InterviewMarcel Oldenkott, Bit Capital

„Hellofresh eignet sich sehr gut für unseren Ansatz“

Der Fonds Bit Global Technology Leaders hat in den letzten Monaten eine beeindruckende Performance hingelegt. Der Co-CIO von Bit Capital, Marcel Oldenkott, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, auf welche Titel er jetzt setzt und was Bit Capital von Star-Investoren wie Cathie Wood unterscheidet.

„Hellofresh eignet sich sehr gut für unseren Ansatz“

Im Interview: Marcel Oldenkott

„Hellofresh eignet sich sehr gut für unseren Ansatz“

Fonds Bit Global Technology Leaders punktet mit hohen Renditen – Hohe Volatilität ist Teil des Konzepts – Kryptomarkt hat „Clearing-Event“ hinter sich

Der Fonds Bit Global Technology Leaders hat in den letzten Monaten eine beeindruckende Performance hingelegt. Der Co-CIO von Bit Capital, Marcel Oldenkott, erklärt im Interview der Börsen-Zeitung, auf welche Titel er jetzt setzt und was Bit Capital von Star-Investoren wie Cathie Wood unterscheidet.

Herr Oldenkott, Ihr Fonds Bit Global Technology Leaders verzeichnet eine annualisierte Rendite von über 30%. Das ist wirklich stark. Allerdings schwankt der Fonds auch deutlich stärker als andere Produkte. Liegt diese Volatilität am Sektor Technologie, oder ist sie auch ein Teil des Konzepts Ihrer Titel-Auswahl?

Die Antwort ist klar: Beides. Die Volatilität von breiten Technologieindizes wie dem Nasdaq 100 oder MSCI World IT liegt schon um ein paar Prozentpunkte höher als die vom MSCI World. Wir suchen nicht bewusst nach schwankungsintensiven Titeln, aber es ist ein Parameter, den wir im Rahmen unserer Titelselektion in Kauf nehmen. Wir bewegen uns stark im Marktkapitalisierungsbereich zwischen 3 und 100 Mrd. US-Dollar, weil wir in diesem Bereich das höchste Alpha erzeugen können. In diesem Universum gibt es viele unprofitable Tech-Titel, bei denen Cashflows noch weit in der Zukunft liegen. Diese Long Duration Assets haben eine hohe Zinssensitivität, das sorgt für zusätzliche Volatilität im Portfolio. 

Die nehmen Sie also bewusst in Kauf?

Ja. Das ist Teil des Konzepts, um die Titel kaufen zu können, bei denen wir die höchsten Alpha-Erwartungen haben und gegenüber breiten Indizes die höchste Performance erzielen können. Wir haben aus dem Jahr 2022 (als der Fonds hohe Verluste verkraften musste, Anmerkung der Redaktion) viele Lehren gezogen und das Portfolio an vielen Stellen optimiert, es robuster und weniger volatil gemacht. 2021/22 war die Volatilität unseres Fonds Bit Global Technology Leaders 15 Punkte höher als beim MSCI World IT. Dieser Unterschied ist jetzt auf fünf Punkte zusammengeschrumpft. 

Namhafte Tech-Investoren wie Cathie Wood und ihren Ark Invest haben Sie zuletzt um Längen geschlagen. Was machen Sie anders?

Wir sehen uns nicht unbedingt in dieser Peergroup. Es gibt Marktteilnehmer, die ihren Schwerpunkt auf disruptive Technologien legen und argumentieren, dass Value-Investing-Ansätze in diesem Kontext nicht angebracht seien. Das ist nicht unser Pitch. Wir verstehen uns als Value Investoren mit einem klar strukturierten, datengetriebenen Ansatz. Ein anderer Unterschied zu Managern wie Cathie Woods ist, dass wir deutlich aktiver sind und uns mehr als echte Portfoliomanager sehen. 

Was bedeutet das?

