Bondmärkte

Globale Staats­schuld steigt auf Rekord­niveau

Die Verschuldung der Staaten markiert Rekorde – zeigt das globale Schuldenbarometer von Janus Henderson. Bonds bescherten Anlegern in den vergangenen Dekaden beeindruckende Renditen. Aber wie geht es weiter?

Globale Staats­schuld steigt auf Rekord­niveau

kjo Frankfurt

Die weltweite Staatsverschuldung wird in diesem Jahr auf einen Rekordwert von fast 72 Bill. Dollar (die Billion im dt. Sinn) steigen. Und die Zinslast wird sich drastisch erhöhen und eine erhebliche Belastung für die Steuerzahler bedeuten; Steuerzahler müssen ein Siebtel mehr an Zinszahlungen leisten – das sind zentrale Aussagen des Janus Henderson Sovereign Debt Index, der heute veröffentlicht wird und der Börsen-Zeitung bereits vorliegt. Der Sovereign Debt Index – ein globales Staatsschuldenbarometer – ist eine Langzeitstudie über die Entwicklung der weltweiten Staatsverschuldung, die sich daraus ergebenden Anlagemöglichkeiten und die damit verbundenen Risiken. Der Index ermittelt den Umfang, in dem sich die Staaten weltweit mit Bonds finanzieren, wie erschwinglich und nachhaltig diese sind, und vergleicht sowie kontrastiert die Trends. Janus Henderson Group ist ein weltweit führender aktiver Vermögensverwalter, der per 31. Dezember 2021 ein Anlagevermögen von etwa 432 Mrd. Dollar (gut 380 Mrd. Euro) hatte.

USA und Japan liegen vorn

Laut dem zweiten jährlichen Janus Henderson Sovereign Debt Index wird die weltweite Staatsverschuldung dieses Jahr um 9,5% steigen, also um 6,2 Bill. Dollar auf einen Rekordwert von 71,6 Bill. Dollar. Der Anstieg werde insbesondere von den USA, Japan und China verursacht werden, obwohl fast alle Länder weitere Kredite aufnehmen dürften. Die globale Staatsverschuldung kletterte im vorigen Jahr bereits auf den Re­kordwert von 65,4 Bill. Dollar. Nachdem die Länder netto zusätzliche 4,7 Bill. Dollar aufgenommen hätten, sei die Staatsverschuldung währungsbereinigt um 7,8% nach oben gegangen. Seit Ausbruch der Pandemie sei die Staatsverschuldung weltweit um mehr als ein Viertel gestiegen – von 52,2 Bill. Dollar im Januar 2020 auf den heutigen Höchstwert.

In allen vom Assetmanager be­rücksichtigten Ländern ist die Verschuldung 2021 gestiegen. „Chinas Schulden legten gemessen an den Barmitteln am schnellsten und deutlichsten, nämlich um 650 Mrd. Dollar bzw. ein Fünftel zu“, heißt es in dem Report. Von den großen Industrieländern habe Deutschland den größten prozentualen Anstieg verzeichnet: Die Verschuldung sei um ein Siebtel (+14,7%) geklettert – und damit fast doppelt so kräftig wie der weltweite Durchschnitt. Daniela Brogt, Head of Sales Germany & Austria bei Janus Henderson: „Glücklicherweise konnte Deutschland von deutlich niedrigeren Zinssätzen profitieren, so dass sein Schuldendienst 2021 nur 21 Mrd. Dollar betrug. Allerdings wird sich dieses Jahr die Zinslast erhöhen – denn die negativen Renditen, die es dem deutschen Staat ermöglicht haben, Anleihen zu emittieren und dafür Geld zu erhalten, gehören zunehmend der Vergangenheit an. Für einen passiven Anleger ist es eine riskante Zeit, für den aktiven Investor sehen wir jedoch vielversprechende Chancen.“

Trotz der steigenden Verschuldung seien die Schuldendienstkosten niedrig geblieben. Im vorigen Jahr habe der Effektivzins für alle Staatsschulden weltweit bei nur 1,6% gelegen, gegenüber 1,8% im Jahr 2020. Damit seien die Gesamtkosten für den Schuldendienst auf 1,01 Bill. Dollar gesunken, verglichen mit 1,07 Bill. Dollar 2020. Die kräftige Weltwirtschaftserholung habe dazu geführt, dass sich das Verhältnis zwischen Schulden und Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 87,5% im Jahr 2020 auf 80,7% im Jahr 2021 verbessert habe, da die Konjunkturbelebung den Schuldenzuwachs überstiegen habe.

