelle Drawdown bei 25%. Real ist der aktuelle Verlust von 29% allerdings schon jetzt der dritthöchste der vergangenen 75 Jahre.

Stellt sich zwangsläufig die Frage, ob sich solche geschichtsträchtigen Ereignisse auch in den Volatilitäten widerspiegeln. Im Fall von Staatsanleihen lautet die Antwort ganz klar „ja“. Die implizite Dreimonats-Volatilität des US Treasury Future ist auf den höchsten Stand seit der Finanzkrise geklettert. Seit dem Beginn des Zinsanstieges hat sie sich damit mehr als verdoppelt.

Anlegerinnen und Anleger werden also weiterhin starke Nerven brauchen. Und möglicherweise wird es diesmal noch länger dauern, bis sie für ihre starken Nerven belohnt werden.