Wir schauen uns sehr viele Parameter an, die in ihrer Gesamtheit aus unserer Sicht ein gutes Bild davon geben, ob ein Unternehmen günstig oder teuer bewertet ist. Als Learning aus dem Jahr 2022 haben wir hierzu ein eigenes Softwaretool entwickelt, quasi eine automatisierte Überwachung zur Bewertungsdisziplin. Unsere Software analysiert Titel fortlaufend auf Bewertungsparameter und signalisiert uns, wenn Unternehmen teuer erscheinen. Dieses System unterstützt uns, neben dem Einsatz alternativer Daten, beim Timing, Gewichtungen anzupassen oder Positionen vollständig zu verkaufen, wenn die Bewertungen im Vergleich zu anderen Titeln unattraktiv werden. Dadurch schlagen wir unser Portfolio häufiger um. Das sind aus meiner Sicht die größten Unterschiede, die sich in den letzten Jahren auch in der Performance niedergeschlagen haben.

Auf welche Tech-Titel setzen Sie aktuell und welche sind aus Ihrer Sicht inzwischen ganz schön teuer geworden?

Ein Titel, den wir in den letzten Wochen stark abgebaut haben, als Beispiel für unsere Bewertungsdisziplin, ist Nubank. Das ist eine Digitalbank aus Brasilien. Dieses Unternehmen war über mehrere Quartale hinweg eine der Top-Positionen in unseren Fonds. Obwohl das Wachstum weiterhin stabil ist, hat sich das Tempo verlangsamt, und zusätzliche Wachstumsinitiativen wie der Markteintritt in Mexiko wirken sich erst langfristig aus. Angesichts eines stark gestiegenen Kurses und einer weniger attraktiven Bewertungsrelation haben wir die Position schrittweise reduziert und schließlich komplett verkauft.

Und worauf setzen Sie gerade?

Der Portfoliotitel mit der höchsten Gewichtung ist momentan Hellofresh. Das Unternehmen begann als Kochbox-Lieferservice und legte besonders während der Covid-19-Pandemie ein beachtliches Wachstum hin. Danach sank die Nachfrage stark und der Wettbewerb verschärfte sich. Nachdem das Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von unter einer Milliarde Euro gehandelt wurde, haben wir im Mai 2024 mit unseren Fonds zu sehr guten Bewertungen signifikant investiert.  

Was gefällt Ihnen an dem Unternehmen?

Zuallererst sehen wir Hellofresh trotz der jüngsten Herausforderungen als ein Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten und einem starken Wachstumspotenzial. Zudem ist Hellofresh ein Unternehmen, das sich aufgrund seines Geschäftsmodells sehr gut für unseren Ansatz eignet. Wir verarbeiten täglich eine große Menge alternativer Daten entlang unseres gesamten Investmentprozesses. Insofern gilt für uns: Je mehr Spuren Unternehmen im Internet hinterlassen, umso besser ist das für unsere Analysen. Bei Hellofresh gibt es keinen stationären Handel, jeder Kontaktpunkt mit dem Kunden findet online statt. Das heißt, wir haben gute Möglichkeiten, über die so gewonnenen Daten, tiefe Einblicke in die operative Entwicklung des Unternehmens zu gewinnen.  

Und diese Zahlen sagen Ihnen, dass das Unternehmen unterbewertet ist?

Unsere These ist, dass der Markt inzwischen zu negativ auf das Kochboxen-Segment schaut. Große Kundenvolumina, die Hellofresh in der Coronazeit gewonnen hatte, gingen über die Zeit wieder verloren – Überkapazitäten und erhöhte Kosten waren die Folgen. Jetzt legt Hellofresh den Fokus stärker auf Konsumenten, die häufiger bestellen. Während eine kleine Kundengruppe nur wenige Male bestellt, bildet eine stabile Kerngruppe von Abonnenten, die das Abo über Jahre hinweg nutzen, das Rückgrat des Kerngeschäfts der Kochboxen. Wir gehen davon aus, dass sich dieses Geschäftsfeld weiter stabilisieren und zu einer Cashcow entwickeln wird, die das Wachstum in anderen Bereichen finanziert. 