Die weltweite Zinslast wird laut Janus Henderson währungsbereinigt um etwa ein Siebtel (14,5%) auf 1,160 Bill. Dollar in diesem Jahr steigen. „Die größten Auswirkungen dürfte Großbritannien spüren: steigende Zinssätze, Folgen der höheren Inflation auf den hohen Anteil britischer indexgebundener Anleihen und die Kosten für die Beendigung des QE-Programms. Steigende Zinsen sind mit erheblichen Fiskalkosten für die Aufhebung von QE verbunden. Die Zentralbanken werden Verluste bei ihren Anleihebeständen verzeichnen, wofür die Steuerzahler aufkommen müssen“, so die Einschätzung der Experten.

Bondmärkte nähern sich an

In der Pandemie näherten sich die Anleihemärkte zunächst weltweit an. Jetzt würden die Märkte divergieren. „Die USA, Großbritannien, Europa, Kanada und Australien setzen auf eine Straffung der Geldpolitik, um die Inflation zu bremsen – sowohl durch höhere Zinssätze als auch durch vorsichtige Schritte zur Reduzierung der quantitativen Lockerungsprogramme. Im Gegensatz dazu fördert die chinesische Zentralbank die Wirtschaft mit einer lockeren Geldpolitik“, heißt es im Report.

Janus Henderson sieht in Anleihen mit kürzerer Laufzeit Anlagechancen, da sie weniger anfällig für Marktveränderungen sind. Nach Einschätzung der Experten erwarten die Märkte mehr Zinserhöhungen, als voraussichtlich erfolgen werden. Dies bedeutet, dass Anleihen mit kürzerer Laufzeit profitieren werden, sollte der Zinserhöhungszyklus früher enden. Bethany Payne, Portfoliomanagerin Global Bonds bei Janus Henderson, sagt: „Die Pandemie hatte enorme Auswirkungen auf die staatliche Kreditaufnahme, und die Nachwehen werden noch geraume Zeit zu spüren sein. Auch die sich in der Ukraine abspielende Tragödie dürfte die westlichen Regierungen unter Druck setzen, mehr Kredite aufzunehmen, um höhere Verteidigungsausgaben zu finanzieren.“ Trotz der jüngsten Volatilität gebe es auf den Staatsanleihemärkten Chancen für Anleger. In den ersten Jahren der Pandemie habe die Konvergenz der weltweiten Anleihemärkte im Mittelpunkt gestanden. In den USA, Großbritannien, Kanada, Europa und Australien finde derzeit ein Kurswechsel statt. „Diese Länder versuchen nun, die Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation zu straffen, während andere Regionen immer noch eine lockere Geldpolitik verfolgen. Bei der Asset Allocation gibt es zwei Regionen, die Chancen bieten. Zum einen China, das seine Geldpolitik aktiv lockert, und zum anderen die Schweiz, die besser vor Inflationsdruck geschützt ist, da Energie einen viel geringeren Prozentsatz ihres Inflationskorbs ausmacht und ihre Geldpolitik zwar an die der EZB gebunden ist, aber hinter dieser zurückbleibt.“

Kurze Laufzeiten attraktiv

Neben der Auswahl der richtigen Regionen halten die Experten Bonds mit kürzerer Laufzeit im Vergleich zu risikoreicheren langfristigen Anleihen derzeit für attraktiv. In Zeiten steigender Inflation und Zinsen sei es leicht, festverzinsliche Wertpapiere als Anlageklasse zu verwerfen, zumal die Bewertungen von Anleihen im historischen Vergleich relativ hoch seien. „Die Bewertung vieler anderer Anlageklassen ist jedoch noch höher, und die Gewichtung von Staatsanleihen unter Anlegern ist relativ gering. Eine Diversifizierung ist also durchaus vorteilhaft. Außerdem haben sich die Märkte weitgehend auf höhere Inflationserwartungen eingestellt. Wer heute Anleihen kauft, profitiert also von höheren Renditen als noch vor einigen Monaten, wodurch sie günstiger sind.“

Das längerfristige Bild der Schuldenentwicklung auf globaler Ebene zeigt laut Janus Henderson einen dramatischen Wandel. Die weltweite Staatsverschuldung hat sich demzufolge in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast verdreifacht. Die Zinssenkungen, die zunächst mit der globalen Finanzkrise und dann mit der Pandemie einhergegangen seien, würden jedoch bedeuten, dass die Zinskosten nur um ein Drittel gestiegen sind. Die Staatsverschuldung pro Person habe ebenfalls immer stärker zugenommen während der vergangenen drei Jahrzehnte (vgl. Grafik).

Beeindruckende Renditen

„Staatsanleihen haben den Anlegern langfristig beeindruckende Renditen beschert“, halten die Experten fest. Zwischen 1995 und Ende 2020 beliefen sich die Renditen auf insgesamt 308%. „Dabei handelt es sich um eine Kombination aus den Zinserträgen und Kapitalgewinnen, die durch den anhaltenden Rückgang der Zinssätze in diesem Zeitraum erzielt wurden“, wird konstatiert. 2021 habe die Angelegenheit anders ausgesehen: „Der globale Index für Staatsanleihen fiel im Jahresverlauf und verzeichnete einen Verlust von 1,9%. Das war das schlechteste Jahr seit 1994 und eines von nur vier der vergangenen 35 Jahre, in denen die Gesamtrendite negativ war. Die Ertragskomponente der Anlegerrenditen schrumpfte 2021 auf 1,4% und damit auf den niedrigsten Wert aller Zeiten.“ Dies spiegele verständlicherweise die niedrigeren Zinsaufwendungen wider, die die Staaten zu tragen hatten. „Gleichzeitig fielen die Anleihekurse um 3,3%, da die steigende Inflation ihren Tribut forderte. Die Anleger wollen eine höhere Rendite für ihr Kapital, wenn sie eine höhere Inflation befürchten, und das drückt die Anleihekurse nach unten“, wird ausgeführt.

Nicht alle Anleihen würden sich gleich verhalten. Anleihen mit niedrigeren Kupons und langen Laufzeiten seien risikoreicher als Anleihen mit kurzen Laufzeiten und höheren Kupons. Wenn sich das Zinsumfeld ändere, bewege sich der Kurs der Letzteren viel weniger als der der Erstgenannten. Daraus würden sich Chancen für Anleger ergeben. Die große Veränderung für 2022 und darüber hinaus liegt den Experten zufolge in den Kosten, die den Staaten für die Bedienung ihrer Schulden entstehen. Am stärksten werde sich dies in Großbritannien auswirken, wo ein Großteil der Schulden in indexgebundenen Gilts aufgenommen werde (Inflation-Linked Bonds oder kurz Linker). Wenn die Inflation steige, würden auch die Zinszahlungen zunehmen. Darüber hi­naus habe die Bank of England den Prozess der Zinsanhebung früher als andere Länder eingeleitet. Das be­deute, dass sie ihren Einlegern wesentlich mehr Zinsen zahlen müsse, als sie für das Portfolio von Bonds erhalte, das sie im Rahmen der quantitativen Lockerung aufgebaut habe. Der Fehlbetrag werde vom britischen Steuerzahler finanziert werden müssen.

Viele Linker in vielen Ländern

Auch die USA, Kanada, Frankreich, Deutschland und Australien haben dem Vermögensmanager zufolge relativ hohe Volumina an Linkern emittiert. Diese Länder sowie Großbritannien hätten einen größeren Anreiz, die Inflation zu bekämpfen, als Länder mit wenig oder gar keinen Inflationsanleihen. „Jene Länder geben sich damit zufrieden, dass ihre Schuldenlast relativ gesehen schrumpft, wenn die Inflation ihren Wert schmälert – die sogenannte finanzielle Repression. Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation wirken sich natürlich positiv auf die Anleihekurse aus.“

Gegenwärtig würden die Inflationszahlen sowohl die aktuellen als auch die einfachen Basiseffekte früherer Preiserhöhungen widerspiegeln, die bis zu ihrem Stichtag mit dem „alten“ Preisniveau verglichen werden. Ersteres sei für Anleihe­investoren besorgniserregender als Letzteres. „Wir gehen davon aus, dass die Inflation bis zum Jahresende ein weitaus geringeres Problem darstellen wird, da bis dahin diese weniger schwerwiegenden Basiseffekte und nicht der aktuelle Kostendruck die Hauptdeterminante sein werden. Das Risiko besteht jedoch darin, dass sich die Inflationserwartungen auf das Verhalten von Unternehmen und Verbrauchern auswirken. Sollte dies der Fall sein, wird die Politik härter und schmerzhafter reagieren müssen“, so die Experten.

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