Welche anderen Bereiche meinen Sie?

Hellofresh ist mit dem Kauf von Factor in den USA in das Ready-to-eat-(RTE)-Segment eingestiegen. Das RTE-Segment ist hochprofitabel und bietet eine klare Wachstumschance, da Fertigmahlzeiten als bequeme und kostengünstige Alternative zu Restaurantbesuchen wahrgenommen werden. Unsere Analysen zeigen, dass Hellofresh 2024 allein im Ready-to-eat-Bereich über 2 Mrd. Euro Umsatz erzielen könnte. Das ist etwas, das der Markt aus unserer Sicht unterschätzt bzw. mehr oder weniger ausgepreist hat. Neben dem RTE-Geschäft erkennen wir Potenzial in weiteren DTC-(Direct to Consumer)-Nahrungsmittelsparten von Hellofresh, wie dem Fleischhandelsgeschäft Good Chop und dem Tiernahrungsgeschäft The Pets Table. Insgesamt sehen wir aufgrund der starken Positionierung in wachstumsträchtigen Bereichen großes Potenzial für eine deutliche Wertsteigerung, selbst nachdem sich die Aktie seit dem Low zuletzt mehr als verdoppelt hat.

Spätestens mit dem Aufkommen von KI haben auch Internet- und Technologie-Titel einen regelrechten Hype und eine massive Aufwertung erfahren. Davon hat nicht zuletzt auch Ihr Flaggschiff-Fonds profitiert. Spüren Sie das neben den höheren Kursen auch in größeren Zuflüssen?

Die von KI getriebene Entwicklung hat bereits Ende 2022, Anfang 2023 eingesetzt, aber sie hat sicherlich auch in diesem Jahr eine gewichtige Rolle bei der Performance des Fonds gespielt. Die Mittelzuflüsse haben sich im Zuge der Fonds-Performance erhöht. Besonders bemerkbar macht sich dies in Form eines gestiegenen Interesses bei institutionellen Kunden und im Wholesale-Segment – mit beiden Kundengruppen führen wir intensive Gespräche.

Und das mündet dann auch in Zuflüssen?

Während die Brutto-Mittelzuflüsse auf der einen Seite angezogen haben, sehen wir auf der anderen Seite auch Mittelabflüsse aus den Fonds, insbesondere aus den Retailanteilsklassen. 

Was für Gründe sehen Sie dafür?

Die naheliegendste oder die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass Investoren, die 2021 zu Höchstkursen eingestiegen sind, 2022 und 2023 durchgehalten haben, nun bei Erreichen neuer Allzeithochs aussteigen oder Gewinne mitnehmen. Netto halten sich Zu- und Abflüsse aktuell die Waage.

Sie haben Ihre beiden Tech-Fonds kürzlich umbenannt und das Wort Internet durch Technologie ersetzt. Was steckt dahinter?

Anfang 2018, als Jan Beckers den Fonds auflegte, war Internet das präsenteste Technologiethema. Die Umbenennung reflektiert die Weiterentwicklung unseres Portfolios. Ursprünglich lag der Schwerpunkt auf internetbasierten Geschäftsmodellen und Direct-to-Consumer-Unternehmen, was damals den Kern unserer Strategie ausmachte. Heute decken wir ein sehr breites Spektrum des Technologiesektors ab. Mit unserem 20-köpfigen Investmentteam und erweiterten Analysemethoden, wie generativer KI, haben wir unsere Fähigkeiten, verschiedene Sub-Sektoren abzudecken, erheblich ausgebaut. Der Name „Technologie“ beschreibt treffender, worauf wir uns fokussieren, ohne die Wurzeln unserer bewährten Strategie zu vergessen. Wir machen heute nichts anderes als früher, das ist ein sukzessiver Aufbau auf unserer bewährten Strategie, mit der wir seit Auflage zu den renditestärksten Aktienfonds in Europa gehören. 

Sie haben ja auch ein Kryptoprodukt und mit dem Bit Global Crypto Leaders die Performance des Global Technology Leaders im letzten Jahr sogar noch deutlich übertreffen können. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung am Kryptomarkt nach den US-Wahlen ein? Geht das jetzt immer so weiter?

Nein. Dass Trump gewählt wurde, war für den Kryptomarkt ein besonderer Moment, eine Art „Clearing-Event“. Jetzt ist ein Teil der erwartbaren Wertsteigerung sicherlich eingepreist, sowohl in Bitcoin als auch in Aktien aus dem Krypto-Ökosystem. 

Woher kam dieser Rückenwind?

Der Wahlsieg Trumps hat den Kryptomarkt fundamental verändert. Die kryptokritische Haltung der SEC unter den Demokraten hat viele Investoren abgeschreckt. Mit Trump erwarten wir, dass die SEC ihre Maßnahmen zurückfährt, was regulatorische Klarheit schafft. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass unter Trump proaktive Maßnahmen zur Förderung des Kryptosektors ergriffen werden, etwa die Zulassung weiterer Verwahrstellen oder gar die Einführung nationaler Bitcoin-Reserven. Es gibt noch einen weiteren Punkt, der momentan noch nicht stark eingepreist sein dürfte. 

Welcher ist das?

Ein weiterer Treiber ist die zunehmende institutionelle Adaption, wie die starke Nachfrage nach Bitcoin-ETFs zeigt. Der von Blackrock aufgelegte ETF ist der am schnellsten wachsende seiner Art und hat bereits nach zehn Monaten über 25 Mrd. Dollar an Zuflüssen zu verzeichnen. Interessant ist zudem, dass ein Großteil der Finanzberater und Banken in der Vergangenheit sehr vorsichtig war, ihren Kunden Investments in diesem Bereich überhaupt vorzuschlagen, weil sie die Regulatorik fürchteten. Dieses Gegenargument fällt nun weg, was mit einem gewissen Zeitverzug nochmal zu einer steigenden Nachfrage führen könnte, sodass wir 2025 noch deutlich größere Mittelzuflüsse sehen könnten, als wir 2024 bereits gesehen haben. 

In eine andere Richtung gehen Sie mit dem Fonds Bit Defensive Growth, den Sie im Sommer lanciert haben. Was unterscheidet das neue Produkt von den Bit-Global-Technology-Fonds? Eine defensivere Ausrichtung, wie der Name suggeriert?

Genau das. Auf Basis der Erkenntnisse vieler Investorengespräche haben wir unseren Product-Market-Fit geschärft. Wir haben ein Produkt entwickelt, das insbesondere auf die Anforderungen konservativer Investoren abgestimmt ist, und bedienen damit die gestiegene Nachfrage nach einer risikoorientierten Portfoliokonstruktion als Ergänzung zum primär renditeorientierten Bit Global Technology Leaders. Das Portfolio des Bit Defensive Growth basiert zwar auf dem des Bit Global Technology Leaders, ergänzt dieses jedoch um sorgfältig ausgewählte Titel, die besonders positive Korrelationseigenschaften zum Portfolio des Flaggschiff-Fonds besitzen. Ein Hedge-Overlay mit Derivaten, eine algorithmische Portfoliokonstruktion und weitere Merkmale zielen darauf ab, dass der Fonds in Bezug auf Volatilität und Drawdown ähnliche Risikoeigenschaften aufweist wie breit diversifizierte Tech-Index ETFs oder defensive Technologie-Aktienfonds. 

Zur Person: Marcel Oldenkott ist Geschäftsführer und Co-CIO von Bit Capital und leitet die Bereiche Biotech- und Systematic Strategies, Makro-Research, Risikomanagement und Data Engineering. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der deutschen Assetmanagement-Industrie. 

Das Interview führte Tobias Möllers. In voller Länge finden Sie das Gespräch unter www.boersen-zeitung.de.

Das Interview führte Tobias Möllers. Das vollständige Interview finden Sie unter www.boersen-zeitung.de.